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Ricardo Qua­resma sieht aus wie ein fieser Typ. Und das ist er auch. Elf Platz­ver­weise und 106 gelbe Karten sam­melte der Por­tu­giese in seiner Kar­riere bis­lang. Die zwei unter seinem rechten Auge täto­wierten Tränen trägt er nicht umsonst, auch wenn er wohl noch an keinem Gang-Mord betei­ligt war.

Aber Ricardo Qua­resma ist auch einer der zau­ber­haf­testen Tech­niker seiner Gene­ra­tion. Einer, der mit dem Außen­rist Tore schießt, für die vielen Men­schen nicht einmal ihre Fan­tasie reicht. Der per Rabona Flanken schlägt, die genauer kommen als im Foot­bo­nauten.

Qua­resmas Spiel ist eine Grat­wan­de­rung. Seine Kar­riere, sein ganzes Leben ist eine. Wenn ich glück­lich bin, fürchte ich nichts“, sagte er mal. Leider war er nicht oft genug glück­lich. 

Ein Spieler wie ein Ford Mus­tang

In Por­tugal galt er um die Jahr­tau­send­wende als größtes Talent neben Cris­tiano Ronaldo. Doch als Ronaldo 2008 seinen ersten Ballon d’Or gewann, reichte es für Qua­resma nur zur Bidone d’Oro, der Gol­denen Müll­tonne für den schlech­testen Spieler der Serie A. 

In Por­tugal ver­lieh man ihm den Spitz­namen Mus­tang“. Unzähmbar wie die wild lebenden Pferde Nord­ame­rikas, und auch ihm wurde ein hart­nä­ckiger und unab­hän­giger Cha­rakter nach­ge­sagt. Aber Ricardo And­rade Qua­resma Ber­nardo ist wie ein Ford Mus­tang, dieses iko­ni­sche Pony-Car des US-Auto­her­stel­lers: bra­chial, wun­der­schön, ziem­lich prollig und auch ziem­lich geil.

Bei Porto und Bes­iktas, den beiden Klubs, die er laut eigener Aus­sage mit ins Grab nehmen“ werde, wurde er so zum Helden. Mit wenig Defen­siv­auf­gaben, viel Frei­heit auf dem Flügel und der mit Abstand besten Technik auf dem Platz. Wobei letz­teres an guten Tagen immer auf ihn zutrifft. Bei den ganz großen Ver­einen, neben den ganz großen Stars, funk­tio­nierte es hin­gegen nie. Weder in Bar­ce­lona, noch in Mai­land oder London. 

In der Elite des euro­päi­schen Spit­zen­fuß­balls schien kein Platz für ihn zu sein. Viel­leicht war für den Frei­geist Ricardo Qua­resma über­haupt nie genug Platz im Pro­fi­fuß­ball. Rebellen wie er gehören in einen Ford Mus­tang auf einem Highway im US-ame­ri­ka­ni­schen Nie­mands­land. Oder auf den Bolz­platz.

Aber was hätte er denn anderes werden sollen? Er konnte doch so unglaub­lich gut spielen. Ich liebe den Fuß­ball ein­fach“, sagt er. Und wenn man Ricardo Qua­resma an einem guten Tag spielen sieht, scheint es nie eine auf­rich­ti­gere Liebe gegeben zu haben. Dann strei­chelt er den Ball mit dem Außen­rist, weicht ihm nicht von der Seite und ver­zau­bert ihn mit seinem per­fekten First Touch.

Wenn alles funk­tio­niert, ist alles gut. Wenn nicht, rastet er in unschöner Regel­mä­ßig­keit aus. Vor einer Woche sperrte ihn der Ver­band für fünf Spiele. Im Pokal­halb­fi­nale hatte er zwei Gegner nie­der­ge­schlagen. Wenn es läuft, scheint alles an Qua­resma so leicht, wie die Feder, die er sich zur EM 2016 auf den Kopf rasieren ließ. Lief es mal nicht, uri­nierte er in Bes­iktas’ Kabine, prä­sen­tierte Ver­eins­mit­ar­bei­te­rinnen seine Geni­ta­lien oder ver­prü­gelte einen Poli­zisten.

Genie und Wahn­sinn

Trotz aller Schwan­kungen und Skan­dale hat er in seiner bis­he­rigen Kar­riere sieben Meis­ter­titel, die Cham­pions League und die Euro­pa­meis­ter­schaft 2016 gewonnen. Doch einen wie ihn sollte man viel­leicht gar nicht an Titeln messen. Man sollte keine gebro­chenen Ver­spre­chen, nicht den Hype seiner frühen Jahre oder die Ronaldo-Ver­gleiche her­an­ziehen, um Qua­resma zu ver­stehen. Wahr­schein­lich sollte man über­haupt nicht ver­su­chen, ihn zu ver­stehen. 

Was bleibt von dieser Grat­wan­de­rung, diesem scheinbar unauf­lös­baren Wider­spruch in Person, ist eine Kar­riere mit weniger Abs als Aufs, eine Geschichte von Liebe und Hass, eine untrenn­bare Kom­bi­na­tion von Genie und Wahn­sinn. Doch mit 34 Jahren spielt der tra­gi­sche Held Qua­resma immer noch Cham­pions League. Erfüllt er seinen Ver­trag, könnte er noch mit 36 für den amtie­renden tür­ki­schen Meister auf­laufen. 

Ich bin hier glück­lich. Meine Familie und ich lieben Istanbul sehr. Die Liebe, die ich hier von den Fans erhalte, habe ich bei keinem anderen Klub gespürt“, erklärte Ricardo Qua­resma im Januar. Und fast könnte man meinen, er habe end­lich die Balance gefunden. Denn wenn er glück­lich ist, fürchtet er sich vor nichts.