Die Bayern hatten den Blues. Und die Blues hatten den Pokal. Eine Ecke reichte ihnen, um die Überlegenheit des FCB zu brechen, ein Kopfball, ein Drogba. Chelsea: auswärts dahoam. Heimatlos: der Ticker.
„Für Jupps Jungs geht es um alles“, titelt spiegel.de. Und für Robertos Racker? Naja, bleibt ja nicht mehr viel übrig.
Da kriege ich wie aus dem Nichts eine Mail. Absender: Vom Schreibtisch des Vizepräsidenten. Fritz Scherer, sind Sie es? Betreff: Offizielle Gewinnbenachrichtigung! Wie jetzt, schon vorbei? Na, dann mal herzlichen Glückwunsch, Herr… äh… Vizepräsident. Beziehungsweise: sein Schreibtisch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das Spiel übrigens an der Seite des englischen Premierministers David Cameron verfolgen. Eine neue europäische Liaison? Merkelon: Das klingt dann doch eher wie ein miesgelaunter Dinosaurier. Was wiederum passt. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
„Die Bayern sind auf dem Weg von Unterschleißheim Richtung Fröttmaning“, weiß kicker.de. Diese unmondänen Ortsnamen! Wenn das die Welt liest! Die hätte man doch noch schnell umbenennen müssen. „Die Bayern sind auf dem Weg von Franztown Richtung City Of Effe.“ Ungleich besser.
Denkaufgabe für alle Soziologiestudenten ab dem 15. Semester: Millionärsklub gegen Milliardärsklub – wie steht man da auf der Seite des kleinen Mannes?
Wenn Wörter materiell wären, könnte das Ordnungsamt SAT.1 den Garaus machen. Wegen unerlaubten Schuttabladens. Aber so? Ruhestörung? Welche Ruhe? Oder schreien die Leute, um Kerner nicht zu hören? Ein Teufelskreis.
Kerner hat auch gleich den Begriff parat für das, was er da betreibt: „Mentalpressing!“ Deswegen ist mir so eng zumute.
Irgendwie erfrischend im Kontrast zu all dem Pomp: Ein Offizieller schleppt den Pokal durchs Stadion, als wäre der eine Gießkanne, wie ein Opa, der einfach nur die Geranien wässern will. Als wohnte er hier. Dahoam is dahoam.
„Wenn du alles getan hast, dann kannst du nichts mehr tun“, so Beckenbauer. Nur eines: den Mund halten.
Die ganze Zeit ist auf SAT.1 die Rede von „Vorfreude“, aber genau diese wird ja durch den ganzen Experten- und Hupfdohlen-Firlefanz systematisch zerstört. Es ist ein bisschen wie bei McDonalds, das seine Packungen mit fröhlichen Kühen bedruckt. Aber was entsteht hier eigentlich? Vorhass? Die Vorhölle? Und was heißt hier „Vor“?
Ganz nett eigentlich von der Werbeindustrie, dass sie uns durch dazwischengeschaltete Fußballschnipsel vom Konsumrausch ausruhen lässt. Sonst hätte ich mir glatt noch einen Vorratseimer Nivea bestellt.
Seit 11:30 Uhr platzt SAT.1 jetzt schon vor guter Laune, man hätte fast auf den Trichter kommen können, dass beide Mannschaften das Finale gewinnen. Und jetzt das: ein Trailer für „The Biggest Loser“. Das kann ja wohl nur ich sein. Jetzt hab ich Lampenfieber.
Wie Kerner, wenn er einen Witz macht, den er natürlich selbst am allerlustigsten findet, so schweinchenartige Züge bekommt. Hoffentlich baut er auch noch ein Haus aus Stroh. Dann puste ich’s um.
Modefan Gauck, letzte Woche noch in inniger Umarmung mit den Dortmundern, raspelt nun: „Ich hoffe, dass ich mich diesmal mit den Bayern freuen kann.“ Und dann mit Werder, Schalke, Hoffenheim, Stuttgart, Leverkusen, Freiburg, Gladbach, Salmrohr, Meppen, Herzlake, Bayern II, Bayern III und warum nicht auch Chelsea? Hauptsache Freuen!
Wenn Comic-Schweine Werbung für Banken machen, geht die Welt unter. Steht so zwar nicht bei Nostradamus. Ist aber so. Hauptsache Freuen!
Noch sieben Minuten, dann wird es höchste Zeit, meine Fünf-Minuten-Terrine aufzusetzen. Geschmacksrichtung Pasta. Aber ich warte noch. Ja! Weil ich Nerven aus Stahl habe.
Wie ich Eröffnungsfeiern hasse. Schlimmer als bei der „Aktion Ferienspaß“ im Freibad von Osnabrück. Das hätte sich nicht mal André Heller getraut.
Und jetzt oszilliert das Ganze auch noch ins Mittelalterspektakelhafte: Zwei Ritter in Strumpfhosen stehen am Mittelkreis, der eine mit einer Geige, der andere mit seiner Verstopfungsstimme bewaffnet, und versuchen, einander den Garaus zu machen. Hoffentlich gelingt es beiden.
Die Seitenwahl. Lampard macht einen Witz, Lahm tut so, als verstünde er Englisch, lacht mit drei Sekunden Verzögerung: „Fanni, Fränk!“ Eine Art Vorentscheidung.
Anstoß. Was bedeutet, dass SAT.1 endlich seine Hüpfburgen wegpackt. Und dass das Finale beginnt. Sucht euch aus, worüber ihr euch mehr freut.
War es wirklich ein glückliche Entscheidung, dass Timoschtschuk sich vorm Spiel noch diese liebliche Anke-Huber-Frisur hat machen lassen? Drogba schenkt ihm ‚ne Milchschnitte. Advantage Chelsea.
Schweinsteiger schießt, Cahill wirft sich dazwischen, fällt. Schon jetzt an der Strafraumkante Szenen wie am Strand der Normandie. Aus München: Ihr Guido Knopp.
„Go Further“, prangt auf der Bande. Da fehlen die Ü‑Striche, ihr Penner. Außerdem sind die doch schon längst aufgestiegen. Mann.
Hier herrscht eine Stimmung wie damals in der CSU-Parteizentrale, wenn Strauß die absolute Mehrheit geholt hatte. Und auf der Ehrentribüne weint Horst Seehofer, ohne es zu wissen.
Luiz und Müller im Zweikampf, das sieht aus wie Lucy von den No Angels und ihr Tanzlehrer bei „Let’s Dance“. Heute: Hass-Lambada.
Irre: In der Arena wird der Ticker gelesen – siehe Beweisbild. Ich fühl mich wie Alice im Wunderland, wenn sie durch dieses komische Kaninchenloch kriecht. Danke dafür, lieber Kollege. Und herzliche Grüße.
Boah! Müller! Gomez! Noch irgendwer! Dann Lampard mit dem tiefenentspannten Querpass auf Bosingwa – am Fünfer! Chelseas Abwehr noch nicht ganz dahoam. Wie auch?
Bayern überlegen. Gegen wen eigentlich? So langsam beschleicht mich der Verdacht, die Blauen sind 1860. Bislang: schlecht gebrüllt, Löwen.
Robben! Den muss er machen, könnte man sagen. Aber warum sollte er? Kommt ja bestimmt noch eine Chance. Es ist wie beim Shoppen: Da nimmt man auch nicht gleich das Erstbeste. Vielleicht gibt es das 1:0 ja irgendwo günstiger.
Liebe „Bild“-Kollegen! Hier schon mal die Überschrift für einen Betroffenheitsstory im Jahre 2052: „Manuel Neuer: arbeitslos!“ Keine Ursache.
Didier Drogba wurde eben in einer Münchner Vorstadtdisco gesehen, tanzt dort mit einer Weißwurst-Komtess zu „Mister Boombastic“ von Shaggy. Ablenkung? Selbstaufgabe? Was plant Chelsea wirklich? Sachdienliche Hinweise bitte an dirk.gieselmann@11freunde.de!
Bosingwa poliert Ribery den Steiß. Der Schiri eilt zu ihm, Portugiesen unter sich, seine Gestik ist offiziell streng, seine Mimik inoffiziell wohlwollend. Übersetzt: „Wenn du das noch mal machst, hab ich dich nicht mehr lieb.“
Wenn das hier so weitergeht, ist Lahms notorische Interviewantwort „Wir waren die bessere Mannschaft“ endlich mal annähernd richtig. Schon jetzt ein Achtungserfolg.
Contento mit der Power-Flanke auf Müller, der volley abzieht – daneben! Dann die Zeitlupe: wieder daneben! Verflixt.
Es ist ein Gefühl, als würde plötzlich ein Archaeopteryx über den Platz flattern: Chelsea hat eine Chance, zum ersten Mal seit dem Oberen Jura.
Gomez! Gomez! Gomez! Nicht, dass es mir besonderen Spaß machen würde, diesen Namen so oft zu schreiben, aber schon wieder eine Chance für den schönsten Mittelstürmer der Welt. Diesmal rutscht er weg, schlenzt den Ball drüber. Abstoß. Ich warne schon mal: Die Jungs hören auf, sich über vergebene Chancen zu ärgern, sie raufen sich die Haare nicht mehr, sie kämmen sie nur noch für die anstehenden Siegerinterviews. Rächt sich das? Ich hoffe schon, sonst hätte ich ja ganz umsonst gewarnt. Denkt an meine Worte!
Der Halbzeitpfiff. Und einige Chelsea-Fans jubeln! Glückwunsch. Sie haben ja auch etwas überlebt, in gewisser Weise. So müssen sich auch SAT.1‑Praktikanten fühlen, wenn ihr Arbeitsvertrag endlich ausläuft.
»Ich bin eine Fotoapparat«, sagt ein Fotoapparat in der Werbung. »Ich bin ein Mensch«, antworte ich. Bin mir aber weit weniger sicher als der Fotoapparat.
Die Stimmung in der Chelsea-Kabine stelle ich mir in etwa so vor wie im Aufsichtsrat des Flughafens Berlin-Brandenburg. Die heben heute nicht mehr ab.
Morgen zu Gast im »KIA-Doppelpass«: Edmund Stoiber. Noch ein Grund mehr zu spielen, als gäbe es kein Morgen.
Ich glaube, jetzt habe ich es geschafft: Ich kriege Drohmails! Ein Mensch namens „abgewichsterhurensohn“ schreibt mir:
„Boa, was bist Du für ein selbstgefälliger Typ! Zum KOTZEN! Findest Du dich selbst eigentlich gut, mit Deinen ach-so-klugen Kommentaren? Mich ekelt das ziemlich an. Du glaubst wohl, dass Du ein ganz schlauer bist, ne? ‚Ich hoffe das rächt sich‘ –> WIE BIST DU DENN DRAUF!!!??? PFUI! BA!!“
Danke, lieber „abgewichsterhurensohn“! Und schöne Grüße an Deine Mutter!
Unorthodox: SAT.1 schaltet erst nach dem Anstoß zurück nach München. Wollten uns wohl mit dem 1:0 überraschen, die Schlitzohren. Haben wir gelacht.
Robben mit dem Flankenlauf, aber immer wieder geht es ihm wie Skandal-Anatom Gunther von Hagens in seiner Werkstatt: Es ist ein Bein zuviel da.
Nebel zieht auf: Raucht die Oligarchen-Clique ihre Cohibas? Sofort aufhören! Daheim vorm Fernseher kriegt Christian Lell Todesangst!
Ich gönne den Bayern alles, sogar das Schwarze unterm Fingernagel. Aber der TV-Event-Liebhaber in mir wünscht sich doch, dass sie heute Abend einem echten Monster gegenüberstehen würden, einem Endgegner, und nicht dieser Damenhockeymannschaft. Quo vadis, SAT.1‑Film-Film?
Ecke Nummer 10 für die Bayern. Respekt: Das schafft in dieser Zeit nicht mal ein Kreuzberger Bullmastiff, der sein Revier markiert.
Lampard – ein Schatten seiner selbst. Was nicht ganz stimmt, weil sein Schatten immer wieder warten muss, bis Lampard in die Gänge gekommen ist. Richtiger also: Schatten – ein Lampard seiner selbst. Oder so. Ihr wisst, was ich meine.
Als die Bayern den Escortservice für den heutigen bestellt haben, haben sie sich darunter wahrscheinlich etwas anderes vorgestellt, als nach Angstschweiß riechende Leichtathleten. Wenn Erotik keinen Spaß macht…
Soviel Platz hatte Schweini zuletzt, als er vom Bayern-Jugendinternat in sein erstes Luxus-Loft gezogen ist. Ob er gleich eine Ledergarnitur ins Mittelfeld stellt?
»Bei aller Liebe«, so Wolff Fuss, »das muss bestraft werden.« Kaum abzuschätzen, wie viele SM-Studio-Besitzer sich diesen Satz morgen auf die Visitenkarte drucken.
Wäre ich Sven Plöger vom ARD-Wetterbericht, würde ich jetzt anfangen, vom »gefühlten Ergebnis« zu faseln. Fest steht: Chelsea weht der Sturm hier fast das Höschen weg.
Die Bayern drücken hier wie die Blasen ihrer Fans, die das Tor nicht verpassen wollen. Hoffentlich lässt der Schiedsrichter das nicht laufen!
Wenn die Bayern jetzt noch einen kassieren, hätte das immerhin einen Vorteil: Es würde uns die ewigen Rückblicke auf das 99er-Finale in Zukunft ersparen. Das hier wäre die Großmutter aller Niederlagen.
TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOR! Ein O für alle Tore, die der FC Bayern hätte schießen müssen! Und dann macht dieser Müller, dieser Thomas, dieser Bursche das erste und einzige mit dem GESICHT! Mit seinem Müller-Gesicht, seinem Thomas-Gesicht, mit seinem Burschen-Gesicht! Into Cech’s face! Gruß an die Omas!
Müller! Dieser Naturbursche! Macht hier das Tor wie bei einem Wiesenkick in Hintertupfing: einfach rein, egal wie. Diesjähriger Gewinner des Wettbewerbs »Unser Dorf soll schöner werden« und der Champions League: Müller, Thomas. I hob di liab.
Nee, Opa. Lass mal. Ich hab jetzt keinen Bock auf die VHS vom Spiel gegen ManUnited. Was? Opa ist tot? Und das ist keine VHS? Tor. Drogba. Ein Kopfball, der wie eine Kanonenkugel einschlägt. In den Kasten. In die Herzen. 1:1. Ich will das nicht.
Das hässlichste Ergebnis aller Zeiten: 1:1. Und die Chelsea-Fans, die schon dasaßen wie ein Haufen Greise, denen man erst überteuerte Heizdecken verkauft und die man dann an der Raststätte ausgesetzt hat, sie singen jetzt. Irgendwas Englisches. Arrogantes. Triumphales. Taub müsste man sein.
Die Mutter aller Niederlagen hat viele Kinder. Auch dieses 1:1, das sich notdürftig als Unentschieden verkleidet hat. Ich erkenne dich trotzdem, du Brut!
Es ist wie auf Mallorca: Die Deutschen haben ihr Handtuch seit acht Uhr morgens auf der Sonnenliege, dann kommen die Engländer und legen sich einfach drauf. Muss Heynckes jetzt Geheimwaffe Micky Krause bringen?
Mit Verlaub: Das war der beschissenste Elfmeter aller Zeiten. Mindestens aber seit Robbens Elfmeter in Dortmund. Ich bekomme Mitleid bei dem Gedanken, was aus Robben wird, wenn das Ding hier schief geht. Mitleid! Mit Robben! Dieses Spiel macht mich krank.
Wenn es zum Elfmeterschießen kommt und Robben noch mal antritt, fahre ich nach München und spiele bei der Siegesfeier auf seinen Nerven Kontrabass.
Zurück zum Spiel, wenn man das Geschehen denn so nennen mag: Der FC Bayern gegen eine metaphysische Wolke aus Glück. Und es steht 1:1. Morgen mehr bei „Galileo“.
Die zweite Halbzeit des Spiels. Also Vollzeit. Ja, ich arbeite Vollzeit als Katastrophenberichterstatter. Viele Grüße aus Remis.
Bewegende Schicksale, Teil 4: Kultmoderator Arnd Zeigler hat, wie er auf Facebook mitteilt, „eben weite Teile der Verlängerung verpasst, weil ich einen ca. 70 cm langen Maikäfer aus dem Wohnzimmer verscheuchen musste.“ Wäre Boateng so doch bloß mit Drogba verfahren! Zeigler für Bayern!
Und immer noch rinnt das Bier aus den Zapfhähnen, niemand hat einen Becher darunter gestellt. Das schöne Bier. Das schöne 1:0. Versickert. Einfach versickert.
Olic mit einer Chance, die keine Chance mehr ist, sondern schon ein Tor, aber dann doch kein Tor, sondern nur eine Chance, dann nicht mal mehr eine Chance, sondern nur eine vergebene Chance, also ein Scheißdreck. Wie beschissen das Leben sein kann. Und das alles innerhalb einer Sekunde.
Man wünscht den Jungs so sehr, dass sie nach dem Spiel über ihren Muskelkater lachen können, weil sie das Spiel gewonnen haben, oh, guck mal, ich krieg den Pokal gar nicht hoch, hahaha, hilf mir mal, hahaha – und dass er nicht noch zum Seelenschmerz einer Niederlage hinzukommt. Haben werden sie ihn ohnehin. Wie kaputt muss Schweini sein! Kaputter als ich. Und das will was heißen.
»Sechseinalb Minuten«, lechzt Fuss. Ich hab‘ jetzt aber überhaupt keinen Bock auf Erotikfilme.
Occupy Strafraum – Chelsea ganz nah dran am Puls der Jugendbewegung. Nicht schlecht für derart alte Säcke.
Jetzt blendet SAT.1 „The Biggest Loser – Das Finale“ ein. Eins muss man ihnen lassen: Unmenschen sind sie.
Elfmeterschießen. Russisches Roulette. Gewinnt also Abramowtisch? Fingerhakeln wäre mir lieber.
Heynckes Gesicht überstrahlt die Bayern-Trikots, sie wirken blassrosa im Kontrast. Faszinierend.
Lampard und Lahm wieder bei der Seitenwahl. History repeated. Bloß wirkt Lahm erwachsener, wie ein Kriegsheimkehrer. Und Neuer hat richtig Bock. Wo ist das Ding, Manu? Da! Da! Such!
Nä! Neuer tritt selbst an. Hat der Eier. Drin. Der Fußballgott hat sich längst zurückgelehnt und lächelt ungläubig.
Schweini. Findet er seine Eier auch diesmal wieder? Nein! Nein. Nein. Pfosten. Ist das schlimm. Ist das schlimm.
Drogba. Der längste Anlauf der Welt. Tage vergehen. Jahre. Jahrzehnte. Drogba. Gegen Neuer. Jetzt gönne ich allen alles. Drogba schießt, Neuer springt, der Ball rollt. Drin. Drogba weint schon im Abdrehen vor Glück. Chelsea ist Champions-League-Sieger. Bayern nicht. Wie das sein kann, darüber werden Generationen zu rätseln haben.
Und nachdem er Milliarden in diesen Klub gepumpt hat, springt Roman Abramowitsch nur kurz auf, klatscht einmal in die Hände und setzt sich wieder. Die namenlose Herrentorte neben ihm ist emotionaler als ihr Oligarch. Ein Trost immerhin für uns: Geld allein macht nicht glücklich. Und offenbar noch nicht mal Erfolg.
Nicht mal trauern kann man. Werbung für Solarstrom, Banken, Hamburger, schließlich grinst auch noch Kloppo, als machte er Reklame für Schadenfreude. Ziehen die das auch bei meiner Beerdigung durch? Dann will ich ewig leben. Beziehungsweise niemals geboren sein.
Jetzt holen die Bayern sich die Silbermedaille ab. Bedeutungsloser als der bronzene Bravo-Otto.
Jetzt die Londoner: auswärts dahoam. Steigen die Treppe hinauf, winken, frohlocken, zwinkern, feixen. Ich projiziere da jetzt so was Neureiches rein, aber ich will nicht vergessen: Sie waren ja auch schon mal kurz davor, Drogba, Lampard, Cech, große Sportsmänner. Und sie können nicht anders spielen als so. Ja, wie eigentlich? Was ist schön? Nur ein Pass? Oder auch eine Grätsche? Schön ist der Sieg. Und der ist Chelseas.
„Da ist das Ding“, denkt Rummenigge, der wie ein Habicht aus der Jubeltraube stiert. „Haltet den Dieb!“
Gauck freut sich trotz allem, denkt: „Auch der FC Chelsea gehört zu Deutschland.“ Ach, nee. Das war ja der andere.
Abramowitsch schaut die Trophäe etwas abschätzig an. Sind ja gar keine Swarovski-Steine drauf. Und die kostet jetzt eine Milliarde?
Ach, guck an: der Terry! Will er noch jemanden umtreten? Zu spät. Sie liegen schon alle am Boden.
Das Spiel hat so lang gedauert, dass Roberto di Matteo Deutsch gelernt hat. Und rechnen kann er auch noch: »Wahrscheinlich hatten die Bayern mehr Chancen als wir.«
Ich kann mich an drei Tage in meinem Leben erinnern, da ich Fußball für eine Naturkatastrophe gehalten habe: heute, als Griechenland Europameister wurde – und als SAT.1 die Champions-League-Rechte gekauft hat.
Geisterstunde starring Franz Beckenbauer. Er faselt nur noch Silben hervor, die einzig der Melodie nach verraten, dass er betrübt ist. Er hat den Blues. Und die Blues haben den Pokal. Mein Gott, wäre ich gern blau jetzt.
Beckenbauer will Abramowitsch „teilweise kennengelernt“ haben. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Welt um uns herum sich auflöst.
Interviewt man einen Mann, der gerade eben von seiner Frau verlassen wurde? Interviewt man einen Mann, der gerade eben das Finale verloren hat? SAT.1 sagt: warum nicht? Und schickt gleich Vera am Mittag in die Bayern-Kabine.
Christian Nerlinger hat etwas angenehm Schneidendes, Klares, Volksschullehrerhaftes, wenn er sagt: „Das war ein Albtraum.“ Das tut immerhin schon wieder weh. Und man ist ja froh, wenn man überhaupt noch was spürt.
Ob die Bayern sich jetzt extra-doll auf das Freundschaftsspiel gegen die Niederlande freuen?
Kerner kann es noch nicht mal jetzt lassen, seine eigene Fragen überragend zu finden, fuchtelt, formuliert, freut sich über sich selbst, als hätte er die Champions League der Wurschtljournalisten gewonnen.
Jetzt wird es doch noch interessant: Heynckes berichtet, dass Neuer nur deshalb einen Elfer geschossen habe, weil die meisten anderen sich geweigert hätten. Das spricht Bände über den Druck, der auf ihnen gelastet haben muss – bloß kann Kerner sie nicht lesen, fragt lieber nach der Vertragsverlängerung. „Ich rufe Sie an, wenn es soweit ist“, so Heynckes scharf. „Sie haben ja meine Nummer“, schleimt Kerner.„Nein, die habe ich nicht“, blockt Heynckes. Ein Sieg. Immerhin einer.
Jetzt wird Schweini hier in einem nie dagewesenen Schmachtfetzen zum Unvollendeten herunterstilisiert. Verzweiflung, Beten, Hoffen und noch mal Beten. Ich schalte jetzt um auf „Bibel TV“. Das wir mir hier zu religiös.
Wenn Bayern Hertha wäre, könnten wir auf ein Wiederholungsspiel hoffen. Aber so: Aus. Aus. Der Traum ist aus. Der Fernseher jetzt auch. Unvorstellbar, dass ich ihn je wieder anschalte. EM? Was ist das? Löw? Nie gehört. 11FREUNDE? Besser gesagt: 11 disparate Gestalten, die ihren eigenen, trüben Gedanken nachhängen. „No direction dahoam“, wie Bob Dylan sang. Bis nie, liebe Fans.