Lust auf eine Rudelbildung mit Kahn, Scholl, Happe und Kirsten? Dann ab zur hisTooorischen Konferenz auf Sky. Der Ticker hat auch mitgeschubst.
Freunde, herzlich willkommen zur hisTooorischen Konferenz. Und was soll ich sagen, heute gibt es einen echten Leckerbissen: Leverkusen gegen die Bayern aus 1996/97. Effe. Basler. Kirsten. Emerson. Jeremies. Ramelow – Was für Namen. In einer Sprache, die ich noch erfinden muss, stehen sie für all die schönen Tätlichkeiten, die ich gleich erwarte.
Muss ehrlich sagen: Ich bin Fan der historischen Konferenz. So sehr sogar, dass ich andere Bereiche meines Lebens jetzt auch historisch gestalte. Kleide mich historisch, passe sogar noch in meine alten Buffalos. Esse auch historisch, auch wenn die Packung Fruchtzwerge von 1987, die ich letzte Woche auf Ebay geschossen habe, irgendwie eigenartig geschmeckt hat. Nehme auch keine Nivea-Creme mehr, sondern reibe mir mein Gesicht mit Radium ein, für einen sexy Teint a la 1878. Weswegen mir leider die Zähne locker geworden sind und ich also nächste Woche zum örtlichen Hufschmied muss, um sie ziehen zu lassen. Naja.
Denke in unregelmäßigen Abständen an die eben gepostete Werbung. „So wichtig wie ein kleines Steak“, als Slogan. Immer wenn ich daran denke, werde ich traurig. Wie sehr die Zeit verflogen ist. Ich kann mich noch lebhaft an eine Welt erinnern, in der Werbeheinis dachten, es sei eine gute Idee, Fruchtjoghurt als „wichtig wie ein Steak“ zu bewerben. Und heute? Essen alle Superfoodbowls, deren Zutaten ich nicht mal aussprechen kann, um ein Foto davon in einem Sozialen Netzwerk zu posten, das ich nicht verstehe. Darauf einen 90er-Fruchtzwerg, und dazu einen aus einem ausgespülten Senfglas getrunkenen Kaba. Auf die alten Zeiten.
Egal, Fußball. Anstoß in Leverkusen 1997, die noch nicht wissen, dass sie es episch verscheißen werden. Aber so ist das eben mit der Zeit: Sie ist auch dann ein mieser Verräter, wenn du Markus Happe bist. Wahrscheinlich sogar noch ein bisschen mehr.
„Elber, rausgekauft aus dem Magischen Dreieck des VfB Stuttgart“, so Kai Dittmann. Irre, dass die Bayern die Fähigkeit haben, mich auch mit 23 Jahren Verzögerung noch wütend zu machen.
Dann der Wechsel nach Freiburg 2001, direkt Alexander Iashvili in Großaufnahme. Der Mann mit dem legendären Schlafzimmerblick. Wenn man eine Gefängniszelle als im weitesten Sinne Schlafzimmer auslegt.
Toooooor in Leverkusen: Scholl mit dem Solo, Elber mit dem Kopf. Ein Satz wie pure Poesie. Ich möchte Kinder zeugen, nur um ihnen Abends am Bett diesen Satz vorzulesen.
Dann: Augsburg gegen Köln 2011. Irgendwie ein wenig der Internet Explorer dieses Spieltags. Bisschen langsamer, bisschen verzögert alles, Spiel läuft nicht so flüssig. Würde mich nicht wundern, wenn hier nachher jemand zum 404 trifft.
Jungejunge, derweil Spektakel in Bremen. Erst Werder mit dem 1:0, dann im Gegenzug der Ausgleich für Wolfsburg. Würde gern mehr zu beiden Toren tickern, aber weil ich beim Schreiben immer laut mitspreche, habe ich gerade das Wort „Speck“ gesagt und jetzt kann ich mich nicht mehr konzentrieren.
Lol, bei Leverkusen in der Innenverteidigung: Markus Happe und Christian Wörns. Ich sags euch: Meine persönliche Vorhölle ist ein Spielaufbau der beiden, bei dem immer einer kurz drüber nachdenkt, den Ball nach vorne zu passen, dann aber lieber auf den Ball tritt und quer zum anderen passt. Und der macht dann das gleiche. Und dann wieder. Und wieder. Und immerimmer wieder.
Jetzt bin ich kurz nicht mehr sicher, ob ich nicht aus Versehen im Fantasy-Channel von Sky gelandet bin, weil Bremens Franco Di Santo eine Flanke wunderschön volley ins lange Eck legt. Kann ja eigentlich nicht sein. Ist vielleicht eine neue Folge Westworld, in der es um einen technisch limitierten Stürmer geht, der mit Hilfe intelligenter KI in einer künstlichen Realität plötzlich Traumtore schießt.
Jesses, die „Bruchweg Boys“ hatte ich vergessen. Oder hatte ich sie vergessen? Kann auch sein, dass ich damals vor Wut 293 Mal mit dem Kopf gegen den Türrahmen gerannt bin, um die „Bruchweg Boys“ aus meinem Gehirn rauszupürieren. Weiß ich nicht mehr. Banane. 232. Lalalala. xyxöpääxxöüöxxä.
Hahaha, Carsten Jancker trifft in Leverkusen zum 2:0. Ach, der Jancker, wie es dem wohl geht? Immer, wenn ich den sehe, muss ich an die 11FREUNDE-Fotostrecke vor ein paar Jahren denken, als wir Straßen in den jeweiligen Heimatstädten temporär nach Fußballern benannten und mit diesen zeremoniell einweihten. Und ich Carsten Jancker vorschlug, einen beliebigen Kreisverkehr in Grevesmühlen in Carsten-Jancker-Ring umzubenennen. Ich hielt das für den besten Gag der Welt, lachte, und Jancker legte einfach auf. Naja.
De Bruyne im Trikot des VfL Wolfsburg. Bizarr, den vielleicht besten Spielmacher unserer Zeit so zu sehen. Aber gut, es steht ja auch eine Statue von Tupac Shakur in Herford, und keiner weiß, warum.
Derweil sieht Christian Wörns in Leverkusen Rot wegen Notbremse. Krönt damit seine eigentlich überragende Leistung.
Toooooooor in Frankfurt. Eine schwache Flanke von Patrick Ochs, dann lausiges Gewühl im Strafraum, dann prügelt Marco Russ den Abpraller ins kurze Eck, während er ausrutscht. Und so, liebe Freunde, sah mein Fanalltag zwischen 1996 und 2017 aus.
Wieder Ausgburg gegen Köln 2011, Poldi fordert den Elfer, kriegt ihn aber nicht, dann guckt der Prinz den Schiri an, als hätte der ihm gerade in den Döner gespuckt. Weswegen er nicht einmal eine Minute später dann doch noch einen Elfer bekommt und poldihaft-kompromisslos reinnagelt. Mit extra Scharf, wie wir Kenner sagen.
Nächstes Tor, diesmal Mainz in Frankfurt, André Schürrle. Dann der Elfer in Augsburg, Ausgleich Nando Raffael. Dann das Tor in Leverkusen, Hektik allerorten, der Anschluss durch Jan Heintze nach einem absoluten Sensations-Solo, bei der er Mehmet Scholl nassmacht und sich der hellblaue Oli Kahn meiner Kindheit vergebens nach der Murmel streckt, und an der Seitenlinie jubelt der 97er-Christoph-Daum in einer viel zu großen Taxofit-Jacke. Was für Bilder. Wenn das ein Corona-Fiebertraum ist, weckt mich bitte nicht auf.
So, Halbzeit. Die ich verbringen werde wie früher: Erst in der Küche nach Schnuckzeug suchen, dann meinen großen Bruder so lange ärgern, bis er mir Muckireiten androht. Dann drüber nachdenken, was wohl die schöne Christiane aus der Parallelklasse heute macht. Bis gleich.
So, Freunde, holt euch noch schnell eine Dose Bohnen aus dem Bunker und desinfiziert nochmal die Mattscheibe, denn es geht weiter.
Einziger Wechsel zur Pause beim 1. FC Köln: Miso Brecko kommt. Bitter. Als würde man unbewaffnet zu einer Schießerei gehen, dann sagen: Nee, Moment, ich brauch auch noch eine Waffe, und dann mit einem Löffel zurückkommen.
Dann wieder ein Tor, und zwar Bas Dost in Bremen. Schon vor zwei Wochen, als ich die historische Konferenz tickerte, traf Dost, und zwar viermal. Jetzt wieder. Dann denke ich an die Spiele, die ich von Dost in dieser Saison in Frankfurt gesehen habe, und frage mich, ob das ein elaborierter Gag von Sky ist, um mich zu verarschen. Kommt gleich Guido Cantz oder so rein, Konfetti werfend, knufft mir zwinkernd in die Seite und lacht fröhlich: „Haha, der Bas, toller Witz, oder? Wir haben uns gedacht, wir verkaufen dir den als eigentlichen Weltklassespieler.“ Ich lächle schon in Richtung einer imaginären Kamera, darf nicht vergessen, Cantz nachher nach einem Autogramm zu fragen. Dann trifft Dost zum zweiten Mal. Keine Pointe.
Beide Dost-Tore übrigens wunderbar aufgelegt von Kevin De Bruyne. Was ein Kicker. Der Mann hat mehr schöne Pässe als die italienischen Alpen.
Geil auch: Bei Mainz im Tor steht Christian Wetklo. Den mochte ich, weil der so eine Art schlechtes Oli-Kahn-Imitat war. Blond, aufgepumpt, immer irgendwie grund-wütend und verbissen. Aber halt Christian Wetklo, und nicht Oli Kahn. Eher eine Art Oli Kahn light, made in China. Wie diese Spielzeuge, die dann nicht Superman heißen sondern Mega Boy oder so und schon in der Packung kaputt gehen.
Zurück nach Bremen, wo Davie Selke vor sechs Jahren vergebens einem Pass hinterherhechelt. Alles wie immer also. Selke ist wie der Typ, mit dem du zur Schule gegangen bist und der dich nach dem Abi vollgeschwallt hat, er würde jetzt erstmal auf Weltreise gehen und danach beruflich richtig durchstarten. Und wenn du dann ein paar Jahre später mal wieder in der Heimat bist und an der Dorfkneipe vorbeischlenderst, siehst du ihn darin bräsig am Balken sitzen und behaupten, der Job in der Firma seines Vaters sei gar nicht so schlecht.
Und Toooooooor in Leverkusen, Ausgleich, der Schwatte hat’s gemacht, in seiner typischen Ulf-Kirsten-Wuselmanier, schält sich aus einem Zweikampf mit Kuffour, wie sich andere Menschen aus zu enger, nasser Kleidung schälen würden, und schädelt den Ball dann mit Unterlatte ins Tor. Kirsten, diese Legende. Wenn ich irgendwann sterbe, beerdigt mich nicht. Ich will einfach von Ulf Kirsten über eine Klippe gestochert werden.
Eieiei, in Leverkusen wird Erik Meijer von Tanne Tarnat mit der Schulter halb bewusstlos gecheckt. Und Kai Dittmann macht den besten Gag des Tages, „dann wird Meijer halt TV-Experte.“ Da ziehe ich meinen Turban.
Zurück nach Bremen, ein Spiel, das mich irgendwie traurig macht. Ich glaube, weil man genau in diesem Spiel, wenn man nur ganz genau hinsieht, den exakten Moment erkennen kann, in dem die Entwicklung Werders vom 2000er-Topclub hin zu einem 2010er/2020er-Abstiegskandidaten ihre endgültige Vollendung findet. Und ich glaube, es ist die triste, völlig hilflose Einwechselung von Cedric Makiadi gegen Felix Kroos.
Und Toooooor in Frankfurt, Theofanis Gekas, der einzige Spieler der Geschichte, der 16 Saisontore schoss und trotzdem der mit Abstand schlechteste Spieler der Mannschaft war. Chapeau.
Zurück nach Freiburg 2001. Ich möchte euch, weil das hier ja gleich alles vorbei ist, aufmunternde Worte für die aktuell schwierige Zeit mitgeben. Worte, an denen ihr euch aufrichten und die euch eine Perspektive zeigen können. Worte für die Seele: Sladan Asanin. Steffen Korell. Ivo Ulich. Peter van Houdt. Fabian Gerber. Igor Demo. Und immer dran denken: Lars Hermel. Bitte, gern geschehen.
Jaaaaaaaaaa, Kirsten, der alte Teufelskerl, 3:2, dann 4:2, Doppelpack, dreht das Spiel innerhalb von zwei Minuten. Und über Leverkusen 1997 leuchtet der Abendhimmel rot, Uli Hoeneß hat die Birne angeknipst.
Und das war’s. Mann, was ein Finish in Leverkusen. Es ist wirklich eine himmelsschreiende Ungerechtigkeit, dass die Truppe um Kirsten nicht Meister wurde. Aber vielleicht ja nächste Woche in der nächsten hisTooorischen Konferenz? Mal schauen, würde ich sagen. Bis dahin: Bitte Hände halten und Abstand waschen. Oder so. Tschööö.