Was läuft falsch bei Schalke 04? Drei langjährige Fans hatten für das Bundesliga-Sonderheft ihren Kapitän Benedikt Höwedes ins Kreuzverhör genommen. Entstanden ist ein Interview, das besonders in der Retrospektive interessant wird.
Zum Einstieg: Benedikt Höwedes, welche positiven und negativen Erinnerungen haben Sie an die vergangene Saison?
Detlef Aghte: So viele positive gab es ja nicht.
Höwedes: Das sehe ich etwas anders. Es waren schon einige gute Spiele dabei und auch viele durchschnittliche, die wir leider nicht gewonnen haben. In den Jahren zuvor haben wir diese Partien häufig für uns entschieden, meist durch Einzelaktionen von Spielern wie zum Beispiel Leroy Sané. Dazu darf man nicht vergessen, dass wir in den ersten fünf Spielen null Punkte geholt haben. Wir waren von Anfang an unter Druck, diesen Fehlstart zu kompensieren. Dadurch hat uns auch das Selbstvertrauen gefehlt, das im Fußball enorm wichtig ist.
Detlef: Nach diesen fünf Pleiten zu Beginn gab es allerdings eine Serie von zwölf ungeschlagenen Spielen. In dieser Phase hätte das Selbstvertrauen doch zurück sein müssen.
Höwedes: Da gebe ich dir vollkommen recht. Nur spielen wir dann eigentlich mit breiter Brust in Leipzig, liegen durch eine Schwalbe in Rückstand und müssen wieder hinterherrennen. Hinzu kamen viele Verletzte und unzählige einfache Fehler in den Spielen. Und plötzlich gerätst du wieder in einen Negativlauf, den man nicht wirklich erklären kann. Bei Mannschaften wie Hoffenheim oder Leipzig lief es genau umgekehrt: Sie haben von ihrem Selbstvertrauen und ihrem gelungenem Start das gesamte Jahr über profitiert. Für mich war unser Heimspiel gegen Leverkusen symptomatisch …
Janek Sander: … in dem ihr wegen einer Roten Karte nach zehn Minuten nur noch zu zehnt wart.
Höwedes: Richtig. Genau da liefern wir eines unserer besten Saisonspiele ab und nageln Leverkusen quasi an die Wand. Wir haben eine Unmenge an Torchancen, doch treffen einfach nicht. Dann bekommen wir in der letzten Minute das 0:1 – und aus. Solche Partien ziehen dich vom Kopf her total runter. Ein anderes Beispiel ist unser Auftritt zu Hause gegen Ajax. Da herrschte hier 110 Minuten komplette Ekstase. Plötzlich bekommen wir so ein Eiertor rein und stehen mit leeren Händen da.
Detlef: Beim Hinspiel in Amsterdam ging Schalke unter. Du sagtest, dass schon beim Aufwärmen kein Zug in der Truppe gewesen sei.
Höwedes: Wir waren nicht richtig bereit, da hat nichts gepasst. Das ging mir schon beim Aufwärmen tierisch gegen den Strich, weil wir als Fußballer doch für solche Spiele leben. Ich habe in der Kabine versucht, die Jungs wachzurütteln. Doch es war ein Teufelskreis, aus dem wir nicht mehr herauskamen. Wir hatten an diesem Tag zu wenig Spieler, die sich gewehrt haben.
Astrid Erlebach: Was machst du nach so einem Auftritt?
Höwedes: Ich war nach dem Abpfiff schon sehr sauer und wurde laut in der Kabine. Danach ging ich mit hochrotem Kopf in die Mixed Zone und musste mich in den Interviews beherrschen. Aber ich kann euch sagen, dass ich mit einem richtigen Scheißgefühl nach Hause gefahren bin. Nur drei Tage später stand das nächste Spiel an. Bei der Doppelbelastung bleibt kaum Zeit zum Aufarbeiten, nicht mal nach so einem Grottenkick.
Janek: Du bist Kapitän. Kannst du nicht auf deine Mitspieler einwirken?
Höwedes: Ich habe versucht, einige Mitspieler aufzubauen und andere härter anzusprechen. Einer braucht Streicheleinheiten, ein anderer die Peitsche. Nur: Ich kann den Jungs keine Gehirnwäsche verpassen. Ein oder zwei Spieler kann man auffangen, aber nicht sieben oder acht, wie an diesem Tag in Amsterdam.
Janek: Was kann ein Trainer in so einem Fall tun?
Höwedes: Natürlich kann er auf die Mannschaft einwirken. Doch die Trainer sind letztlich abhängig von den Spielern. Konkret auf uns bezogen, muss man auch ehrlich sagen, dass wir die taktischen Maßgaben von Markus Weinzierl nicht immer vernünftig umgesetzt haben. In diesem Punkt müssen wir uns alle hinterfragen.