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Pro­fessor Götze, Sie sind Experte für Daten­technik, und zwei Ihrer Kinder sind Fuß­ball­profis. Woher stammt das Talent?

Prof. Jürgen Götze: Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Wir waren immer eine sport­be­geis­terte Familie. Ich habe auch mal auf Viert­li­ga­ni­veau Tennis gespielt, meine Frau war eine gute Ski-Fah­rerin. Aber Fuß­ball war nur eine von vielen Sport­arten, die bei uns betrieben wurden.

Welche denn noch?

Prof. Jürgen Götze: Ich habe einige Zeit an ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­täten gear­beitet, in den USA treiben die Fami­lien je nach Jah­res­zeit unter­schied­liche Sport­arten. Wir haben fast alles mit­ge­macht: Base­ball, Tennis, Bas­ket­ball, Fuß­ball, Ski. Der Umgang mit dem Ball war auch immer da. Eigent­lich wollte ich meinen Jungs Tennis bei­bringen, ein biss­chen ist es mir auch gelungen. Aber als wir wie­der­kamen, lebten wir in Ronsberg im Allgäu. Da gab es nur zwei schöne Rasen­fuß­ball­plätze. 

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Mario talen­tierter ist als alle anderen?

Prof. Jürgen Götze: Ach, so was ent­wi­ckelt sich. Da meine Frau und ich selbst Sport treiben, haben wir natür­lich gesehen, dass die Jungs das gut annehmen, und eine logi­sche Folge daraus war, dass sie immer mehr Zeit darin inves­tierten. Als wir dann nach Dort­mund zogen, haben sie anfäng­lich par­allel auch noch Tennis gespielt. Aber als dann BVB erst den Fabian und kurz darauf Mario haben wollte, war natür­lich klar, dass sie offenbar ganz gut sind.

Ahnten Sie schon, dass da mehr draus werden kann?

Prof. Jürgen Götze: Nein, in diesen jungen Jahren schaffen viele den Sprung. Dass Mario und Fabian das Zeug hatten, Profis zu werden, fiel mir erst auf, als sie mit 15 Jahren immer wieder zu den Junioren-Natio­nal­mann­schaften ein­ge­laden wurden.

Ein gott­ge­ge­benes Talent“ – Mario Götze im Inter­view #1 »

Das heißt, Sie haben das Talent zu keinem Zeit­punkt beson­ders geför­dert.

Prof. Jürgen Götze: Nein, nur unter­stützt, etwa mit den regel­mä­ßigen Fahrten zum Trai­ning und den Spielen. Ansonsten haben das die Jungs ganz von alleine gemacht. Das finde ich auch das Schöne: Dass es ihnen stets gelungen ist, das Ganze als Sport zu ver­stehen und sich das Spie­le­ri­sche daran zu erhalten. Und je höher das Niveau wurde, desto mehr Spaß macht es ihnen offenbar.

Wenn Mario statt des Fuß­balls großen Spaß am, sagen wir, Posau­ne­spielen gehabt hätte, wäre Ihnen das auch recht gewesen?

Prof. Jürgen Götze: Das mit der Posaune hätte mich gewun­dert, aber zum Bei­spiel hat er immer viel Spaß am Zeichnen gehabt. Wenn er das hätte aus­bauen wollen, warum nicht?

Wie gut zeichnet Mario denn?

Prof. Jürgen Götze: Als er sich nach der elften Klasse ent­scheiden musste, welche Leis­tungs­kurse er nimmt, stand auch Kunst im Raum. Letzt­lich hat er sich dann aber für Mathe und Sport anstatt Kunst ent­schieden.

Mario hat nach dem Fach­ab­itur die Schule abge­bro­chen. Sie sollen gesagt haben: Der Junge war nicht mehr an der Schule zu halten.“

Prof. Jürgen Götze: Das habe ich so sicher nicht gesagt, wenn wir das um jeden Preis gewollt hätten, dann hätte er das Abi auch durch­ge­zogen. Sein Bruder hat es ja auch gemacht. Wir wohnen direkt in Dort­mund, das Trai­ning hat für die Jungs in den Junio­ren­teams des BvB des­halb nie so einen extremen Zusatz­auf­wand bedeutet. Trotzdem war er bei den U‑17-Tur­nieren auch mal vier Wochen aus der Schule, so dass das Nach­ar­beiten schon stressig war. Als dann Mario schon in der vor­letzten Saison einige Ein­sätze bei den Profis bekam, wurde es immer zeit­in­ten­siver. Ein Junge in dem Alter braucht auch Erho­lungs­zeit. Als er das Fachabi geschafft hatte, haben wir uns geei­nigt, dass er mit der Schule auf­hören darf.

Mit einem unguten Gefühl?

Prof. Jürgen Götze: Ich habe schon gesagt: Komm, das eine Jahr geht doch noch.“ Aber es war okay. Wenn er das Fachabi nicht gemacht hätte, wäre ich aller­dings schon sehr dagegen gewesen. Auf­grund meiner Tätig­keit an der Uni­ver­sität aber weiß ich, dass er über den Umweg eines Prak­ti­kums immer noch die Chance hat – im Fall eines Falles – zu stu­dieren und auch von der Fach­hoch­schule zur Uni zu gehen. Er hat sich durch diese Ent­schei­dung jeden­falls nichts Gra­vie­rendes ver­baut.

Zumal er nun ein erfolg­rei­cher Profi ist.

Prof. Jürgen Götze: Was immer sein großes Ziel war. Und ich hoffe natür­lich, dass er noch 12, 13, 14 Jahre Fuß­ball spielen kann. Und wenn nicht, kann er immer noch die Fach­hoch­schule besu­chen.

Hatte der BVB in der Frage, die Schule abzu­bre­chen, ein Mit­spra­che­recht?

Prof. Jürgen Götze: Nein, das haben wir zuhause ent­schieden. Das Ein­zige, was wir in dem Zusam­men­hang mit dem Klub bespro­chen haben, war, dass er dort die Mög­lich­keit erhält, ein stu­di­en­ori­en­tiertes Prak­tikum zu machen. Aber als er ab Beginn der neuen Saison einen Stamm­platz hatte, kam es gar nicht mehr dazu.

Ehe­ma­lige Trainer sagen, Mario sei ein intro­ver­tierter Typ, der klare Vor­stel­lungen hat. Was war er für ein Kind?

Prof. Jürgen Götze: Er war immer sehr bewe­gungs­freudig, aber zwei­fellos ist er eher der über­legte und sen­sible Typ. Jeden­falls kein Junge, der in irgend­einer Form auf­brau­send oder unbe­re­chenbar war.

Hat sich das Leben im Hause Götze ver­än­dert, seit Mario über Nacht zum größten Talent des deut­schen Fuß­balls wurde?

Prof. Jürgen Götze: Beim Abend­brot haben sich die Gespräche nicht groß­artig ver­än­dert. Es geht ja schon lange viel um Fuß­ball bei uns, auch unser jüngster Sohn Felix spielt inzwi­schen beim BVB.

Das Medi­en­in­ter­esse spe­ziell an Mario hat aber extrem zuge­nommen. Hatten Sie zwi­schen­durch mal das Gefühl, dass es für ihn zu viel wird?

Prof. Jürgen Götze: Eigent­lich nicht. Aber ich fand es eine gute Idee, dass es in Absprache mit dem Verein im ersten halben Jahr eine Medi­en­sperre für ihn gab. Das hat ihn schon ent­lastet. Der Verein hat ihn bewusst aus der Schuss­linie genommen, und offenbar fand auch Mario es ganz gut, dass es da diese Schutz­mauer gibt.

Keine Zeit zum Durch­drehen“ – Mario Götze im Inter­view #2 »

Vor der zurück­lie­genden Spiel­zeit war Mario immer wieder ver­letzt, teil­weise auch über Monate. Wie geht er mit Frust­mo­menten um?

Prof. Jürgen Götze: Wir reden schon dar­über, wenn es ihm nicht gut geht. Meine Ein­stel­lung dazu: Ist pas­siert, ein­fach wei­ter­ma­chen.“ Ich wollte den Jungs immer ver­mit­teln, dass sie nicht anfangen dar­über nach­zu­grü­beln, was pas­siert, wenn sie nicht trai­nieren können. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. Mario ist kein grüb­le­ri­scher Typ. Er hat län­gere Ver­let­zungs­pausen bis­lang auch immer gut kom­pen­siert. Er wurde gleich wieder zu den Junioren-Natio­nal­mann­schaften ein­ge­laden. 

Sein großer Bruder Fabian hat beim FSV Mainz eher eine durch­wach­sene Saison erlebt, Mario ist total durch­ge­startet. Wie kam das zuhause an?

Prof. Jürgen Götze: Mit Fabian rede ich öfter über den Erfolg von Mario. Er sagt schon mal: Er is schon’n Guter!“ Ich glaube, Fabian erkennt den Erfolg seines Bruder voll und ganz an. Er kennt das ja schon lange. Mario hat, obwohl er zwei Jahre jünger ist, immer in den Teams von Fabian gespielt. Er hatte stets dieses gewisse Etwas auf dem Platz. Und Fabian hat in Mainz viel Pech gehabt. Erst hat er sich nach sechs Wochen bei den Profis einen Husten ein­ge­fangen und anschlie­ßend an der Schulter ver­letzt – und schon war er ein halbes Jahr außer Gefecht. Aber so ist der Fuß­ball nun mal. Jetzt spielt er beim VfL Bochum und wohnt nur 200 Meter von unserem Haus ent­fernt. Ich glaube, es tut ihm und uns ganz gut, dass er wieder näher bei der Familie ist.

Warum ist Fabian nicht wieder bei Ihnen ein­ge­zogen?

Prof. Jürgen Götze: Weil er jetzt schon ein­ein­halb Jahre nicht mehr zuhause lebt. Und außerdem hat Mario sich bei uns auch ziem­lich aus­ge­breitet.

Hat er sich einen eigenen Fit­ness­be­reich ein­ge­richtet?

Prof. Jürgen Götze: Nein, wir haben ein Rei­hen­end­haus, und Mario hat nun im Ober­ge­schoss eine Art Studio bezogen. Das sind 44 Qua­drat­meter mit sepe­ratem Bade­zimmer und Balkon. Da war vorher Fabian drin, und jetzt hat Mario es über­nommen.

Dass ein Vater stolz ist, der weiß, dass einer seiner Söhne als das größte deut­sche Nach­wuchs­ta­lent gilt, ver­steht sich von selbst. Aber macht es Ihnen auch Angst?

Prof. Jürgen Götze: Mehr als es mich stolz macht. Allein, wenn ich an die Erwar­tungen denke. Dabei wird es schon schwer genug, über­haupt wieder an das Niveau der ver­gan­genen Saison her­an­zu­kommen. Als ich 20 Jahre alt war, wollte ich auch Ten­nis­profi werden, heute bin ich fünfzig und kann guten Gewis­sens sagen, dass mir mein Leben an der Hoch­schule auch viel Spaß macht. Des­wegen kann ich mir auch immer noch ein anderes Leben für ihn vor­stellen, wenn er großes Ver­let­zungs­pech hätte. Ich denke immer nur in Vier­tel­jah­resspannen, weil ich weiß, wie schnell es im Pro­fi­sport vorbei sein kann. Aber Gott sei Dank läuft es gerade ja.

Was sagt denn Ihre Frau?

Prof. Jürgen Götze: Sie sieht das ganz ent­spannt. Wir ver­su­chen Mario zu ver­mit­teln, dass er ein­fach so wei­ter­lebt wie bisher, als wenn es den ganzen Rummel gar nicht gäbe.

Gibt es den­noch einen Moment, in dem auch Ihnen bewusst wurde, was für ein ein­zig­ar­tiger Fuß­baller Mario ist?

Prof. Jürgen Götze: Solche Augen­blicke kenne ich seit der E‑Jugend. Damals war ich bei dem Team, in dem die Jungs spielten, auch eine Zeit­lang Co-Trainer. Aber wenn Sie mich so fragen: In der A‑Jugend habe ich wirk­lich mal gedacht, das es nicht wahr sein kann, was der Mario da macht.

Erzählen Sie.

Prof. Jürgen Götze: Die A‑Jugend des BVB spielte gegen den VfL Bochum. Mario saß in der ersten Halb­zeit auf der Bank, weil er län­gere Zeit ver­letzt gewesen war. Vom Alter her war er sogar noch B‑Jugendlicher. Die Bochumer führten zur Halb­zeit, und Trainer Peter Hyballa wech­selte ihn ein. Und was macht er: Schießt zwei Tore und bereitet das dritte Tor vor. Der BVB gewann 4:3. Hin­terher habe ich Mario gefragt, wie er das hin­ge­kriegt hat. Da sagte er: Ich habe dem Trainer gesagt, ich sei fit, aber er hat mich nicht von Anfang an spielen lassen. Da wollte ich dem mal zeigen, was ich kann.“