Sein Team sei „wie eine neue Flasche Ketchup“, so Schalkes Trainer Manuel Baum vor dem Spiel gegen Stuttgart. Warum man hinterher eher an Mario Barth denken musste, weiß: der Liveticker.
n’Abend allesamt! Seid ihr auch so gut drauf, um mal wieder richtig über Schalke abzugaggen? Ne? Ich auch nicht. Witze über Schalke sind irgendwie öde geworden. Ich fühle mich da mittlerweile wie so ein Mario Barth, der über Frauen herzieht.
Aber, was soll’s, da der Mann ja auch noch zugegen ist, machen wir auch weiter mit schlechten Schalke-Gags. Also auf eine 90-minütige Alberei. Oder wie man auf Schalke sagt: Bundesliga. Kennste? Kennste? Kennste?
Freitagabend, Schalke gegen Stuttgart. Die Schwaben im Pott, quasi der feine Pinkel zu Gast beim Assi. Erinnert mich an früher, als ich diesen einen Kumpel hatte, dessen Eltern, sagen wir, in etwas prekären Verhältnissen gelebt haben. Für mich war das jedes Mal der Himmel bei ihm zu Besuch zu sein. Es gab literweise Cola, jeden Tag Pommes und nen Brocken Fleisch, es wurde Tag und Nacht gezockt und komischerweise stand die Heizung immer auf Anschlag. Am nächsten Morgen haben meine Eltern mich dann mit achteckigen Augen vom 60-Zoller weggezerrt. Zu Hause gab’s Schwarzbrot.
Manuel Baum jetzt im Interview bei Sebastian Benesch. Tatsächlich bemüht er wieder die abgedroschene Ketchup-Analogie. Von wegen: drückst lange und dann kommt alles auf einmal. Wenn das also seine Strategie ist, wie er Schalke wieder auf die Beine bekommen will, dann würde es mich nicht wundern, wenn in der Kabine ein Wandtattoo angebracht ist: Hinfallen. Aufstehen. Krone richten. Weitergehen. Im Hintergrund läuft „Remember the Name“ von Fort Minor und wenn heute ein Punkt drin ist, geht’s zur Belohnung geschlossen im Kanu den Rhein-Herne-Kanal runter. Hold On Jungs, Pain ends.
Die DAZN-Vorberichterstattung in gewohnt hipp-flippiger, nachhaltiger StartUp-Manier. Der Office-Hund im Hintergrund, Ralph Gunesch hängt noch Tennis zockend an der Wii und bevor es losgeht, zieht jeder noch nen Ingwershot weg. Das Koks des modernen Mannes. Und damit sei auch Diego Maradona gegrüßt. Happy Birthday.
Schalke wie gewohnt mit der Frankfurter Reserve heute: Rönnow-Thiaw-Sane-Nastasic-Ludewig-Mascarell-Oczipka-Bozdogan-Harit-Paciencia-Uth.
Die Stuttgarter gewohnt sparsam: Kobel-Kempf-Karazor-Stenzel-Sosa-Mangala-Endo-Coulibaly-Castro-Klimowicz-Kalajdzic.
Erste Chance für Stuttgart durch Dings hier, ihr wisst schon. Aber wie so ein englischer Tourist nach der Sperrstunde: knapp neben den Pfosten.
Gonzalo Pacienca fällt nach zarter Hand-Hand-Berührung mit Pascal Stenzel im Stuttgarter Strafraum. Will Elfmeter. Kann ich verstehen. Ich will eine Million in bar. Und eine zarte Hand-Hand-Berührung mit Pascal Stenzel. Aber immerhin haben Gonzalo Pacienca und ich nun etwas gemeinsam: wirre Träume.
Soll man ja nicht machen, sich am Leid anderer erfreuen. Aber bin ich denn kein Mensch? „Jochen-Schneider-hockt-leidvoll-geplagt-auf-der-Tribüne“ ist einfach mein guilty pleasure dieser Schalker Krise. Ein Mann, der sein Handwerk so sehr versteht und einfach auch nicht, was hier eigentlich Woche für Woche passiert. Immer weiter fällt er in sich zusammen, das zunehmende nass-grau des Herbstes kriecht auch in seine Gestalt. Bald berühren sich Mütze und Schal im Versuch, vom Kopf doch alles zu verhüllen, um für die Welt nicht mehr sichtbar zu sein, um sie auszusperren. „Was ich nicht sehe, ist auch nicht da.“ Aber es hilft ja nix, irgendwann kriecht die Realität sich wieder ein und dann schaut man diesem vor Kummer und Hoffnung und Unverständnis gebeugten Menschen beim Denken zu. „Was habe ich übersehen? Wo noch ansetzen? Wie konnte es nur dazu kommen?“ Und das Hirn, es windet sich und sucht nach Antworten und es kommt zu keiner, außer: „So ein Mist, Mist, Mist, Mist, kackverdammter Mist!“ Und soll man ja nicht machen, sich am Leid anderer erfreuen. Aber sorry, Jochen: football, bloody hell. Und willkommen im Leben.
Dieses Spiel ist wie eine dieser Nachmittags-Comedy-Serien auf SuperRTL oder Sat.1Gold. Sie sind einfach da. Und niemand weiß, warum.
Das Spiel ist bislang wirklich extrem zappelig. Viel Geschrei, wenig Übersicht. Ein bisschen wie auf nem Kindergeburtstag. Mit Spaßkloppe, Schnitzeljagd, irgendwie riecht’s nach Kacke. Und dann der Super-GAU: Leute, wir können den Ludewig nirgends finden.
13 Mal soll Manuel Baum schon das Wort „anbieten“ gesagt haben, weiß Sebastian Benesch. „Der Marktschreier Baum schreit schon wieder“, sagt Kommentator Lukas Schönmüller. Tolle Analyse, aber was soll’n das für ein Markt sein? Einer, auf dem Fallobst angeboten wird? Hehe.
So richtig Hoffnung versprüht dieser Baum nicht. Er hat irgendwie etwas Wehleidiges im Blick. Kommt nur mir das so vor oder wirkt er jetzt schon um Jahre gealtert, übermüdet in grau, hat faltige Haut und diese quengelige Art im Alter. Frei nach Rudi Aussauer: „Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich.“ Wir befinden uns in Runde vier, der Verein hat den Trainer schon auf den Knien.
Stuttgarts Mateo Klimowicz jetzt in guter Schussposition an der Sechszehnerkante, knüppelt aber ein ehrenwertes Luftloch. Trotzdem Junge, lass dir mal die Matte von deinem Vatter stehen, will mich in Daniel-Ljuboja-Andres D’Alessandro-Erinnerungen suhlen.
Ob du’s glaubst oder nicht: SCHALKE FÜHRT! Harit bringt den Standard auf den Kopf von Thiaw, der einnickt. Und wieso eigentlich nicht? Wieso soll Schalke heute nicht auch die Fußballwelt aus den Angeln heben und ein Spiel gewinnen? Ich meine, der BER wird morgen eröffnet…
Die 11FREUNDE-Taktikanalyse klärt auf – Stuttgarts realtaktische Aufstellung nach der Schalker Führung:
Stelle mir gerade vor, die Schalker gehen mit dieser Führung tatsächlich in die Pause. Und dann finden sie sich langsam ein, bilden einen Kreis rund um Jahrhundertrainer Manuel Baum, der symbolisch Ketchup-Flaschen von der Decke regnen lässt, aber sofort beschwichtigt, denn der Mann ist Pädagoge: „Keine Sorge Jungs, ist nur Kunstblut!“ Und in die fragenden Augen hinein, Baum weiß, was ein Baum tun muss, sofort der Fokus: „Jungs, verdiente Führung! Ihr wisst, was jetzt zu tun ist!“ Und dann schauen sie sich an, seine Jungs, und dann im Chor wie aus tausend Kehlen:
Es soll Schalker Fans geben, die nie eine Führung ihrer Mannschaft erlebt haben. Wie geht das Team mit diesem Druck nun um? Wie motiviert Manuel Baum seine Spieler jetzt dran zu bleiben? Ich weiß es nicht.
Bei Stuttgart kann ich mir das schon eher vorstellen. Da sagt Matarazzo einfach: „Wenn ihr das Ding nicht dreht, verleihe ich willkürlich fünf Spieler an Schalke.“ Müsste ziehen. Auf geht’s.
Schalke erstmal weiter offensiv. Die scheinen zu wissen: Gewinnen sie das Spiel, bleiben sie mindestens über Nacht an der Jahrhundertmannschaft der Arminia dran.
Also, das ist wirklich kein Spiel für Stürmer bislang. Eigentlich ist es nichtmal ein Spiel für Fleischereifachverkäufer oder Bankangestellte. Ich bemühe trotzdem mal eine Zwischenbilanz der Angreifer: Auf einer Skala von Orlando Engelaar bis Ebbe Sand, gibt Schalkes Pacencia bislang einen astreinen Ciprian Marica ab. Auf der anderen Seite bietet Kalajdzic hier zwischen Mario Gomez und Federico Macheda eine grundsoliden Sergiu Radu an.
Nicolas Gonzalez gleicht für den VfB aus. Per Elfmeter. Nach einem VAR-Handspiel. Und ich bin inspiriert für ein Halloween-Kostüm. Ich gehe als Sorgenfalte von Manuel Baum.
„Castros ordnender Fuß“, sagt Kommentator Schönmüller über einen Pass von Gonçalo Castro. Na klar, sorgt der hier für Ordnung, denn was kaum einer weiß: Für ihn ist das heute quasi ein Heimspiel. Castros Eltern sind nämlich ganz in der Nähe von Gelsenkirchen aufgewachsen. Sie haben ihren Sohn sogar nach ihrem Heimatdorf benannt: Castro Rauxel… Okay, der tut mir wirklich, wirklich leid.
Wenn Schalke jetzt einen Weltklassespieler wie Max Meyer hätte! Könnte man sich wenigstens über den aufregen.
Das Spiel, wie es wirklich ist: Rückpass von Sané auf Thiaw, der unbedrängt ins Seiten-Aus. Dann Spielunterbrechung. Rönnow liegt am Boden. Vermutlich aus Scham. Verständlich.
Aufregung bei den DAZN-Kommentatoren: Bastian Ozcipka hat während der Spielunterbrechung von Manuel Baum einen Zettel zugesteckt bekommen. Zum Glück haben wir hier bei 11FREUNDE Ruhrschnellbahndicke Verbindungen nach Gelsenkirchen und decken auf:
Zu seiner Zeit bei Unterhaching hat Manuel Baum Spielzügen Namen gegeben, diese dann während der Spiele auf den Rasen gerufen. Macht er auf Schalke aber offenbar nicht mehr. Habe noch nicht einmal „Spielt Scheiße!“ gehört heute.
Muss man jetzt aber auch mal sagen: Stuttgart macht das mehr als ordentlich. Suchen tatsächlich zumeist die spielerische Lösung. Finden sie sogar ab und an. Haben einen Trainer mit einem Super-Namen, der mal an einer Elite-Uni in den USA Mathematik studiert hat und aus der gleichen Stadt stammt wie Queen Latifah. Deren größter Hit? „Unity“! Klar. Noch Fragen, Hauser? Schnauze, Kienzle.
Freu mich schon auf die Nachberichte, wenn die Kollegen von DAZN aufklären, was die verrückten Hobbykicker aus Schalke im Hauptberuf machen.
Baum jetzt an der Seitenlinie in der Hocke. Schaut das Spiel aus der Forscherperspektive. Sieht gezwungen aus. Für mich dennoch der deutsche Marcelo Bielsa.
Stuttgarts Coulibaly muss angeschlagen runter. In Kombination mit der Magie eines Alexander Iashvilli, der Schnelligkeit eines Jonathan Pitroipa und der Absicherung eines Andreas Ibertsberger war der Mann noch ne andere Nummer. Aber, dass Pellegrino Matarazzo kein Volker Finke ist, muss ja nicht erwähnt werden.
83 Minuten sind gespielt und Schalkes Stürmer Paciencia hat noch nicht einmal den Ball im gegnerischen Strafraum gehabt. Das ist eine so verdammt bittere Statistik. Hätte Ralph Gunesch sie gerade nicht ausgepackt, man hätte sie ansonsten in Paciencias Blick ablesen können. Er schaut nämlich immer, als würde er sich tagtäglich fragen „Wie um alles in der Welt bin ich eigentlich hier gelandet?“ Wie am Morgen nach einer durchgezechten Nacht in Gittis Pinte. Wenn dich die Jungs am Nebentisch zum Schocken überredet haben. Du nach zwölf Bier und acht Amaretto auf dem Bierdeckel deine Unterschrift setzt. Und plötzlich in Gelsenkirchen-Bismarck aufwachst. Nur in Schalkekutte bekleidet. Neben dir liegt Erwin.
Verdammt seist du, Amaretto-Mittwoch.
Schalke nochmal offensiv mit Bentaleb unterwegs. So einen Spieler nennt man bei uns übrigens Trainings-Weltmeister. Einer, der ohne Zweifel einen von Gott geküssten Fuß hat, der im Fünf-gegen-Fünf in der Soccerhalle zum Lincoln wird, im Spiel am Sonntagmorgen dann aber die Transformation zum Sebastian Tyrala macht.