Zahlen und Daten werden im Fußball immer wichtiger. Durch statistische Verfahren ist der Sport messbar geworden. Und vorhersehbar. Welche Rolle spielt der Zufall überhaupt noch?
Andreas Heuer ist Professor für Physikalische Chemie an der Universität Münster und Experte für die Theorie komplexer Systeme. In seiner Forschung untersucht er unter anderem den Fußball mithilfe von statistischen Verfahren. Die Vorhersehbarkeit von Spielen, die Leistungsstärke einer Mannschaft, der Effekt von Trainerwechseln, oder den „Bayern-Dusel“ – all das hat Heuer untersucht. Die Ergebnisse verblüffen.
Andreas Heuer, Sie sind Professor für Physikalische Chemie. Wie kamen Sie zum Fußball?
Grundsätzlich interessiere ich mich sehr für Statistik – und eben auch für den Fußball. Schon immer. Ich finde die Verbindung aus beidem sehr spannend und habe mich gefragt, wie man aus der Tabelle auch etwas über die unterschiedlichen Leistungsstärken lernen kann.
Ist es Zufall, dass der FC Bayern fast jedes Jahr Meister wird?
Die Kernfrage lautet dabei: Wie hängen Zufall und Systematik zusammen? Stellen Sie sich vor, dass Sie würfeln würden. Immer wenn Sie eine sechs Würfeln, bedeutet das ein Tor zu erzielen. Angenommen Bayern München spielt gegen Werder Bremen. Dann dürften beide Mannschaften unabhängig von einander würfeln. Der Unterschied ist jedoch, dass Bayern zehn Mal würfeln darf, und Bremen nur fünf Mal. Einfach weil Bayern die bessere Mannschaft ist. Natürlich könnte Bremen in fünf Versuchen mehr sechsen würfeln als Bayern. Aber es ist eben viel wahrscheinlicher, dass die Bayern mehr Tore erzielen würden.
Und wie genau kommt dabei die Statistik ins Spiel?
Die Kunst der statistischen Analyse besteht darin, die Zahlen wie „zehn“ und „fünf“ objektiv zu bestimmen, wenn man Wahrscheinlichkeiten über einzelne Spiele bestimmen will. Das betrifft vor allem die Leistungsstärke einer Mannschaft, die man versucht zu bestimmen. Bei dem Würfel-Beispiel wäre das dann die Häufigkeit, wie oft eine Mannschaft würfeln darf.
Wie genau funktioniert das?
Stellen Sie sich vor, man hat 17 Spieltage hinter sich und möchte nun die zweite Saisonhälfte prognostizieren. Die Basis dafür sind die Daten aus der ersten Saisonhälfte. Der Kernfrage lautet nun: Welche Größe enthält wie viele Informationen über die Leistungsstärke? Die Größen müssen möglichst aussagekräftig sein, um eine Prognose treffen zu können. In der Praxis hat sich gezeigt, dass nicht etwa Punkte oder das Torverhältnis die meisten Informationen liefern, sondern erstens die erspielten Chancen, beziehungsweise die zugelassenen Chancen des Gegners, und zweitens der Marktwert der Mannschaft. Ersteres hat mich zunächst auch überrascht. Denn Torchancen sind zwar das eine, doch man meint doch eigentlich, dass am Ende die Tore entscheidend sind.
Was genau ist dabei so überraschend?
Die Torchancen sind nur dann informativ bezüglich der tatsächlich geschossenen Tore, wenn der Faktor zwischen erspielten Chancen (Anmerkung: basierend auf den vom kicker-Sportmagazin angegebenen Werten) und Toren bei allen Teams sehr ähnlich ist. Alle bewegen sich bei 25 Prozent, plus/minus zwei Prozent.