1:1 im Südwestderby zwischen Lautern und Waldhof Mannheim! Der Ticker war Teufelchen und Engelchen zugleich.
Freunde, herzlich Willkommen zum nächsten Liveticker der Dritten Liga! Heute haben wir uns mal einen richtigen Leckerbissen rausgesucht: Kaiserslautern gegen Waldhof Mannheim. Wer diese Rivalität nicht kennt oder zu schätzen weiß, ist vermutlich nach 1995 geboren oder hat den Fußball nie geliebt. An der Tastatur heute deshalb für euch mit Alex Raack ein Jahrgang 83, dessen Zuneigung zum Fußball sich zum Beispiel auch darin zeigt, dass er seiner Angetrauten dann und wann merkwürdige alte Fußball-Songs vorschmachtet. Zum Beispiel dieses. Möge auch bei euch das Schmachten beginnen!
7500 Zuschauer dürfen heute dabei sein. In Zeiten wie diesen klingt das nach 100.000 Euphorisierten in irgendeinem alten Ostblock-Tempel. Natürlich bitter bei so einem Derby: Gästefans sind keine zugelassen. Arme Lauterer: Wer soll heute ihren Hass abbekommen?
Hoffentlich nicht wieder jenes arme Hausschwein, dass vor einem der letzten Aufeinandertreffen herhalten musste, um die Abneigung zwischen FCK und Waldhof darzustellen. Woher eigentlich diese gegenseitige Wut? Die hat offenbar ihren Ursprung, als die Waldhof-Buben 1983 überraschend in die Bundesliga aufstiegen und die Lauterer fürchteten, einen Großteil ihrer Anhängerschaft nach Mannheim zu verlieren. Waldhof war dann schon bald keine sportliche Konkurrenz mehr, Kaiserslautern erlebte in den Neunzigern seine erfolgreichste Zeit und schmierte später gnadenlos ab. Dass sich heute, im Jahr 2020, beide Teams in der Dritten Liga wiedersehen, kann der Fußball-Gott eigentlich nicht gewollt haben.
Erstes Derby übrigens für die beiden Trainer der Teams, Jeff Saibene beim FCK und Patrick Glöckner bei den Mannheimern. Kommentar der Kollegen von kicker.de: „Über den Stellenwert (des Derbys) wurden sie aber nach eigener Aussage eingehend aufgeklärt.“ Schöne Vorstellung, wie den beiden Herren liebevoll gestaltete Kinderbücher mit fast nackten Hooligans gezeigt werden, die hemmungslos aufeinander einprügeln und nach neun Monaten noch mehr Rivalität gebären.
Apropos Aufklärung und liebevoll gestaltete Kinderbücher: Lauterns Saibene ist, Zitat, „noch immer in der Kennenlernphase“. Nächste Woche lädt ihn Atze Friedrich auf ein Eis mit Schokostreuseln ein. Danach vielleicht knutschen im Kornfeld. Dazu sanftes Fritz-Walter-Wetter.
TOOOOR!!! 1:0 für Waldhof. Angriff über Lauterns linke Seite (wo war Andy Brehme?), Ball kommt in die Mitte, da steht Kollege Joseph Boyamba und haut die Kugel ins Netz. Hey, super Waldhof.
Dem Kollegen von Magenta haben sie offenbar was in den Kaffee getan. Sprach erst vor dem Anstoß von „einem Spiel, an das wir uns ganz sicher noch lange erinnern werden“, bekam dann fast Schnappatmung bei der Lauterer Vereinshymne, brachte original noch ein Studentengag auf Kosten von Schiri Badstübner und jauchzte eben: „Fühlt sich das nicht wie Fußball an?“ Nun, Kollege, nicht ganz. Ist halt Corona, ins Stadion durften gerade mal 7500 und nicht ein einziger Auswärtsfan. Mein Gott, komme mir schon vor wie ein Meckerrentner am Fensterbrett. Ich geh mal mein Ellenbogenkissen wechseln.
Torschütze Boyamba hat im Interview vor dem Spiel offenbar seinen inneren Oli Kahn entdeckt und zu Protokoll gegeben: „Gerade eine Kulisse, die komplett gegen uns ist, kann pushen.“ Würde mich wenig wundern, wenn der Mann gleich in die Eckfahne beißt oder Heiko Herrlich anknabbert. Nur bitte, bitte, keine Bananen.
Mein neuer Lieblingsspieler beim FCK (und damit Nachfolger des großen Tom Dooley) heißt Kenny Prince Redondo. Einfach überragend, wenn Eltern ihrer Liebe für Zeichentrickfilme, Popmusik und argentinischem Fußball so freien Lauf lassen. Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an meine Eltern: Wie gerne hätte ich Alf Elton Maradona geheißen.
Für all euch Jungspunde da draußen: Der Mann, der den SV Waldhof Anfang der 80er in die Erstklassigkeit führte, heißt Klaus Schlappner, ist inzwischen 80 Jahre alt, trug meistens einen hübschen Schnauzbart und einen noch hübscheren Hut, vor allem aber gab der Mann wunderbare Pressekonferenzen. Beweisstück A:
Bislang ein ganz normales Drittliga-Spiel: Viel Krampf, bisschen Unentschlossenheit, dafür Motivation auf beiden Seiten. Erinnert also alles an ein handelsübliches Tinder-Date. Glöckner zu Saibene: „Zur mir oder zu dir?“
Erotisch aufgeladen ist dieses Derby allemal. Waldhof-Trainer Glöckner vor der Partie im Testosteron-Rausch: „Fakt ist: Die Jungs gut eingestellt und genauso heiß, wie ich es bin.“ Prädikat: Besonders Lechz.
Boah, sensationelle Doppelparade von Lauterns Keeper Spahic. Erst den abgefälschten Fernschuss pariert, dann den Nachschuss aus exakt 40 Zentimetern abgewehrt. Muss man erstmal die Eier haben, um sich so irre in den Gegner zu schmeißen. Gerührt haut sich Gerry Ehrmann den Vorschlaghammer auf den kleinen Zeh und kaut dann weiter ganz in Ruhe die rostigen Nägel, die ihm seine Frau so liebevoll auf seine gusseisernen Schnittchen geschmiert hat.
Stand jetzt Lautern Letzter. Hinter Magdeburg, hinter Uerdingen. In der Dritten Liga. Und jetzt schon wieder ein unnötiger Ballverlust im Aufbauspiel plus Foul und Gelbe Karte. Zwischenfazit: Der Teufel steckt im Detail.
Ach ja, Kaiserslautern. Was ein Verein, was eine Geschichte, was ein Absturz. War es nicht erst gestern, als an der Seitenlinie Otto Rehhagel im Jogger auf dem kleinen Finger pfiff und Olaf Marschall und Ratinho den FCK zur Meisterschaft schossen? Was wurden am Betzenberg schon für große Schlachten geschlagen und jetzt muss man froh sein, dass man in der Dritten Liga nicht gegen Waldhof auf den Sack bekommt. Bleibt stark, liebe Lautern-Fans!
Weiter, immer weiter. Hat Oli Kahn immer gesagt. Muss ja. Hat unsere Omma immer gesagt. „Da würde ich sowieso nicht hingehen.“ Hat Mannheims Marcel Seegert geantwortet, als ihm eben in der Halbzeit die Frage gestellt wurde, ob er selbst mit ganz viel Kohle jemals zum FCK gehen würde. Der Jubel aus den Mannheimer Fankneipen und Wohnzimmer war sogar hier im fernen Celle deutlich hörbar. Grüße gehen raus nach D5 und K19!
„Ganz andere Körpersprache bei den Lauterern“, erkennt der Magenta-Kollege Straßburger nach den ersten drei Zweikämpfen. Die Viererkette tanzt die Namen der Gegenspieler. Auf Spanisch.
Beinahe-Fantasie-Tor vom FCK! Flanke von rechts, Scherenschlag, von einer Mannheimer Birne abgewehrt. Kurz darauf die nächste Großchance. Und endlich, endlich, macht die Mannschaft die 6000 glücklich. Fritz Walter schaut von oben zu und bekommt Gänsehaut.
Nun also doch noch so etwas wie Derby-Atmosphäre hier. Ach, Fußball, du Wechselbadegast der Gefühle! Es braucht nur ein paar gewonnene Zweikämpfe, in den gegnerischen Strafraum geschlagene scharfe Flanken, kernige Sprintduelle und die ein oder andere Chance und schon verändert sich die ganze Statik einer Partie. Für alle, die in den vergangenen Jahren lieber Football oder Tennis geschaut haben: So was gibt es dann halt doch nur hier.
Sieht das nur so aus, oder ist der Rasen im guten alten Fritz-Walter-Stadion ein ganz schöner Acker? Gleich pflanzt Saibene im gegnerischen Fünfer ein paar Miro Kloses an. Oder wie der Botaniker sagt: Miroklosus Blaubachdiedelkopfus.
Kopfball Bachmann, Glanzparade Bartels! Hätte Rene Higuita zwar mit der Hacke nach vorne gespielt, aber Mannheim ist nicht Kolumbien und Bartels ist nicht Higuita, deshalb wiederhole ich mich: Glanzparade!
An dieser Stelle nehme ich mir die Zeit, um endlich ein Loblied auf die Frisur von Jeff Saibene zu singen. Hinten lang, vorne buschig, dazu dieser Mittelscheitel, der seit 1979 einfach nicht mehr wächst, herrlich. Man möchte glatt der Föhn sein, mit dem sich der gute Jeff morgens die Mähne in Form bringt. Danach raus auf die Straße, Espresso, Morgenzeitung, Käsebrötchen, Gewinnerlächeln. Natürlich nur, wenn seine Mannschaft dieses Ding hier noch drehen sollte. Stand jetzt: Kaiserslautern, Betzenberg, die Frisur sitzt. Trotzdem 0:1.
Apropos Haare, apropos Lautern. Wer diese Legende noch kennt, bekommt eine Locke von Tim Jürgens. Die richtige Antwort bitte an: wearsomeflowersinyourhair@11freunde.de
Wahnsinnsszene eben vor dem Mannheimer Tor. Ball kommt zu Hanslik, der zieht mit rechts ab, Torwart Bartels ist schon geschlagen, aber Abwehrmann Gözütok klärt auf der Linie. Junge, Junge. Soll der Ausgleich hier nicht fallen? Und dann dieses: TOOOOR!!! 1:1 durch Ritter! Lautern wieder da, das Derby raucht und faucht und am Betzenberg brennt die Hütte.
Woran man merkt, dass man ein alter Sack geworden ist: Wenn man sich Mühe geben muss, einen der aktiven Spieler in Liga 3 zu kennen und sich dann freut, wenn mal wieder der Sohn eines früheren Kickers im Kader auftaucht. Wie am heutigen Tage Jesper Verlaat, Sohnemann vom ehemaligen Werderaner Frank. Das Haupthaar hat er definitiv vom Papa geerbt, Glückwünsch. Wann bringt Saibene den Schwippschwager von Ailton?
Straßburger beschwört den „Mythos Betzenberg“ und in der Pfalz stellen sich gerade alle Haare auf. Rotwein auf Lebenszeit für den Mann am Mikro, wenn der FCK dieses Spiel tatsächlich noch dreht. Vielleicht, lieber Kollege, gibt es auch ein paar Flaschen für die Tetrapak-Trinker von 11FREUNDE. Wir tickern dann auch unseren Rausch, versprochen. Love and hicks.
Der eingewechselte Ciftci beinahe mit dem Führungstreffer. Dann hätten sie endlich einen guten Grund, um diesen unglaublich dichten Vollbart im Vereinsmuseum ausstellen zu können. Gleich neben den Locken von Harry Koch und dem Minipli von Olaf Marschall. Zwei Reihen weiter erwarten sie übrigens die Wadenmuskulatur von Martin Wagner und das Selbstvertrauen von Mario Basler.
Mannheim war stark, Mannheim war überlegen, Mannheim bestimmte die Melodie dieser Partie. Seit der Halbzeit nur noch Lautern am Mic. So klingt das seit der 46. Minute:
Nachspielzeit ist angebrochen. Ungebrochen noch immer der Kampfgeist der Gastgeber. Eine zweite Halbzeit, die längst dafür entschädigt hat, was sich die 6000 in den ersten 45 Minuten hier geben mussten. Und was vermisse ich in solchen Momenten all jene, die nicht bei diesem Spiel sein können. Volles Haus am Betzenberg, Südwest-Derby, Schmacht. Noch zwei Minuten.
Ende, aus, es bleibt beim 1:1. Zwei Mannschaften und Halbzeiten, die unterschiedlicher nicht sein konnten, sehr viel gefressenes Gras, sehr viel Derbyfeeling, Danke dafür! Der Liveticker reibt sich jetzt erstmal mit Latschenkiefer ein und sucht im Internet nach Klaus-Schlappner-Pepitahüten, wünscht euch ein wunderbares Fußball-Wochenende und freut sich schon aufs nächste Wiedersehen!