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Shko­dran Mus­tafi, mögen Sie noch über die Welt­meis­ter­schaft spre­chen?
Natür­lich redet man gerne dar­über, was man gewonnen hat. Aber irgend­wann muss man im Kopf ein­fach mal Platz schaffen, um sich auf neue Auf­gaben kon­zen­trieren zu können.

Vielen Welt­meis­tern scheint genau das schwer zu fallen, wäh­rend Ihnen der Wechsel zum FC Valencia rei­bungslos gelungen ist. Sie sind sofort Stamm­spieler in einer Mann­schaft geworden, die auf dem Weg in die Cham­pions League ist. Warum sind Sie nicht ins WM-Loch gefallen?
Viel­leicht hatte ich ein­fach Glück. Ich habe mich in Bra­si­lien ver­letzt, und der Verein hat mir anschlie­ßend genü­gend Zeit gegeben, um mich aus­zu­ku­rieren und dann durch­zu­starten.

Das klingt fast so, als sei die Ver­let­zung ein Segen gewesen.
Nein, das war sogar sehr traurig. Aber wenn man Pech hat, macht der Verein gerade direkt nach einem Wechsel richtig Druck. Dann steigt man zu früh ein, hat die ganze Zeit im Kopf, eigent­lich nicht fit zu sein und kommt dann in eine Nega­tiv­spi­rale.

Wie gewöh­nungs­be­dürftig ist es für Sie noch, Welt­meister zu sein?
Ich frage mich oft: Wie wird es wohl sein, wenn ich erst mal rea­li­siere, dass ich Welt­meister bin? Werde ich damit umgehen können?

Sie wollen doch nicht behaupten, das wäre mehr als ein halbes Jahr danach noch nicht bei Ihnen ange­kommen?
Über­haupt noch nicht! Ich hatte ein­fach zu wenig Zeit, um mir dar­über Gedanken zu machen. Erst wurde ich ins Trai­nings­lager ein­ge­laden, dann nicht nomi­niert, dann nach­no­mi­niert, wurde gleich im ersten Spiel ein­ge­wech­selt, habe mich gegen Alge­rien ver­letzt. Anschlie­ßend gab es den Wechsel, den Umzug von Genua nach Valencia, es gab keine Pause.

Als Jogi Löw Sie am Tag der Abreise nach Bra­si­lien ange­rufen hat, um Ihnen zu sagen, dass Sie für Marco Reus nach­no­mi­niert sind, haben Sie sich da gefragt: Warum holt er denn den sechsten Innen­ver­tei­diger und keinen Offen­siven?
Nein, ich war auf dem Weg vom Auto­haus zu meinen Eltern und wusste in dem Moment nicht, was pas­siert. Habe ich den Anruf wirk­lich bekommen, oder ist das nur ein Traum?

Haben Sie gedacht, dass viel­leicht jemand einen Scherz mit Ihnen ver­sucht?
Nein, den Trainer habe ich schon zwei­fels­frei erkannt.

Stimmt es, dass Sie auf der Anreise zum Campo Bahia auf der Fähre gestanden, Bas­tian Schwein­steiger ange­schaut und gedacht haben: Krass, das ist ja wirk­lich Schweini?
Ja, zwei Jahre vorher habe ich noch beim Public Vie­wing zu Hause in Bebra vor der Lein­wand gestanden, und jetzt war ich plötz­lich Teil der Natio­nal­mann­schaft auf dem Weg ins WM-Camp. Da habe ich mich schon gefragt, was hier eigent­lich gerade pas­siert.

Klingt nach einem Traum­zu­stand.
Das kann man so sagen, und dieser Zustand hat bis lange nach der WM ange­halten. Es gibt noch ganz viele Löcher in der Erin­ne­rung, bei denen ich mich frage, wie das eigent­lich war.

Zur Erin­ne­rung: Sie standen im Ach­tel­fi­nale gegen Alge­rien sogar in der Startelf.
Wenn ich daran denke, bekomme ich eine Gän­se­haut.

Fanden Sie es nicht bedau­er­lich, sich dem Publikum nicht auf Ihrer besten Posi­tion zeigen zu dürfen?
Das ist mir egal. Wenn der Trainer meine Hilfe auf der rechten Außen­ver­tei­di­ger­po­si­tion und nicht als Innen­ver­tei­diger braucht, dann gebe ich, was ich kann.

Sie sind teil­weise aber stark kri­ti­siert worden. ZDF-Reporter Béla Réthy hat beim Alge­rien-Spiel gestöhnt, Sie seien völlig durch den Wind“.
So was lasse ich nicht an mich ran, von außen kann man einen Spieler sowieso ganz schlecht beur­teilen. Medien und Fans kennen meine Auf­gaben doch gar nicht. Der Bun­des­trainer war sich durchaus bewusst, dass ich kein Spieler bin, der als Rechts­ver­tei­diger ständig ins Dribb­ling geht und dabei noch ein paar Über­steiger machen wird. Für mich hat es als Bestä­ti­gung gereicht, dass er mich wieder hat spielen lassen. Außerdem bin ich erst 22 Jahre alt, und es gibt für mich noch so viel zu lernen.

Lernt es sich als Welt­meister leichter?
Einer­seits hat es mir schon geholfen, als Welt­meister zu einem neuen Klub zu kommen. Aber zugleich mache ich mir immer wieder bewusst, dass ich noch nicht aus­ge­lernt habe. Mir war es auch in Bra­si­lien wichtig, alles mit­zu­nehmen, was nur geht, und mir bei erfah­renen Spie­lern wie Klose, Lahm oder Mer­te­sa­cker etwas abzu­schauen und zu hören, worauf sie achten und was sie machen.

Was war der beste Tipp, den Sie bekommen haben?
Der kam nach der WM von Thomas Müller. Er hat gesagt: So, jetzt kann mir keiner was sagen, ich kann ein­fach das machen, was ich will.“ Ich glaube, er hat recht. Ich muss mir jetzt nicht mehr den Kopf zer­bre­chen, wenn ich einen Risi­ko­pass ver­bockt habe. Dann ist es eben so, und ich ver­suche es trotzdem das nächste Mal wieder.

Der Titel­ge­winn war der bis­he­rige Höhe­punkt eines ziem­lich unge­wöhn­li­chen Kar­rie­re­wegs von Deutsch­land über Eng­land, Ita­lien nach Spa­nien. Warum sind Sie mit 14 Jahren aus Bebra in Hessen aus­ge­rechnet ins Internat des Ham­burger SV gegangen?
Ich hatte 2007 zahl­reiche Ange­bote: Bayern, Schalke, Dort­mund oder Bremen waren alle dabei. Mein Vater und ich sind überall gewesen, haben uns das ange­guckt, und Ham­burg hat uns letzt­lich am meisten über­zeugt.

Ihr Vater hatte 2008 einen schweren Arbeits­un­fall, als er unter einem Kran ein­ge­klemmt worden ist und anschlie­ßend fünf Jahre lang nicht arbeiten konnte. Hatten Sie das Gefühl, es erst recht schaffen zu müssen, um Ihre Familie unter­stützen zu können?
Nein, der Druck kam nur von innen. Ich wollte kein Ver­sager sein, weil ich es nicht schaffe. Nach dem Unfall war es eher so, dass mir die Familie den Druck genommen hat, statt wel­chen auf­zu­bauen.

Ihr Vater hat früher sogar extra frei­be­ruf­lich bei einer Stahl­be­ton­firma gear­beitet, damit er mehr Zeit hatte, um Sie zum Fuß­ball zu fahren. Haben Sie sich dadurch in der Ver­ant­wor­tung gefühlt?
Für mich war ein­fach selbst­ver­ständ­lich, dass er mich zum Trai­ning oder zu den Spielen fährt. Als Kind denkt man dar­über nicht nach, was die Eltern alles machen. Außerdem ist mein Vater auf­grund des Alters­un­ter­schiedes eher wie ein großer Bruder.

Er war 17, als Sie zur Welt gekommen sind.
Ja, und ich bin wirk­lich froh, dass ich junge Eltern habe, die nicht in einer ganz anderen Welt leben.