Es ist vollbracht: Der FC Bayern ist Champions-League-Sieger, Triple-Gewinner, Sing-Halleluja-Singer. Der Ticker sagt: Qatulation.
Quten Abend! Einige User schrieben im Vorfeld, wir sollten heute Abend schweigen. Genau das wollten wir auch, dann aber lud uns ein anonymer Fan in eine Emirate Lodge in Doha ein. (Super Aircon hier.) Und nun ja, vor Ort überreichte uns ein anderer Mann in Weiß noch eine Rolex, und ein paar Gastarbeiter aus Nepal haben uns dann erzählt, dass alles gut und fair sei mittlerweile. Vor allem die Arbeitsbedingungen. Der eine schaute etwas komisch und steckte uns ein Zettelchen zu, auf dem„Help“ stand. Wir haben ihm dann erklärt, wie man„Hello“ richtig schreibt. So viel Gastfreundschaft muss sein.
Außerdem, so schlimm kann es doch alles gar nicht sein. Die machen ja auch viel für die Region. Und die Talentarbeit ist wirklich super. Das Konzept sowieso. Ach, das ist RB? Sorry, wieder alles durcheinandergebracht.
Ganz ehrlich, seit ich den Fernseher angemacht habe, weiß ich, was ich sein möchte, wenn ich groß bin: das Sakko-Einstecktuch von Sandro Wagner.
Nehmen wir zum Beispiel Katars Hauptstadt Doha. Das Wort setzt sich aus „Doh!“ (Homer Simpson) und „Oha!“ (freudiges Erstauen) zusammen. Dieser Ort kann nicht schlecht sein.
Blick in die Katakomben. Bela Rathy sabbelt sich warm, die Mannschaften hüpfen sich warm. Neymar übt im Hintergrund die ersten Schwalben. Andi Möller steht daneben applaudiert. Er wurde vor dem Spiel als Schwalben-Trainer engagiert. „Ähem“, räuspert sich der Ex-Schalke-BVB-Frankfurt-etc-Profi, „Schutzschwalbentrainer, bitte. So viel Zeit muss sein.“
Okay, das mit der Lodge in Doha war nur Spaß. Wir sitzen wie gehabt in unseren dreckigen Wohnungen und und rufen per Zufallsgenerator Leute in Katar an, um sie zu beschimpfen. Mich hat man gezwungen, dieses Spiel zu tickern. Wollte eigentlich auf einem Röhrenfernseher Wiederholungen von Uefa-Cup-Spielen mit Beteiligung von Gornik Zabrze und Hajduk Split anschauen und dabei RB-Schals verbrennen und alte Vinylsingle von Emscherkurve77 über marode Stehtribünen hören. Was man halt so macht als 11Freunde-Typ an einem Sonntagabend.
Finde die Tonprobleme von Bela Rethy fantastisch. Als würde er durch ein Festnetztelefon berichten, was unten zu sehen ist, was wir aber qua fehlender Übertragungstechnik nicht sehen können. Eine Übertragung wie 1970. Oder bei Eurosport. Wann tacklet Jupp Kapellmann Raí um?
Will nicht sagen, dass die Bayern hier in den ersten Minuten stark pressen, aber Hansi Flick steht gerade mit Geburtsvorbereitungsbuch und Spucktuch an der Seitenlinie und sagt sich: „Huch, langsam wird’s aber ernst.“
Noch 84 Minuten zu spielen, beziehungsweise aus Sicht der Knie von Kingsley Coman: Noch zwei Angriffe und ein Halbfoul.
Herrje, die Bayern treten hier mit einer Dominanz auf, dass ich Kollege Bock gerade gefragt habe, ob er mir „Mia san Mia“ in den Nacken tattowieren könnte. Er hat aber nur „Real love never die“ im Angebot. Und die sind halt schon im Achtelfinale ausgeschieden.
Gut, dass heute keine Fans zugelassen sind. Hätte jemand zu Wechselgesängen angestimmt, hätten wir hier QAnon.
Anruf aus Doha! Wir sollen bitte denken, möglich oft etwas mit „Q“ zu tickern. Also gut: Ecke, qurz ausqeführt. Quasi qein Problem für Neuer. Qualität. Qommerz. Ach, lassen wir das, das ist doch Quatsch.
Hui! Erste richtige Chance für die Pariser. Mbappe wird auf die Reise geschickt, besteht alle Tests und darf in den Strafraum einziehen. Per Hacke zu Bernat (hier kurz ein rotes Hoeneß-Gesicht denken, danke), der zurück. Aber Mbappes Schuss klatscht nur an Boatengs Oberschenkel! Eine Minute später schon wieder Mbappe – diesmal stellt sich Kimmich in den Weg. Keine Pointe.
Baby, bist du das Champions-League-Finale, weil wir kennen uns erst seit einer Viertelstunde und mir geht das alles viel zu schnell.
Choupo-Moting an der Seitenlinie: Trainer, wie lange noch? 75 Minuten. Trainer, wie lange noch? 75 Minuten. Trainer, wie lange noch? 75 Minuten. Trainer, wie lange noch? 75 Minuten. Trainer, wie lange noch? 74 Minuten. Gut, hätten wir diesen Tick auch geschafft.
Bester Mann bislang Manuel Neuer. Toll, wie er diese Großchance vereitelt hat. Genauso agil und elanvoll und lebhaft und smart kennt man ihn. Zum Beispiel aus dem letzten Interview mit 11FREUNDE.
Mbappe hat ja vor ein paar Tagen verkündet: „Ich bin bereit, am Sonntag auf dem Platz zu sterben.“ Während ich das hier und jetzt noch mal lese, klatscht das klebrige Pathos auf meine Tastatur und aus dem Off ertönt Streichermusik, während irgendwo Til Schweiger sitzt und sich eine neue Filmidee notiert: „K7lian – Memories von Anfang bis Legende“. Mit Xavier Naidoo in der Hauptrolle. Jetzt schon mein Kandidat auf den besten Film des Jahres. Bei der Flat-Earth-Movie-Convention 2021.
Wie bitter muss das eigentlich sein für PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi? In der Champions League ist PSG bislang nie über das Viertelfinale hinauskgekommen. Das hier ist das erste Finale überhaupt. Das muss man sich mal vorstellen: Dieser Verein kann jeden Spieler der Welt kaufen, um ihn dann als Hausmeister einzusetzen, wenn er nur wollte. Bei diesem Klub hat sogar der Zeugwart-Assistent ein vergoldetes Firmen-Flugzeug (samt Flugzeugträger). Aber international ging nie mehr als Viertelfinale. Das hat sogar mal der 1. FC Kaiserslautern 1999 erreicht. Mit Marco Reich und Jürgen Rische. Und die sind im privaten Opel Corsa zum Auswärtsspiel nach Helsinki gefahren.
Wir bekommen die ersten Beschwerdebriefe aus Doha. Die Mannschaft sei in den vergangenen sieben Jahren sechsmal französischer Meister geworden. Ja und? Jaaaa UND? Wir würden in unserem Firmen-Ferrari beim Deutschen Autoscooter-Wettrennen auch siebzehn Meisterschaften in vier Jahren gewinnen.
Was ist mit Robert Lewandowski los? Trifft schon wieder nicht. Diesmal wird er sogar von zwei PSG-Spielern weggeblockt. An der Seitenlinie schleicht sich Choupo-Moting rüber zu Flick: „Du, Trainer, also, wenn ihr noch jemanden braucht. Also, ich hätte gerade Zeit…“
Manuel Neuer, Leon Goretzka, Thilo Kehrer, Julian Draxler, Eric-Maxim Choupo-Moting. Und irgendwo auf Schalke wurde heute wieder versucht, Benito Raman das Fußballspielen beizubringen.
Ich bin heute Vormittag, also genau genommen heute in aller Herrgottsfrühe, nach Lübars gefahren, um am Rande der Stadt ein Testspiel zu bestreiten. 11 gegen 11. 90 Minuten lang. Es gab einen Elfmeter. Es gab Pässe und Torschüsse. Vor allem haben wir viel gelacht, weil zwei von uns noch ein bisschen betrunken waren und einer unserer Linksverteidiger immer nach vorne geochst ist, statt einfach abzugeben und stehen zu bleiben. Jedenfalls finde ich es ulkig, dass das, was wir da heute Morgen gemacht haben, die gleiche Sportart sein soll.
Mein Bruder schaut heute mit. Hat sich bisher dezent zurückgehalten, schaltet sich jetzt aber mal ein. „Das ist Bela Rethy, oder?“ „Ja“ „Katastrophe“. Ich berichtige sofort: „Qatarstrophe.“ Schweigen. Gleich petzt’s einer bei Mama.
Ganz ehrlich: Sobald Paris den Ball bekommt und etwas Platz ist, geht dermaßen die Post ab, dass Donald Trump gerade überprüft hat, ob er ihnen die Zuschüsse streichen könnte.
Gute Nachrichten für alle Köln-Fans: Hennes, der IX wurde gerade im Bayern-Strafraum geboren. Riesenbock von Alaba. Was vor allem schlechte Nachrichten für alle Bayern-Fans sind. Doch Kylian Mbappe verpasst das 1:0. Der Simon Terrodde der Champions League. Damit muss er nun leben.
Elfmeter für Bayern? Coman fällt im Sechzehner. Schiri Daniele Orsato will nichts gesehen haben und verweist auf den VAR. Dort läuft nur die heute-Journal. Bezeichnend. Beziehungsweise: Halbzeit.
Vom Champions-League-Finale nahtlos rüber zum heute Journal. Oder: Von Bela Rethy zu Belarussen. Läuft einfach beim ZDF.
Weiter geht’s nicht mit Bela B, dafür mit ein paar Rückblicken von uns. Zum Beispiel auf Mbappe, der gen Ende der ersten Halbzeit nach einem Foul eine Karte gefordert hat. Die beiden Ultragruppen auf der Tribüne – Brigade Rummenigge und Kommando Hoeneß – stimmen sofort Hassgesänge an. Die Uefa ermittelt. Dietmar Hopp distanziert sich. Per Videointerview im Aktuellen Sportstudio.
Ein anderer Gewinner des Abends: Sandro Wagner. Sagt gute Sachen. Und sieht blendend aus. Ich möchte die ganze Zeit meine Mundwinkel mit seinem Einstecktuch abtupfen, obwohl ich sie nicht abtupfen müsste.
Anstoß zur zweiten Halbzeit. In Doha schauen sie sich verwundert an. Wie lange dauert denn so ein Cricketspiel mit dem Fuß?
PSG über die rechte Außenbahn. Pass, Pass, noch ein Pass. Pässe so mies, dafür gibt es nicht mal ein Visum fürs Phantasialand.
Irgendjemand müsste Rehty mal sagen, dass bei einem Bayern-Spiel das Synonym „der Nationalspieler“ selten weiterhilft: „Der Nationalspieler kann den Ball nicht kontrollieren.“ Äh, ja gut.
Toooooooor! Coman. Ausgerechnet. Mit dem Kopf. „Der Pariser!“, jubelt Rethy. Und die Uefa ruft prompt beim ZDF an. Es gucken auch Kinder zu!
Und was folgt nun? Der Sturmlauf aus St. Denis auf die Bastille? Neymar warnt Goretzka im Vorbeigehen: „Champions-League-Sieger: erst hängen sie auf, dann werden sie gehängt.“ Goretzka antwortet per Blutgrätsche. Die Guillotine des kleinen Mannes.
Es ist zwar immer noch nicht sicher, aber alles deutet darauf hin, dass dies das letzte Spiel von Thiago ist. Und also: Zieht euch euren besten Anzug an, setzt euch in euren roten Plüschsessel, holt das Opernglas hervor. Denn was hier zu sehen ist, ist eine große Vorstellung. Mit kleinen Bewegungen, die Nichtsahnende als Verschwendung bezeichnen würde, gibt er dem Spiel einen neuen Drall, einen Richtungswechsel, manchmal nur einen kleinen Impuls. Ein Künstler, der die Regie selbst führt. Wann steht das Publikum endlich auf und fordert die Zugabe, die nie endet.
Coman gegen Kehrer im Eins-gegen-Eins. Rethy: „Das ewige Duell.” Ich halte mutig dagegen: „67 Minuten.“
Hansi Flick wechselt. Bringt Perisic und Coutinho für Gnabry und Coman. Verständlich, in drei Wochen wartet Schalke.
Bei allem Respekt: Wie Alaba und Davies im Dreikampf gegen Di Maria den Ball erobern wollen, ist für mich das schlechteste Idee, die ich heute gesehen habe. Auf einem starken zweiten Platz:
Für mich den größten Anteil am Champions-League-Sieg hätte Niko Kovac. Nur dank ihm können Bayern-Fans heute Abend davon reden, dass das Triple eine totale Überraschung sei, ja, fast Märchencharakter hätte.
Auf der anderen Seite: Gäbe es einen passenderen Champions-League-Sieger als einen katarischen Klub aus Paris, dessen Logo mittlerweile auf den übergroßen, völlig überteuerten Stoffjacken Spätpubertärer in Essen-Frohnhausen getragen wird, die danach irgendeiner armen Wurst das Handy zocken? Ich. glaube. nicht.
Nach Kehrer jetzt mit Draxler der zweite Ex-Schalker im Spiel. Wenn jetzt noch Choupo-Moting kommt, dann könnte sich PSG wenigstens Champions-League-Sieger der Herzen nennen
Pardon, Choupo-Moting ist soeben eingewechselt worden. Dachte immer, dass ich nur von potenziellen Werbepartnern (Haarwasser, Mucki-Shakes) abgehört und abgelesen werde, aber offenbar hat auch Tuchel eine Standleitung hier.
„Ein qualitativ hochklassiges Finale, aus taktischer Hinsicht“, sagt Bela Rethy und blättert weiter in Helmut Schöns Bestseller „So spielt man Fußball“.
Hansi Flick wäre mit dem Triple also besser als Pep Guardiola und Louis van Gaal. Und besser sogar als Felix Magath. Dafür verleihen wir ihm jetzt schon den Goldenen Medizinball. Womit er sogar das Quadruple gewonnen hätte – und besser als Jupp Heynckes wäre. Glückwunsch dazu.
Rethy sagt: „Ich sage nur Manchester 99.“ Und dann sagt er erstmal nichts. Und dann sagt er: „Schauen Sie in diese Gesichter.“ Könnte auch das Ende eines Fassbinder-Films sein.
So, das war’s, der FC Bayern wird Weltmeister. Oder Gewinner bei den Qatar Open. Nach fünf Sätzen. Qlückwunsch dazu. Als Prämie gibt es ein Handtuch (zollfrei) und ein Flasche alkoholfreien Wodka.