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Mit­glieder treten aus, Gewerk­schafts­führer und Poli­tiker üben scharfe Kritik: PR-tech­nisch birgt das Trai­nings­lager des FC Bayern Mün­chen in Katar reich­lich Zünd­stoff. Doch der Verein ver­tei­digt die Reise: Nur durch Prä­senz vor Ort könne man auf Miss­stände auf­merksam machen. Diesen Worten müssen aber auch Taten folgen, sagt Jürgen Mittag von der Deut­schen Sport­hoch­schule Köln. Im Gespräch erklärt der Experte für Sport­po­litik, wie der Wüs­ten­staat von den Bayern pro­fi­tiert – und warnt vor vor­schneller Kritik.

Jürgen Mittag, ein Trai­nings­lager in Katar ist keine poli­ti­sche Äuße­rung, sagt Karl-Heinz Rum­me­nigge. Getreu der Ansicht der Hoo­lig­an­band Kate­gorie C“, die einst sang: Fuß­ball ist Fuß­ball und Politik bleibt Politik“. Ist es so ein­fach?
Nein, das ist es offen­kundig nicht. Der FC Bayern ver­folgt als Fuß­ball­verein öko­no­mi­sche Inter­essen, die auch zu einer Stei­ge­rung der öffent­li­chen Wahr­neh­mung geführt haben. Katar beab­sich­tigt hin­gegen mit der Marke FC Bayern sein Image auf­zu­bes­sern. Diese beiden Inter­essen sind nicht von­ein­ander zu trennen. Rum­me­nigge kann sich also schwer­lich zurück­ziehen auf eine rein sport­liche Per­spek­tive dieser Reise.

Welche gesell­schaft­liche Ver­ant­wor­tung hat denn ein Sport­verein wie der FC Bayern Mün­chen?
Ein derart im Ram­pen­licht ste­hender Verein wie der FC Bayern kann sich von einer gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung nicht frei­spre­chen. Er sollte bestimmte Werte ver­kör­pern und zu diesen stehen. Grund­sätz­lich stehen in der öffent­li­chen Debatte zwei Extrem­po­si­tionen gegen­über. Die einen ziehen sich auf die Sicht­weise Sport ist Sport“ zurück; die anderen behaupten, Sport ist in jeder Hin­sicht poli­tisch“. Ich plä­diere dafür, von diesem schwarz-weiß-Denken weg­zu­kommen. Es ist not­wendig, beide Per­spek­tiven in den Blick zu nehmen und Zwi­schen­wege zu suchen, mit denen alle Betei­ligten leben können. Schließ­lich kann man nicht ver­langen, dass ein Wirt­schafts­un­ter­nehmen wie der FC Bayern seine finan­zi­ellen Inter­essen völlig außer Acht lässt. Gleich­zeitig sollte der Verein aber auch bei poli­ti­schen Fragen eine gewisse Sen­si­bi­lität an den Tag legen.

Politik scheint aber für die Bayern-Spieler in diesem Fall keine Rolle zu spielen. Philipp Lahm sagt, die Mann­schaft habe sich nach einer team­in­ternen Bespre­chung für eine Reise ins Emirat aus­ge­spro­chen – wegen der exzel­lenten Bedin­gungen vor Ort und der Über­zeu­gung, dass ein Boy­kott des Trai­nings­la­gers eine fal­sche Bot­schaft wäre. Wie bewerten Sie diese Hal­tung?
In dieser Aus­sage steckt eine gewisse Ambi­va­lenz. Philipp Lahm hat sicher­lich Recht mit der Ein­schät­zung, dass eine kri­ti­sche Auf­merk­sam­keit durch Prä­senz vor Ort gestei­gert werden kann und so eher Druck hin­sicht­lich poten­zi­eller Ver­än­de­rungen aus­geübt werden kann. Lahm lässt sich in den Medien im Übrigen aber auch mit dem Satz zitieren, dass die Mann­schaft nicht die Augen ver­schließt vor der Situa­tion in Katar. Aus sol­chen Aus­sagen müssen dann aber auch Kon­se­quenzen erwachsen, in dem vor Ort Miss­stände ange­spro­chen werden und zumin­dest sym­bo­li­sche Akti­vi­täten ange­stoßen werden, die die Situa­tion in dem Land ver­än­dern könnten.

Werden die Ver­eine denn aktiv?
Noch vor fünf bis zehn Jahren war der Sport weit­ge­hend blind für die poli­ti­schen Rah­men­be­din­gungen in auto­ritär regierten Län­dern. Das wan­delt sich jetzt langsam. Eine wach­sende Sen­si­bi­lität und Bemü­hungen, den poli­ti­schen Rah­men­be­din­gungen Rech­nung zu tragen, sind in Ansätzen erkennbar, aber Sport­ver­eine tun sich damit oft noch schwer. Bis­lang hat sich der deut­sche Fuß­ball nicht als Vor­reiter in dieser Ent­wick­lung prä­sen­tiert.

Um in Ihrem Bild zu bleiben: Was für ein Land sehen die Bayern-Akteure auf ihrer Reise, wenn Sie auf dem poli­ti­schen Auge nicht blind sind?
Katar ist ein stark auto­ri­täres Regime, das in Fragen von Men­schen­rechten oder Demo­kra­ti­sie­rungs­ten­denzen nicht mit unseren west­li­chen Maß­stäben gemessen werden kann. Öko­no­misch und auch gesell­schafts­po­li­tisch befindet sich der Staat im Wandel. Seit knapp einem Jahr­zehnt werden enorme Summen in den Sport gepumpt, Hun­derte Sport­groß­ereig­nisse akqui­riert, in Sport­stätten und die eigenen Sportler inves­tiert. Katar möchte so die Trans­for­ma­tion von einer Roh­stoff- zur Sport­na­tion schaffen. Im Zuge dieser Stra­tegie bedarf es posi­tiver öffent­li­cher Wahr­neh­mung. Mit der Begleit­erschei­nung, dass die gesell­schaft­li­chen Zustände in dem Land expo­niert und hin­ter­fragt werden. Wie im Fall der Arbeits­be­din­gungen für Gast­ar­beiter auf den Bau­stellen für die Fuß­ball-WM 2022, die sich nach sanftem Druck der FIFA zumin­dest etwas ver­bes­sert haben. Katar kann sich sol­cher Kritik von außen nicht ver­schließen – im Gegen­teil, es lassen sich zart sprie­ßende Pflänz­chen der Bes­se­rung erkennen.