Er sieht aus wie ein Rockstar und scheut keine Kontroversen. Bochums Trainer Gertjan Verbeek über den Trainerjob als Kreativberuf, richtiges Strafen und warum Deutschland aufpassen muss.
Gertjan Verbeek, waren Sie traurig, als kürzlich Lemmy Kilmister gestorben ist, der legendäre Bandleader von Motörhead?
Traurig ist übertrieben, weil Motörhead nicht ganz meine Musik ist. Mich hat aber fasziniert, dass er trotz seines Lebensstils mit all den Drogen und dem Alkohol 70 Jahre alt geworden ist.
Sie stehen angeblich eher auf Deep Purple, Doors, Scorpions, also das, was man heute Classic Rock nennt?
Ja.
Das meiste davon ist auf die eine oder andere Art auch Drogenmusik. Sind Sie ein Drogentyp?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe bis zum 30. Lebensjahr nicht einmal Alkohol getrunken, und Zigaretten waren sowieso nie ein Thema für mich. Ich versuche, meine Kreativität ohne Drogen zu entwickeln.
Fasziniert es Sie, wenn Musiker Drogen ausprobieren?
Nein. Letztlich verstehe ich das genauso wenig wie Doping.
Man könnte sagen: In beiden Fällen kommt man zu interessanten Ergebnissen.
Oder zu fragwürdigen. Neulich habe ich mir im Kino den Film über Amy Winehouse angeschaut, die an Drogen gestorben ist. Ich denke, dass solche Künstler einen ähnlichen Stress haben wie wir im Fußball, vielleicht ist er sogar noch um ein Vielfaches größer.
Sie stehen als Trainer auf gewisse Weise auch auf einer Bühne.
Stimmt. Wenn man Leute fragt, was sie glücklich macht, wissen die meisten darauf keine Antwort. Ich selber habe lange Zeit auch einfach nur das gemacht, was ich mache. Mal hatte ich dabei mehr, mal weniger Spaß. Erst vor 15 Jahren habe ich verstanden, worauf es für mich ankommt: Ich arbeite gerne kreativ, ich will etwas erschaffen. Vor jedem Training visualisiere ich, wie es ablaufen soll und was meine Spieler dabei lernen können. Bei mir ist auch keine Trainingseinheit wie die andere, ich denke mir jeden Tag etwas Neues aus – seit 30 Jahren. Aber es muss nicht immer Fußball sein.
Sie haben zu Hause in Holland eigenhändig eine Blockhütte im Wald gebaut.
Genau, ich habe den Bauplan gezeichnet und dann selbst gebaut. Das ist auch ein Ausdruck von Kreativität und macht mich glücklich. Unglücklich macht es mich dagegen, von Computern abhängig zu sein, oder nicht draußen sein zu können. Ich kann auch nicht stillsitzen, was für meine Freundin ganz schlimm ist.
Sie könnten sich also nicht hinsetzen und ein Buch schreiben?
Nein. Ich muss physisch agieren.
Dann hätte Rockmusiker gepasst.
Aber ich kann nicht singen.
Ach, das konnte Lemmy auch nicht.
Warum war er trotzdem so erfolgreich? Weil Lemmy Songs geschrieben und getextet hat und einen Sound geschaffen, der viele Leute gepackt hat. Ich habe großen Respekt vor dieser Kreativität.
Rockmusik war ursprünglich mal die Musik einer Rebellion gegen die Autoritäten. Sind Sie noch ein Rebell?
Ich habe nichts gegen natürliche Autorität. Dass die Polizei etwa bestehende Regeln durchsetzt, damit habe ich keine Probleme. Aber ein Polizist, der seine Autorität nur entlehnt hat, muss sich nicht wichtig tun.