Zweimal Ronaldo, zweimal Benzema. Portugal und Frankreich egalisieren sich ins Achtelfinale. Gönnte sich einen Remis Martin: der Ticker.
Guten Abend! Dies ist ein Hilferuf! Denn ich bin seit drei Wochen Gefangener des französischen WM-Songs von 2018. Ihr wisst schon, der, in dem die Weltmeister alle namentlich gefeiert werden. „Ramenez la coupe à la maison.” Ein bisschen nervt es mich, dass ich kein Wort Französisch spreche, aber ich kriege auch so nicht genug von diesem Lied (da können Kimmich und die anderen Jungs aus der Lagerfeuer-WG in Herzogenaurach mit ihrem Geklimper einpacken). Und immerhin die Spielernamen kann ich mitsingen. Bei „Mais comment il s’appelle? Kanté / N’Golo, N’Golo Kanté“ lächele ich in mich hinein, weil ich vor meinem inneren Auge sehe, wie die Mannschaft den besungenen Mann im Stade de France in die Luft hebt. Und wie peinlich berührt Kanté dabei grinst, als wäre ihm das zu viel Aufmerksamkeit. Wird ihn heute trotzdem genau beobachten: der Ticker.
Das Spiel beginnt mit dem Pfiff des Schiedsrichters und bei einem Stand von 0:0. Da habe ich mir, ehrlich gesagt, mehr erhofft.
Nelson Semedo kann einem ein wenig leid tun. Fraß gegen Robin Gosens am Samstag ordentlich Staub und darf heute gegen Kylian Mbappé ran. Entspannte Arbeitswoche.
Das Spiel heute ja wieder in Budapest. Und es scheinen auch einige Ungarn im Stadion zu sein, denn als gerade die Botschaft die Runde macht, dass die ungarische Mannschaft in München mit 1:0 in Führung gegangen ist, brandet Jubel in der Puskás Aréna auf. Und apropos Budapest: An dieser Stelle auch ganz liebe Grüße und ein „Kopf hoch“ an die französischen Fans, die das letzte Spiel ihrer Mannschaft leider verpasst haben, weil sie statt nach Budapest, wo die Partie stattfand, nach Bukarest geflogen waren. Und sich offenbar auch weder von den rumänischen Flaggen noch vom rumänisch sprechenden Personal am Flughafen abhielten ließen.
Hoppla! Varane köpft den Ball unglücklich direkt in den Fuß eines Portugiesen, was am Sechzehner sowieso keine gute Idee ist, und erst recht nicht, wenn es sich bei diesem Portugiesen um Cristiano Ronaldo handelt. Eine perfekte Vorlage, Ronaldo aber wie ein Pfandautomat, den man mit der falschen Flasche füttert: kann sie nicht verwerten.
Die Franzosen schaffen es aktuell nicht, gefährlich vors Tor zu kommen. Denn: Dichter als die portugiesische Verteidiger stehen nur die Zuschauer in der Puskás Aréna.
Toooooooor für Frankreich! Schon wieder Karim Benzema! Wird von Pogba wunderschön in den Lauf geschickt, schließt ab, Innenpfosten, drin. Freut sich dann gar nicht, weil der Linienrichter die Fahne hebt. Schiedsrichter Lahoz aber malt ein Rechteck in die Luft und zeigt dann fast schon schadenfreudig auf den Mittelpunkt wie auf einen Mitschüler, den er gerne verpetzen möchte. Bedeutet: Ein Eintrag ins Klassenbuch und ein Treffer für Frankreich. 2:1.
Ronaldo tritt wieder an, trifft erneut, rennt zur Außenlinie, schraubt sich in die Höhe, landet auf einer Boeing im ungarischen Luftraum, die sich auf dem Weg zum Flughafen Köln/Bonn befindet, und spielt fortan für den 1. FC. Trainer Steffen Baumgart: „Es hat sich noch niemand in die Mannschaft geflogen.“ Konsequent.
Beide Mannschaften gönnen sich gerade eine kurze aktive Pause, bevor die Schlussphase beginnt. Was mir die Möglichkeit gibt, von N’Golo Kanté zu schwärmen, der inzwischen sehr gut im Spiel ist, dem nicht nur das Mittelfeld gehört, sondern auch die Herzen vieler, vieler Fußballfans. Verständlicherweise. Es kursierte vor kurzem folgende Geschichte über ihn: Kanté wurde zu seiner Zeit bei Caen in der Ligue 2 auf die Geburtstagsfeier seines Mannschaftskollegen Felipe Saad eingeladen. Kanté erschien am Restaurant mit einer Tafel Schokolade und entschuldigte sich für dieses Geschenk. Er habe nicht gewusst, was er mitbringen solle, weil er noch nie zuvor zu einer Geburtstagsfeier eingeladen worden sei.
Inzwischen scheint man hier einen Nichtangriffspakt eingegangen zu sein, beide Mannschaften nehmen das Tempo raus; was daran liegt, dass beide aktuell im Achtelfinale stehen. Ungarn Stand jetzt ausgeschieden. Und den ungarischen Fans in Budapest geht es mit dem ambitionslosen Rumgeschiebe auf dem Platz es jetzt wie der UEFA: es wird ihnen zu bunt. Und sie pfeifen.
Es bleibt beim 2:2, davon drei Elfmetertore. Ich hatte mir etwas mehr versprochen, aber gut. Schiri Lahoz verteilt noch eben Kopfnoten, bestimmt den Tafeldienst und dann dürfen alle gehen. Abpfiff. Portugal und Frankreich sind weiter, Deutschland auch, Ungarn ist ausgeschieden. Die CDU atmet auf und darf sich dann nach dem deutschen Sieg gegen England im Achtelfinale über eine absolute Mehrheit im Bundestag freuen. Fußball ist einfach so herrlich unvorhersehbar. Und damit noch einen schönen Abend.