Die U21 gewinnt und verdankt das einer alten, deutschen Tugend: dem Torhüter. Aus wem Lennart Grill wie Würstchen machte, wissen: die zwei Damen vom Liveticker.
Schock vor dem U21-Länderspiel! Das Corona-Virus hat sein nächstes Opfer gefunden: Cristiano Ronaldo. Oder wie wir ihn nennen: CR19.
Und damit herzlich willkommen zum Klassiker unter den Nicht-Klassikern: Deutschland gegen Bosnien-Herzegowina. Bisherige Bilanz: 4 Spiele, 2 Siege, ein Unentschieden, eine Niederlage. Die Pleite hatte es allerdings in sich: 1:5 verlor Deutschlands Jugendgang 2002 in Zenica. Jermaine Jones und Benny Lauth flogen vom Platz. Außerdem im Team der Deutschen: Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel. Allerdings auch Spieler, die nicht gerade als Fußballweltstars in Erinnerung blieben. Oder kennt noch jemand Christian Mikolajczak? Immerhin, spielte ein paar Mal Zweite Liga. Ab 2013 ließ er seine Karriere beim VfB Speldorf und dem SV Hönnepel-Niedermörmter ausklingen. Was uns zur Frage führt: Wer wird aus der aktuellen U21 der neue Christian Mikolajczak? Und zur zweiten (wichtigeren) Frage: Könnt ihr mehr als 20 Mal in einer Minute „SV Hönnepel-Niedermörmter“ sagen?
Das Spiel läuft heute auf einem Sender, der bei mir zwischen Bibel TV und VivaPlus klemmt: ProSieben Maxx. jedes Mal, wenn ich zufällig vorbeizappe, stelle ich mir vor, wie ein Programmchef den Namen seinen Mitarbeitern erklärt: „Leute, es gibt drei Möglichkeiten, etwas zu tun: die richtige Art, die falsche Art und die ProSieben-Maxx-Art.“ – „Ist das nicht die falsche Art?“ – „Ja, aber dafür geht’s schneller!“
Was etwas verwundert: Will Smith kommentiert das Spiel nicht. Und man fragt sich, ob es das in der jüngeren ProSieben-Gsechichte schon mal gab? Zwei Stunden am Stück ohne Will Smith.
Dafür am Mikrofon die eine von taff (Annemarie Carpendale) und der andere von Galileo Mystery (Aiman Abdallah). Toll, was sich ProSieben für die Zeit zwischen den Werbeblocks so ausdenkt.
Wir melden uns heute übrigens aus dem Sportpark Ronhof in Fürth, der von 2010 bis 2014 Trolli Arena hieß. Aber scheiß drauf: Für uns wird das Stadion immer die Playmobil Arena bleiben.
Schauen wir mal auf ein paar Spieler der Deutschen. Tim Handwerker zum Beispiel. Ein Abwehrspieler. Könnte auch Torwart sein, klar. Dann Niklas Dorsch. Stelle mir immer vor, wie Horst Hrubesch den einst entdeckt hat, äh, sich geangelt hat. An den Küsten oder vom Boot. Das ist in etwas so, als würde Boris Becker den Spieler Wim Bledon trainieren.
Weirder Flex auch das „Kleeatt“, das auf der teils abgedeckten Tribüne des Fürther Ronhofs zu lesen ist und das, wenn man es schnell spricht, klingt wie jedes zweite Wort eine Songs von Capital Bra. Glaubt ihr nicht? Lelelelelele.
Das Spiel der deutschen Mannschaft bisher ähnlich wie mein Kontostand: viel Druck, wenig Positives zu verbuchen.
Aber ist doch schön, dass sie in Fürth so ein Spiel ausrichten können. Endlich mal zweitklassiger Fußball!
Falls jemand nach eine Mineralwasserflasche sucht, die irgendwas zwischen „Medium“ und „Sprudel“ ist – das hier ist es. Die deutsche Mannschaft diktiert das Geschehen, die Gäste aus Bosnien-Herzegowina das Resultat. Alle drei Minuten schießt mal jemand halbgefährlich auf’s Tor. Toll. So ungefähr stelle ich mir ein Wochenende bei reichen Leuten vor.
Schön, dass Schiedsrichter Boris Marhefka das alte pinke Trikot von Tim Wiese trägt. Hoffen wir darauf, dass er sich ähnlich spektakulär im Strafraum abrollt und nach dem Spiel direkt der Trainingsgruppe 2 anschließt. Mit Markus Gisdol als Linienrichter. Wäre jedenfalls lustiger als alles, was wir hier bisher gesehen haben.
Jetzt Kurzreferat der drei oder vier oder sieben Maxx-Kommentatoren (habe den Überblick verloren) zu Florian Wirtz. Der ist 17 und sieht aus wie 13 – und ja, er ist der beste Jugendspieler aller Zeiten. Also quasi. Er macht heute sein zweites U21-Länderspiel. Nächstes Jahr schließt er vermutlich ein Jura-Studium in Havard ab und übernächstes Jahr fliegt er zum Mond. Auf einem Hoverboard.
Fieser Check an der Seitenlinie von, ja, von… wem denn verdammt noch mal!?!! Bosnien-Herzegowina spielt in Trikots ohne Namen. Weshalb ich gleich einen Leserbrief an die Uefa schreiben werde: Abo-Kündigung ist raus!!!1!1!
Wegen positiven Corona-Tests, einigen Corona-Verdachtsfällen und Verletzungen hat Stefan Kuntz heute ja nur 16 Spieler zur Verfügung. Falls noch Bedarf an Spielern ist, würde ich mich anbieten. Habe mal gegen einen gespielt, der einen kannte, der mal einen getroffen hat, der mit einem ehemaligen bosnischen U11-Nationalspieler zusammen an einer Ampel in Sarajevo gestanden hat. Hat mir viel über Laufwege diesdas verraten.
Toooooor! Vorarbeit Özcan, Nmecha mit der Hacke. Hohe Kuntz! Vor lauter Zungeschnalzen holen wir uns eine Zerrung.
Eigentlich unangebracht, jetzt hier aus einem anderen Ticker zu diesem Spiel zu zitieren. Aber das habe ich gerade bei den Kollegen vom „kicker“ gelesen und was soll ich sagen? Kann so 1:1 in die Neuauflage von Kabale und Liebe: „Sie ist an den kurzen Pfosten getreten, sorgt aber nicht für Gefahr.“
Das Spiel der deutschen U21 wie ein Sittengemälde des ganzen Landes. Scheinüberlegenheit. Keine Stimmung. Viel geht über rechts. Freu mich schon auf die SpiegelTV-Reportage zur Partie: „U21 – das skrupellose Leben zwischen Viererkette und Siegprämien.“
Auf wen man achten sollte: die Nummer 3 der Gäste, Linksverteidiger Jusuf Gazibegovic. Hat die Stutzen ungefähr auf Höhe Erdkern, den Körperschwerpunkt einer Langhantelstange und applaudiert nach Todes-Grätsche am Gegner dem Schiri. Motto: „Was läuft der Kasper auch in meine offene Sohle?“ Kurzum: guter Typ. Jetzt schon einer für die dritte Herren.
„Uh“, wie man in Bosnien sagt: Riesenchance durch die Nummer 8 der Gäste! Kommt da am Strafraumrand frei zum Abschluss mit seinem linken Fuß und man kann jetzt nur alle Daumen drücken, dass das sein schwacher ist, weil sonst: Uh, oh, ayeayeaye. Weiter 1:0 für Deutschland, dem 0:0 für Streber.
Auf der Gegenseite gute Chance durch Florian Krüger nach schöner Vorarbeit von Ridle Baku. Aber macht er souverän, wie er da aus 3 Metern klärt für die Bosnier, der Krüger. Viel erstaunlicher, in welche Richtung sich Bosniens Torhüter Kovacevic in dieser Szene orientiert, nämlich eindeutig Richtung hoppla. Und es ist nicht die erste Szene, in der der gute junge Mann die Frage aufwirft, was er wohl im Hauptberuf macht. Mein Tipp: Co-Kommentator bei Pro Sieben Maxx.
Halbzeitpause. Zeit, ein bisschen unnütze Statistik zu recherchieren. Eingangs erwähnten wir ja schon die 1:5‑Pleite gegen Bosnien im Jahr 2002. Das letzte Tor des Spiel schoss ein gewisser Zlatan Muslimovic. Und seit ich diesen Namen gelesen habe, bekomme ich das Bild eines Koran lesenden Zlatan Ibrahimovic nicht mehr aus dem Kopf.
Stach schleudert nun ein paar Fußballfloskelwörter ins Mikrofon. Und dann hat Deutschland plötzlich eine Viertelchance. Ein Spieler, ich glaube Özcan, kommt fast an den Ball. Die sieben Kommentatoren kurz vor Herzkasper. Als hätte der HSV den Europapokal der Pokalsieger gewonnen.
Jetzt werden noch C‑Promis per Handy-Sprachnachricht hinzugeschaltet. Dieser hier heißt Toni Krus oder so. Verstehen kann ich ihn nicht, die Werbebande im Stadion ist zu laut.
Was mich echt aufregt: Bisweilen nehmen die Logos, Icons, Hashtags und der Zweitscreen von ProSieben mehr vom TV-Bild ein als das eigentliche Fußballspiel. Ich würde fast behaupten, wer sich solchen Splitscreen- und Logo-Wirrwarr ausdenkt, applaudiert sich selbst mit Klatschpappen. Absoluter Hass.
Jetzt die Deutschen mit einer Kopfballchance. Aber 6,13 Meter am Tor vorbei. Die Spieler winken enttäuscht ab, nur Sergej Bubka schaut auf die Wiederholung wie auf ein expressionistisches Gemäde. Er misst noch mal nach: Nein, nur 6,12 Meter.
Einer wird gefoult, ein anderer Spieler schießt den Ball irgendwohin, ein dritter läuft ins Aus, ein vierter hüpft auf und ab. Sorry, kann gerade nicht weitermachen, beim Zugucken eine Wadenzerrung im Auge bekommen.
Sagen wir mal so, ein Stück Rindfleisch, das 48 Minuten gebraten wurde, ist im Gegensatz zu diesem Kick: saftig.
Die Aktionen, in denen der Torhüter Bosnien-Herzegowinas herauslaufen möchte, erinnern mich an die Weltreisepläne meiner Jugend. Ziel: unbekannt. Abfahrt: verspätet.
Liebe Kinder, früher war nicht alles besser. Früher hieß sowas wie das hier einfach nur „Jugend trainiert für Olympia“. Und ansonsten: Bitte nicht zu Hause nachmachen.
Die Riesen-Chance für Bosnien-Herzegowina auf den Ausgleich. Die Nummer 9 mit langen Schritten, viel grünem Rasen vor und ohne Geleit neben sich in Richtung Glück. Doch dann schnellt er hervor, der rechte Arm des deutschen Keepers, der rechte Arm von Lennart Grill, ein halber Reklamierarm nur, denn er ist noch kein Großer, aber immerhin schon ein Grillmeister und die Nummer 9 der Gäste ein Würstchen nurmehr. Nur das Spiel bleibt, was es war: Fleischersatz.
Ich war mal in Bosnien-Herzegowina. Schönes Land. Downer des Urlaubs: Hatte einen Unfall. Polizei kam. Wollte die Schuldfrage über den Höchstbietenden klären lassen. Womit ich nur sagen will: Wo ist die bosnische Polizei, wenn man sie mal braucht?
Nächste Chance für die Gäste, diesmal durch die Nummer 3, siehe 39. Minute. Lasert den Ball hier vom linken Strafraumrand mit rechts auf den deutschen Kasten. Aber Grill, dieser Teufelskerl, reißt die Arme hoch. Als wolle er sich ergeben, aber nein, er pariert! Nennen Sie Ihre Kinder Grill, meine Damen und Herren. Oder, um diesem Spiel gerecht zu werden: Lassen Sie es!
Okay, sagen wir mal so, neulich habe ich an einem Dienstagabend was Spannenderes gemacht: Ich habe die Spülmaschine zur Hälfte eingeräumt und danach ein Käsebrot (Gouda, mittelalt) gegessen.
Der bosnische Torhüter lässt mal wieder einen Ball fallen. Erinnert mich ein wenig an Mladen Pralija beim HSV. Der konnte damals so gut Fußball spielen, wie ich Farsi spreche.
Stach kommt derweil mit einer verrückten Info: „Wisst ihr, wie die Torhüter früher hießen?“ Kunstpause. „Torwächter!“ Dafür zahle ich Rundfunkgebühren? DAFÜR ZAHLE ICH.… WAS? Für ProSieben zahlt man keine Rundfunkgebühren? EGAL. ODER DAFÜR KAUFE ICH DIESE PRODUKTE IN DEN WERBECLIPS? DAFÜR?“=E„ORE§
Man muss auch sagen, die bosnischen Spieler wirken nicht gerade so, als wollten sie noch Tore schießen. Hängen im Strafraum, traben über die Mittellinie, gucken in die Luft, gleich setzen sie sich Strohhüte auf und legen sich in Hängematten. Entspannter ging es zuletzt bei der Berliner Hanfparade zu.
Bisschen irritierend bei den Trikots der Deutschen: alle haben am Saum eine Deutschlandflagge. Als wären sie alle Kapitäne. So Socrates-Democracia-mäßig. Tolles Statement. In der taz-Kantine zünden sie schon eine Kerze der Solidarität an.
Handwerker jetzt mit der letzten Ecke. Versucht es mit einem Kreuzschlitz, Nmecha empfielt ihm die Torx-Schraube.
So, jetzt ist es vorbei. Drei Punkte. Deutschlands U21 fast Weltmeister oder Champions-League-Sieger oder irgendwas. Wir gleiten im Ein-Mann-Hoverboard-Korso nach Hause. Aber bitte sprecht uns nicht an: Wir fahren vom Gefahrengebiet Friedrichshain ins Gefahrengebiet Neukölln. Was momentan so wagemutig scheint wie eine Mount-Everest-Besteigung ohne zusätzlichen Sauerstoff. Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: Maxximum Fun mit der Maxximum U21 auf ProSieben Maxx. Hallo Prosieben-Maxx, könnt ihr mir das Extra-Honorar für den letzten Tick via Paypal überweisen? Danke, viele Grüße.