Newcastle United soll an eine Investorengruppe verkauft werden, an deren Spitze der saudische Kronprinz bin Salman steht. Nun meldet sich ausgerechnet Nachbarstaat Katar zu Wort und die Magpies werden zum Spielball zweier autoritärer Regime.
Nach Jahren im Niemandsland des englischen Fußballs, sollten die schwierigen Zeiten in Newcastle eigentlich vorbei sein. Die Anhänger freuten sich schon auf ein Ende der Ashley-Ära, als bekannt wurde, dass der unbeliebte Eigentümer nach 13 Jahren endlich einen Käufer für den Traditionsverein Newcastle United gefunden hatte. Doch kaum steht der Deal kurz vor dem Abschluss, regt sich Kritik an den neuen Eigentümern – einer Investorengruppe mit dem saudischen Staatsfond Public Investment Fund (PIF) als Hauptgeldgeber. An dessen Spitze: der Kronprinz Mohammed bin Salman.
Die Tatsache, dass nun saudische Millionen in den englischen Fußball fließen sollen, gefällt einem einflussreichen Partner der Premier League so gar nicht. Yousef Al-Obdaidly, Geschäftsführer des katarischen Sportsender beIN Sports, meldete sich in einem Brief an die Klubbosse und die FA zu Wort. Dort wettert er gegen den Nachbarstaat, der seit Jahren mit dem Sportsender beoutQ Spiele ohne nötige Lizenz zeigt. Vorrangig geht es den Kataris um die Übertragungsrechte der englischen Eliteliga im Nahen Osten und damit verbunden um viel Geld. Aber auch der seit Jahren schwelende politische Konflikt zwischen beiden Ländern wird so auf dem Rücken des Fußballs und Newcastle Uniteds ausgetragen.
Die Bild- und Übertragungsrechte der Premier League im arabischen Raum hält zurzeit der katarische Pay-TV-Sender beIN Sports. Dessen Geschäftsführer Yousef Al-Obdaidly beschuldigt im Schreiben die saudische Regierung der TV-Piraterie und fordert die Liga-Bosse auf, die Übernahme Newcastles durch den saudischen Staatsfond zu stoppen. Denn laut Al-Obdaidly soll der Sender beoutQ seit drei Jahren Spiele der Premier League, hauptsächlich in Saudi-Arabien, illegal ausstrahlen. Obwohl die Rechte bei beIN Sports liegen. Die ließ sich der Sportsender 375 Millionen Euro für die Jahre 2018 bis 2021 kosten. Weil sich der saudische Konkurrent die nötigen Lizenzen spart, kann das Sportangebot vergleichsweise günstig im eigenen Land vertrieben werden. Anfänglich nur via Online-Streaming empfangbar, sendet beoutQ seit 2017 auch über Satelliten der Arabsat Gruppe. Und die hat ihren Sitz in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad.
Bereits im Januar 2019 hatte die FIFA gemeinsam mit der UEFA, der Premier League, der spanischen LaLiga der Bundesliga und dem asiatischen Fußballverband AFC ein gemeinsam verfasstes Statement zu beoutQ veröffentlicht. In ihm kritisieren die Verbände die TV-Piraterie des saudischen Senders. „Die Aktivitäten von beoutQ sind ein klarer und schamloser Bruch der Rechte unseres geistigen Eigentums“, heißt es da. „Geld aus dem Verkauf von TV-Rechten ist notwendig, um die Teilnehmer zu unterstützen und den Sport weiterzuentwickeln.“ Piraterie zerstöre diese Investition.
Ähnliche Töne schlägt nun auch Al-Obdiadly an. „Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das zukünftige Wirtschaftsmodell des Fußballs auf dem Spiel steht“, prophezeit er im Schreiben. „Angesichts der lähmenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus auf die Sportbranche geschieht dies alles zu einer Zeit, in der Fußballvereine ihre Sendeeinnahmen am meisten schützen müssen“, so der Sender-Chef weiter. Der Rechteinhaber sehe es als unerlässlich an, dass die Premier League die potenziellen Käufer des Klubs überprüfen müsse.
Al-Obdaidly meint damit vor allem den Staatsfond PIF. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, die wirtschaftliche Transformation Saudi-Arabiens mit einem Projekt namens Vision 2030 voranzutreiben und sich ökonomisch dem Westen zu öffnen. Kontrolliert wird der 320 Milliarden US-Dollar schwere Fond vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. In der Vergangenheit konnten bereits große Sportevents in den Wüstenstaat geholt werden, bin Salman und Co. versuchen so, das trübe Image des Landes aufzupolieren. Viele Sportler, Vereine und Verbände erfreuen sich an den Mehreinnahmen durch ein Geschäft mit den Saudis. So boxte beispielsweise der Brite Anthony Joshua gegen Andy Ruiz in Diriyya nahe Riad, der spanische Fußballverband richtete dort den letzten Supercup aus und ab 2023 sollen Formel-1-Boliden beim Großen Preis von Saudi-Arabien starten.
Ein Modell, das hinlänglich im Nachbarstaat Katar bekannt ist. Qatar Sports Investments ist Eigentümer des französischen Serienmeisters Paris St. Germain. Dessen Vorsitzender Nasser Al-Khelaifi ist zeitgleich auch Chef von beIN Sports und damit Yousef Al-Obdaidlys Vorgesetzter. Die staatseigene Fluglinie Qatar Airways sponsert unter anderem die FIFA – auch der FC Bayern München erfreut sich an den Millionen aus Katar. Mit der Ausrichtung der kommenden Fußball-WM sicherte sich das kleine Emirat am Persischen Golf weltweit mediale Aufmerksamkeit.
Die Konkurrenz zwischen den beiden Golfstaaten ist groß – nicht nur auf sportlicher Ebene. Seit Jahren schwelt ein politischer Konflikt auf der Arabischen Halbinsel. Die Katar-Krise verschlechtert seit 2017 die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Katar. Saudi-Arabien wirft der katarischen Regierung vor, mit der Muslimbruderschaft terroristische Organisationen zu unterstützen und setzte im Juni 2017 mit ihren Verbündeten Ägypten, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten die diplomatischen Beziehungen mit Katar aus. Damals stieg Katar auch aus der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz im Jemen aus. Die bekämpft dort bis heute vom Iran unterstützte Rebellen. Der Stellvertreterkrieg hat das Land in eine humanitäre Katastrophe gestürzt.
Die komplexe Situation vor Ort fördert nun auch den Zwist im englischen Fußball. Während die katarische Seite die Übernahme verhindern möchte, freut sich die saudische Seite bereits auf Einfluss im englischen Profifußball. Mit Sheffield United untersteht bereits ein Premier-League-Klub der saudischen Führung. Damit auch der Newcastle-Deal zustande kommt, müssen die Investoren noch auf grünes Licht seitens der britischen Verbandsfunktionäre warten. Wer auf der Insel einen Verein übernehmen möchte, muss sich eines Tests unterziehen. Der „Owners‘ and Director’s Test“ sieht vor, die Integrität der Investoren auf die Probe zu stellen. Eine der Kriterien: Verhaltensweisen außerhalb des Vereinigten Königreichs werden überprüft, die innerhalb des Landes einen Gesetzesverstoß darstellen würden. Nach FA-Angaben soll dieser Test den „Ruf und das Image des Spiels“ wahren.
Der Ruf von Saudi-Arabien ist allerdings nur schwer wiederherzustellen. Amnesty International wirft dem saudischen Regime „sportswashing“ vor. Mit der Ausrichtung von Sportereignissen oder mit Investitionen in Vereine und Verbände, wolle man den eigenen schlechten Ruf wieder reinwaschen. Bereits vor dem Schreiben von Yousef Al-Obdaidly, teilte auch Amnesty dem Verband seine Bedenken bezüglich des Newcastle-Deals mit. Die Übernahme könnte genutzt werden, um „zutiefst unmoralische Handlungen“ zu vertuschen, die „gegen das Völkerrecht verstoßen und im Widerspruch zu den Werten der Premier League und der globalen Fußballgemeinde stehen“, schrieb Amnesty UK. Seit langem kritisiert die Organisation die Menschenrechtsbilanz in Saudi-Arabien mit Hinblick auf die Behandlung der LGBT-Gemeinschaft sowie der Missachtung von Frauenrechten und Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
International hatte 2018 für große Aufregung gesorgt, dass der Journalist und Regimekritiker Jamal Khashoggi aus der saudischen Botschaft entführt, später ermordet und zersägt wurde. Die mutmaßlichen Mörder sollen im engen Kontakt zu Kronprinz und PIF-Chef bin Salman gestanden haben. „Der Kronprinz hat Sportereignisse genutzt, um den Ruf des Königreichs nach dem grausamen Mord an Khashoggi zu verbessern“, heißt es im Schreiben von Amnesty International. Das lenke „die Aufmerksamkeit von der entsetzlichen Menschenrechtsbilanz ab, einschließlich der Inhaftierung und Folger von Menschenrechtsrechtsverteidigerinnen.“
Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen Saudi-Arabiens kreiden die Kataris in ihrem Schreiben an die Klubbosse und die FA allerdings nicht an. Ihre Bemühungen gelten größtenteils den Fernsehrechten und der Möglichkeit, dem politischen Feind Saudi-Arabien zu schaden. Wissentlich, wie die Situation im eigenen Land gestellt ist, schweigen sie zur menschenrechtlichen Situation im Nachbarland. Wohl auch im Wissen, dass das katarische Regime im eigenen Land ebenfalls eklatante Rechtsbrüche begeht – auch hier vor den Augen der Fußballgemeinschaft.