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Herr Floss­bach, Sie sind Alles­fahrer, wenn der FC Schalke 04 aus­wärts in Europa spielt. Wäh­rend andere Men­schen in Ihrem Alter bes­ten­falls im Senio­ren­heim auf die Zie­hung der Bin­go­zahlen warten, fie­bern Sie der Cham­pions League Aus­lo­sung in Monaco ent­gegen. Krib­belt es schon?
Na klar. Es krib­belt schon seit dem Augen­blick, als klar war, dass Schalke wieder Cham­pions League spielt. Für mich war es eine Kata­strophe, als die Jungs in der Saison 2016/17 die Quali ver­passten und ich nicht durch Europa reisen konnte. Ich bin ja in einem Alter, in dem man keine Bau­spar­ver­träge mehr abschließt. Mit Schalke in andere Länder zu reisen sind die letzten Aben­teuer meines Lebens. Es klingt paradox, aber zu den Heim­spielen gehe ich nicht mehr, obwohl ich in Gel­sen­kir­chen lebe. Durch die jah­re­lange Arbeit unter Tage bekomme ich schlecht Luft und dazu sind meine Kno­chen am Arsch. Die vielen Treppen im Sta­dion packe ich nicht mehr, und nur für Reisen durch Europa nehme ich diese Anstren­gung noch auf mich. Als wir unter Trainer Markus Wein­zierl nur Zehnter wurden, dachte ich mir: Du musst dieses eine Jahr jetzt über­leben, sonst siehst du Schalke viel­leicht nie mehr live in Europa spielen. Und jetzt geht es end­lich wieder los.

Wenn Sie es sich aus­su­chen könnten: Wohin soll die Reise für Sie und Schalke in der Grup­pen­phase gehen?
In die Ukraine zu Schachtar Donezk, nach Russ­land zu Loko­mo­tive Moskau, und nach Ita­lien, wo jedem Schalker die Freu­den­tränen kommen, wenn er an Inter Mai­land, den UEFA-Cup-Sieg 1997 und das sagen­hafte 5:2 denkt, als wir den dama­ligen Cham­pions League Sieger Inter Mai­land 2011 im San Siro Sta­dion weg­ge­fegt haben. Auf Moskau hoffe ich, weil ich Jef­ferson Farfan und Bene­dikt Höwedes gerne noch einmal zusam­men­spielen sehen möchte. Und Donezk ist immer mein Wunschlos.

Warum wün­schen Sie sich aus­ge­rechnet eine Fahrt in die Ukraine, wo in Teilen des Landes Kriegs­zu­stand herrscht und in Donezk des­halb gar kein Spiel aus­ge­tragen wird?
Krieg und lebens­ge­fähr­liche Reisen sind leider kein Neu­land für mich. Meine erste Aus­wärts­fahrt nach Donezk begann 1945 und war nicht wirk­lich geplant. Kurz vor Ende des Zweiten Welt­kriegs bin ich völlig sinnlos ein­ge­zogen worden und fand mich nach einer kurzen Grund­aus­bil­dung mit einem Gewehr in der Hand in der Tsche­cho­slo­wakei wieder. Bevor ich über­haupt einen Schuss abgeben konnte, wurde ich schon vom Russen ein­kas­siert. Da war ich 16 Jahre jung. Dass ich nie auf einen Men­schen schießen musste, emp­finde ich heute als mein größtes Glück. Über Lviv und Kiew bin ich damals in Donezk gelandet, wo ich in Kriegs­ge­fan­gen­schaft bei Minus­graden von bis zu 30 Grad fünf Jahre im Bergbau arbei­tete. Viele Kol­legen haben das nicht gepackt, und ihre Lei­chen haben wir vor dem Lager gesta­pelt, weil wir mit der Spitz­hacke nicht in die gefro­rene Erde kamen um sie zu beer­digen. Als das Lager später auf­ge­löst wurde, habe ich für die Rück­reise nach Gel­sen­kir­chen zu Fuß, mit dem Pfer­de­wagen und Bum­mel­zügen rund vier Monate gebraucht. Wenn ich die Ver­ant­wort­li­chen deut­scher Pro­fi­ver­eine heute von einer beschwer­li­chen Anreise mit einem Flug­zeug und Über­nach­tung im Hotel erzählen höre, dann frage ich mich: Wovon reden die über­haupt?