In Manchester überklebten Fans und Anwohner die rassistischen Beleidigungen, die auf einem Wandbild von Marcus Rashford hinterlassen wurden. Ein Vorfall, der die gesellschaftliche Spaltung Englands verdeutlicht.
Da ist zum einen das politische Kalkül der konservativen Tory-Regierung. Die, so glaubt der Regisseur Ken Loach, setze den Hunger als Drohmittel gegen arme Familien ein, sodass diese in den Niedriglohnsektor gezwungen werden, wo es weder Kündigungsschutz noch andere soziale Absicherungen gibt. Da ist zum anderen das Problem des Rassismus innerhalb der britischen Gesellschaft, denn die Anfeindungen nach dem verlorenen EM-Finale waren kein Einzelfall. Eine Analyse des Sportwetten-Anbieters Pickwise ergab, dass Rashford hinter dem NBA-Basketballer LeBron James der in den sozialen Netzwerken am zweithäufigsten beleidigte Sportler der Welt ist. Und dann ist da das Fußballgeschäft. In Rashfords Leben ist es durch das Old Trafford verkörpert. Und auch wenn der Fußball dem Jungen aus Manchester einen Ausweg aus der Armut bot, so sind es die Vereine und Verbände, die sich nicht genug für gesellschaftliche Missstände einsetzen und stattdessen lieber kommerzielle Interessen verfolgen. So beantragten etwa der FC Liverpool und Tottenham Hotspur Corona-Hilfen für ihre Mitarbeiter, während sie mit den eigenen Spielern über einen Gehaltsverzicht debattieren und gleichzeitig Rekordumsätze vermeldeten. In England sollte eine Ligareform zur Etablierung der Machtverhältnisse der großen fünf Vereine durchgesetzt werden, es folgten die Pläne zur europäischen Super League. Erst durch Proteste der kleineren Vereine und der Fans konnten die Pläne schließlich abgewendet werden.
Marcus Rashford kennt beide Welten. Den kleinen Vorort, in dem er als dunkelhäutiges Kind selbst auf Essensmarken angewiesen war, ganz weit weg vom großen Geschäft des Fußballs. Seit 2016, als er von der U18 von Manchester United zu den Profis wechselte, kennt er auch die Welt des Fußballgeschäfts, in der es um viel Geld geht und er als Sportler ständig öffentlich bewertet wird. Dabei ist er sich seiner verschiedenen Rollen bewusst und zeigt sich mit seinen Leistungen auf dem Platz auch selbstkritisch. Nach dem verlorenen Finale schrieb er auf Twitter: „Ich kann den ganzen Tag Kritik an meiner Leistung vertragen, mein Elfmeter war nicht gut genug, er hätte reingehen sollen, aber ich werde mich nie dafür entschuldigen, wer ich bin und woher ich komme.“ Doch trotz seines Aufstiegs zum Fußballstar haben sich die Themen, die ihn in seinem Leben beschäftigen, nicht verändert. Es geht immer noch um Armut und Rassismus. Tommy Judge, der Bürgermeister von Manchester, sagte über Rashford folgendes: „Ich bin 42 Jahre älter als er, aber von diesem jungen Mann kann ich etwas lernen.“