Brasilien wollte ins Viertelfinale, Südkorea auch ein Wörtchen mitreden, aber schon nach wenigen Minuten macht die Seleção alle sprachlos. Konnte als einziger wieder seine Klappe nicht halten: der Ticker.
Hallo! Herzlich Willkommen und ja: wir haben immer noch WM. Während die deutsche Mannschaft sich am letzten Donnerstag endlich zum Boykott durchringen konnte, halten Brasilien und Südkorea es mit Wolff Fuss und bleiben sportlich. Ich (seit gut vier Monaten nicht einmal an Sport gedacht) hechle für Sie hinterher. Viel Spaß!
Ganz schön kalte Dusche für die Koreaner. Das Spiel hat noch gar nicht richtig angefangen und schon sind sie irgendwie raus. Immerhin jetzt die erste Gelegenheit, Hwang haut einfach mal drauf, der Ball geht aber meilenweit drüber. Ein Schuss wie eine Fressattacke nach einem richtig üblen Tag: Da ist Frust dabei.
Sorry, kurz technische Probleme bei uns. Ich bringe sie schnell auf den neusten Stand: Es ist selbstverständlich – wie denn auch sonst in diesem Spiel – ein Tor gefallen. Die Brasilianer fahren mal so richtig Samba-Schlitten mit der koreanischen Verteidigung, irgendwann ist der Ball (nicht nur wie, sondern ziemlich sicher tatsächlich durch Zauberei) bei Richarlison. Der weiß natürlich, dass das schon klappen wird und zieht ab, der Schuss dann wie ich nach drei Kaffee und zwei Marlboro: sitzt.
3:0 also. Mir spielt das gut in die Karten, Brasilien ist schließlich mein großer Favorit auf den WM-Titel. Entsprechend habe ich bei einschlägigen Wettportalen große Summen auf die Selecao gesetzt. Und ich bin weiter zuversichtlich: Wenn Brasilien heute Südkorea mit 6:0 platt macht, dann im Viertelfinale gegen die schon ausgeschiedenen Belgier nach Elfmeterschießen gewinnt und Manuel Neuer Torschützenkönig wird, bin ich ein reicher Mann.
Uff. Jetzt wirds ne richtige Rutsche für Südkorea. Eine Flanke segelt in den Strafraum, Paqueta, der offensichtlich genauso gut aufgelegt ist, wie das Tor, das er jetzt schießt, nimmt ihn Volley. Und ich denke mir das Gleiche wie bei jedem neuen Song, den Taylor Swift raushaut: Was ein Brett.
Wenn ich nicht schon säße, müsste ich mich jetzt mal ganz dringend hinsetzen. Die Brasilianer schaffen es hier, nicht nur die koreanischen Verteidiger, sondern auch mich vorm Fernseher schwindlig zu spielen.
Aber trotzdem: Fast eine ganze Halbzeit gespielt und noch immer keine Neymar-Schwalbe mit anschließenden kilometerlangen Umdrehungen über den ganzen Rasen. Seit der Verletzung ist er nicht mehr der Selbe.
Vinicius Junior bringt eine traumhafte Flanke in den Sechszehner, Raphina dann in perfekter Position wie ein Schnäppchenjäger, der am Blackfriday in letzter Sekunde noch einen einen um 30 Prozent runtergesetzten Milchaufschäumer in den Warenkorb packt: Muss er machen. Macht er aber nicht.
Halbzeit. Eine Verschnaufpause wird hier auch dringend benötigt. Wie schon gesagt: Ist ein bisschen her mit dem Sport bei mir.
Pausen bei chronischen Sentimentalos wie mir natürlich eine Einladung zum in Erinnerungen schwelgen. Bei Brasilien-Spielen ist da das 7:1 bei der WM 2014 natürlich nie weit. Ich mit drei Freunden auf dem Sofa, alle zu wie n Paket, keiner kapiert, was da gerade abgeht. Die Sieben Tore, die uns der Fernseher da weiß machen will, müssen am wahrscheinlich mit Mäusedreck gestreckten Gras und dem warmen Haake Beck liegen. Hach, noch einmal ein 17-Jähriger Hänger mit ner hart erkämpften 5 in Mathe und schlechter Haut sein. Good Times.
Südkorea kommt durch Son direkt mal zu einer Gelegenheit, die aber nichts einbringt, ich werfe währenddessen einen Blick auf die Tribüne: Gianni Infantino, der in den letzten Tagen ja auch im Arsène-Wenger-Kostüm aufgetreten ist, sieht heute wieder ganz gewohnt wie ein Bondbösewicht aus.
Achja. Macht schon Spaß hier heute Abend, aber Brasilien-Spiele sind für uns Deutsche ja eigentlich immer ein Highlight. Ich meine: Was haben wir schon für große Brasilianer in der Bundesliga gesehen. Giovane Élber! Lúcio! Zé Roberto! Und auch aktuell: Iago! Paulo Otávio! Danilo Soares!
Gute Möglichkeit für Südkorea. Hwang zieht aus elf Metern ab, Allisson pariert und auch der Nachschuss bringt nichts sein, weil ein eigener Mann am Boden sich wie ein blöder Macho verhält, der mit den Füßen auf dem Kaffeetisch vor dem Fernseher lungert, während seine Frau das Wohnzimmer sauber machen will. Liegt im Weg.
Brasilien wechselt den Keeper! Weverton kommt für Alisson. Was soll’n das jetzt? Entweder wird man als brasilianischer Keeper nach Gegentreffern sofort ausgewechselt oder Tite hat Angst, dass Südkorea hier noch drei Buden macht und bringt deshalb mit Weverton einen Elfer-Killer.
Auch Neymar geht vom Platz. Hats richtig gut gemacht heute. Elfer versenkt, tolle Tricks und mehrere starke Dribblings. Dazu die freshe Frise und das stabile Insta-Game. Neymar hat sich für mich mittlerweile zum Nader El-Jindaoui Brasiliens gemausert.
Auch wenn sie bemüht sind, die Koreaner müssen sich jetzt so langsam das Gleiche eingestehen wie ich auf dem Weihnachtsmarkt, wenn ich nach acht Glühwein mit Schuss, drei Bratwürsten und vier Packungen Mandeln versuche, mir noch einen kandierten Apfel in den Kopf zu drücken: Hier geht nix mehr.
Und trotzdem setzt ein Südkoreaner nochmal zum Dribbling an. Wie gefrusteter CDU-Heini, der es mal mit der AfD versucht: Probiert sich rechtsaußen.