Deutschland kassiert gegen Spanien kurz vor Schluss den Ausgleich, der Start in die neue Nations-League-Saison läuft eher durchwachsen. Weiß immer noch nicht genau, was die Nations League eigentlich ist: der Liveticker.
Griaßgod und Guada n’Obed aus Stuttgart! Es grüßt sie die Zwei-Mann-Partyszene – bestehend aus Kollege Dinkelaker und mir. Wohoooo, endlich wieder Open Air, ihr verrückten Partypeeps. Jogis Jungs raven hier heute mit den Spaniern in die Stuttgarter Abendsonne. Vor leeren Rängen. Oder wie Max Giesinger sagen würde: Gänsehautfeeling Pur.
War ja klar: Das ZDF steigt gleich mit einem Robin-Gosens-Beitrag ein. Und ja, der Typ ist natürlich ganz geil. Trotzdem muss der auch nicht so abgekultet werden. Auch ich hab‘s beim BVB nicht geschafft, würde auch nicht zu Schalke gehen, fahr mir auch gerne Pasta, trinke auch gerne mal einen und schüttel hier und da auch gerne einen luftigen Spruch aus dem Ärmel. Und? Interessiert das irgendwen? Alles halb so märchenhaft.
Bevor ich es vergesse: Wir haben ein neues Gesicht in unseren Reihen. Wir heißen unseren Bufdi, den Per, ganz herzlich willkommen. Er tritt ab heute die Nachfolge vom Olli an. Wenn du Hilfe brauchst, lieber Per, wende dich bitte an den Jochen. Du erkennst ihn an den zackigen Sprüchen, den freshen Sneakers und seinem zwanghaft jugendlichen Auftreten.
„Deutschland hat etwas gutzumachen“, so Bela Bethy. Kleine Einordnung: Deutschland ist letztes Jahr eigentlich aus der A‑Liga der Nations League abgestiegen. Nun ist der Wettbewerb nach einer Reform auf 16 Mannschaften aufgestockt worden und Jogis Jungs damit doch noch irgendwie erstklassig. Dem UEFA-Exekutivkomitee sei Dank. Für mich der Deutsche Marcelo Diaz.
Deutschland heute mit moderner Elferkette: Trapp-Süle-Rüdiger-Can-Kehrer-Gündogan-Kroos-Gosens-Sane-Werner-Draxler.
Die Spanier – in diesen Tagen üblich – mit klarer Fuck-The-System-Haltung. Tiki Taka ist nicht mehr: de Gea-Gaya-Ramos-Pau-Carvajal-Busquets-Thiago-Fabian-Torres-Rodrigo-Navas.
Rethy sagt, das große Vorbild von Niklas Süle sei Jerome Boateng. Wusste gar nicht, dass sich Süle so sehr für halberfolgreiche Brillendesigner interessiert.
Ich mag Bela Rethy. Denn selbst wenn Bela manche Spielernamen nicht genau weiß: Bela Rethy. Tschuldigung.
Emre Can setzt gleich mal ein Zeichen. Arturovidalt völlig grundlos einen Spanier an der Seitenlinie weg. Rasiere mit gleich vor Freude einen Iro.
Treu12? Was ist das? Ein ganz mieser Username für die Plattform Seitensprung.de? Ein 12-jähriger Fanta4-Fan mit Rechtschreibschwäche? Eine Beleidigung?
Ich sag’s, wie’s ist: So gut wie heute war die Atmosphäre bei einem Länderspiel lange nicht mehr.
Erste Chance, Kroos auf Kehrer, der mit dem Kopf Richtung kurzes Eck, aber de Gea taucht ab und klärt. Noch zwei Ecken und Deutschland bekommt Elfmeter.
Das Spiel jetzt wie die Szechuan-Küche: ordentlich Pfeffer drin. Erst ein Halbpatzer von Can und ein Viertelpatzer von Trapp, der am Ball vorbeisegelt, die Situation aber mit einer Dreiviertel-Supergrätsche wieder entschärft, er ist jetzt also halb im positiven Bereich. Dann der direkte Gegenstoß über Sané und Draxler, aber wieder ist der spanische Keeper Endstation. Endlich passiert hier was. De Geat doch.
Rethy hat manchmal auch so eine geile luschige Leberwurstigkeit in der Stimme: Werner habe sein erstes Tor für „Schelsea“ gemacht, der Schuss in die Arme von „de Hea“. Gefällt mir gut. Nimmt dem Ganzen die Ernsthaftigkeit.
„Kehrer, Draxler, Sane. Ein beliebtes Spiel: Wo würde Schalke stehen, wenn die alle noch da wären?“, so Rethy, der alte Sadist.
Mit Robin Gosens beackert gerade also ein Mann die linke Seite der deutschen Nationalmannschaft, der als junger Kerl laut eigener Aussage am Wochenende gar nicht auffallend gut Fußball gespielt, sondern sich lieber mit Kumpels ordentlich die Batterie abgeklemmt hat. Einfach so, aus Jux. Heute fit, früher ein Taugenichts – Robin Gosens ist das genaue Gegenteil von jedem einzelnen 11FREUNDE-Mitarbeiter.
In der Zwischenzeit kommt Deutschland zu zwei guten Chancen. Erst schickt Sané Werner auf die Reise und und der schießt drüber, dann ist Sané quasi durch, doch statt Richtung spanisches Tor zu stürmen, spielt er schlampig quer und das Ding verhungert. Andererseits bin ich ja ganz froh. Jeder deutsche Sturm auf irgendwas ist aktuell ja eigentlich einer zu viel.
Draxler versucht es rotzfrech mit einem Tunnel gegen Thiago. Klappt natürlich nicht. Als würde ich direkt zu Dwayne „The Rock“ Johnson marschieren und ihm einen Knuffi auf die Schulter verpassen wollen. Um ihn nur leicht an der Hüfte zu streifen. Weil ich einfach nicht höher komme.
Vergesse immer wieder, dass das hier ein sogenanntes Pflichtspiel ist. Und nicht einfach nur Pflicht.
Die deutsche Mannschaft dümpelt gegen Spanien in einem leeren Stadion so vor sich hin, es steht 0:0, gleich fängt es in Stuttgart wahrscheinlich noch an zu nieseln. Und irgendwo in Berlin sitzt Max Kruse in seinem Aroundtown-Luxus-Dachgeschossloft, nippt an einem guten Drink mit ordentlich Umdrehungen, sieht im Hintergrund durch die überdimensionale Glasfront den wunderschönen Sonnenuntergang, im Vordergrund auf dem Tisch den Flop, dann den River, dann den Turn, lächelt kurz in die Runde bestehend aus international bekannten Lebemännern und Lebeladies, zeigt seine wahnwitzig gute Karten, genießt die erstaunten Blicke, zuckt unschuldig mit den Achseln und zieht schließlich, ganz gemächlich, mit beiden Händen Chips im Wert eines mittelgroßen Fertighauses in seine Tischecke. Alles richtig gemacht, Max.
Per Mertesacker ist enttäuscht, „was die Kommunikation angeht“. Dass er im ZDF so schonungslos über den Themenkomplex Hopp-im-Sportstudio abledern darf, überrascht mich dann doch etwas.
Weiter gehts. 45 Minuten sind noch durchzuhalten, ein wenig Nachbericht. Und dann lass ich mich vom schönen Lanz in den Schlaf hauchen.
Ansu Fati jetzt im Spiel. Hat QAnon da eigentlich mal drüber nachgedacht, dass die ganzen entführten Kinder vielleicht in der Mercedes-Benz-Arena festgehalten werden?
Bela Rethy hält das Spiel übrigens für einen flotten Klassiker. Wie die Carbonara für alle Pastafreunde, den Z3 für die Autofreaks oder Stayin Alive von den Bee Gees. Ratzfatz, sag ich euch.
Tooooor für Deutschland durch den Jungen aus Bad Cannstatt: Timo Werner. Gosens mit der Vorarbeit, Werner mit dem Tänzchen. Flachschuss. 1:0. Und jetzt alle: Schland-Ooooooh-Schland.
Wenn ich ganz ehrlich bin, weiß ich nicht, was Spanien hier genau für ein Spiel aufzieht. Die waren doch jahrzehntelang für ihre Spielkultur bekannt. Man könnte meinen, das Ganze ist ein systematischer Boykott. Ist das diese Cancel Culture?
Thiago ist so wahnsinnig elegant. Wie einst Bernd Schneider. Daher fordere ich kompromisslos: Thiago oder Schnix!
Fabian mit der Chance für Spanien. Apropos: Der leicht beamtig-deutsche Name Fabian zwischen all den Thiagos und Rodrigos und Danis macht mich etwas stutzig. Ich frage mich, wie der Mann an seinen Platz in der spanischen Nationalmannschaft gekommen ist. Durch gute Leistungen in Neapel? Oder hat er ihn sich einfach rechtzeitig reserviert? Per Handtuch?
Wie die Halbzeitbesprechung der spanischen Offensivspieler (wahrscheinlich) abgelaufen ist:
Spieler eins zu Spieler zwei: „Du musst auch mal einen Zweikampf da vorne gewinnen.“
Spieler zwei zu Spieler eins: „Das ist Wahnsinn, warum schickst du mich Richtung Süle?“
Ganze Kabine: „SÜLE SÜLE SÜLE SÜLE!“
Luis Enrique habe ich übrigens mal live im Stadion erlebt. Im Berliner Olympiastadion. In der Champions League. Gegen Hertha. Er hat ein Tor gemacht für den FC Barcelona. Das habe ich noch gesehen, danach zog dichter Nebel auf. Weshalb ich den Ausgleich von, Achtung, Kai Michalke nur noch erahnen konnte. Und warum ich das alles erzähle? Was soll die Frage, ihr undankbaren Konsumenten. Geht’s noch?
Ginter, Can, Rüdiger, Süle: Deutschland jetzt mit mehr Innenverteidigern als mit Cops vorm Reichstagsgebäude.
„Bayern erhöht die Ballbesitzstatistik“, sagt Rethy. Diese Teufelskerle. Und das aus dem Mykonos-Urlaub. Besitzergreifend.
Werner zündet mal an. Bleibt dann aber hängen. Wie so Typen, die immer noch dieses Graffiti‑S in ihren Collegeblock malen. Oder Jalousiebrille tragen.
Und nun trifft er: Der „junge Fati“. Hört sich nach Stefan aus Eppendorf an. Drei-Tage-Bart, olivgrüner Parker, isst nur noch auswärts Fleisch und erzieht seine Nike bilingual. Tor zählt trotzdem nicht.
Wildes Rumgewurstel im Strafraum der deutschen Mannschaft. Jede Fleischereifachverkäuferin wäre stolz.
Gol. Gol. Gol. Die Spanier treffen doch noch zum 1:1. Gaya murmelt den Ball ins leere Tor und steht dabei tatsächlich nicht im Abseits, weil Gosens sich schon Richtung Heusteigviertel aufmacht. Schön ein wechzieh’n. Kultig.
Und mit dem Ausgleich kurz vor knapp bricht Spanien Deutschland doch noch das Genick, es gibt keine Kleinen mehr, für beide Mannschaften gibt es zum Start in die neue Nations-League-Saison einen Punkt. Damit sind beide auch direkt für die EM-Quali-Playoff-Zwischenrunde 2022/2023 qualifiziert. Oder? Wir studieren lieber noch mal im Nations-League-Regelwerk nach. Oder pennen einfach ein. Oder pennen einfach ein, während wir das Regelwerk der Nations League studieren. Gute Nacht.