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Wie sehr ein Mensch den Fuß­ball lieben muss, wird manchmal erst klar, wenn er über For­tuna Düs­sel­dorf spricht. Thierry, hast du For­tuna Düs­sel­dorf gesehen?“ Sei nicht dumm. Ja, selbst­ver­ständ­lich.“ Es ist eine kleine Epi­sode aus dem Leben von Romelu Lukaku, dem bel­gi­schen Natio­nal­spieler, Debüt im Alter von 16 Jahren und 11 Tagen bei RSC Ander­lecht, auf­ge­wachsen in ärmsten Ver­hält­nissen, mitt­ler­weile Super­star, Multi-Mil­lionär, Fuß­ball-Roman­tiker.

Die coolste Sache der Welt

Die Unter­hal­tung zwi­schen ihm und Thierry Henry, einst Co-Trainer von Bel­gien, fand am Rande einer Län­der­spiel­pause statt. Henry, schrieb Lukaku in einem Auf­satz über sein Leben für The Players Tri­bune“, sei viel­leicht der ein­zige Mensch, der mehr Fuß­ball schaue als er selbst. Selbst­ver­ständ­lich auch 2. Bun­des­liga. Sie würden über alles dis­ku­tieren. Über jedes Spiel, jede noch so kleine Auf­fäl­lig­keit. Zwei Männer und ihr Sport. Für mich“, schrieb Lukaku, ist das die coolste Sache der Welt.“ 

Am Wochen­ende wurde Lukakus Liebe zum Sport auf die Probe gestellt. Er spielt mitt­ler­weile für Inter Mai­land und im Liga-Spiel gegen Cagliari Calcio hatte Schieds­richter Mau­rizio Mariani auf Straf­stoß ent­schieden. Und so schnappte sich Lukaku den Ball.

Volle Kraft

Der 26-Jäh­rige gilt als kon­se­quenter Spieler, schnör­kellos. Jedes Spiel, das ich jemals gespielt habe, war ein Finale. Als ich im Park gespielt habe, war es ein Finale. Als ich in der Kin­der­gar­ten­pause spielte, war es ein Finale. Ich meine es ver­dammt ernst. Ich habe jedes Mal ver­sucht, die Hülle von der Kugel abzu­reißen, wenn ich geschossen habe. Volle Kraft. Wir haben nicht R1 gedrückt, Bruder. Kein Fines­sen­schuss. Ich hatte keine neue FIFA. Ich hatte keine Play­sta­tion. Ich habe nicht rum­ge­spielt. Ich habe ver­sucht, dich zu töten.“

Am Sonn­tag­abend stand Romelu Lukaku, der sonst not­falls jeden töten würde, am Elf­me­ter­punkt und es schien, als stießen Tränen in seine Augen.

In den Minuten zwi­schen Foul­spiel und Elf­meter, als klar wurde, dass Lukaku schießen würde, waren die Affen­laute im Sta­dion laut und immer lauter geworden. Men­schen auf der Tri­büne, offen­sicht­lich hatten sich auch Kinder und Jugend­liche ange­schlossen, imi­tierten Gorilla-Geräu­sche. Weil der Spieler, der gleich den Elf­meter schießen würde, schwarz ist. Wider­liche Szenen.

Kein Durch­greifen

Es ist bei weitem nicht der erste Fall von Ras­sismus im ita­lie­ni­schen Fuß­ball in den letzten Jahren. Und immer wieder ist Cagliari, die Haupt­stadt Sar­di­niens, Mit­tel­punkt der Aus­schrei­tungen. Dort gewann im Februar die rechte Lega“ die Wahlen mit beein­dru­ckenden Abstand. Jene Partei, die eine ita­lie­ni­sche Natio­nal­mann­schaft gerne ohne far­bigen Spieler sähe.

In Cagliari wurde in der ver­gan­genen Saison Juves Stürmer Moise Keane mit Affen­lauten belegt, seit 2010 waren schon Blaise Matuidi, Sulley Mun­tari und Samuel Eto’o ras­sis­tisch von Cagliari-Fans belei­digt worden. Immer wieder wurde sich gewunden, die Spieler hätten pro­vo­ziert, die Affen­laute seien kaum hörbar gewesen. Nie wurde ernst­haft durch­ge­griffen.

Nicht der erste Fall

Auf anderen Plätzen waren unter anderem Kevin-Prince Boateng und Mario Balotelli ras­sis­tisch ange­gangen worden, bis diese drohten, das Spiel­feld zu ver­lassen und auch nicht mehr zurück­zu­kommen. Und im ver­gan­genen Winter wurde Nea­pels Kalidou Kou­li­baly, aus­ge­rechnet von Inter-Mai­land-Fans, von Beginn an mit Affen­lauten belegt, bis er nach einem Foul die Nerven verlor und mit der Gelb-Roten Karte früh­zeitig den Platz ver­lassen musste.

Nea­pels Trainer Carlo Ance­lotti drohte danach: Beim nächsten Mal hören wir ein­fach auf zu spielen, auch wenn wir dadurch das Spiel ver­lieren.“ Seit dem Früh­jahr setzt die Serie A einen Poli­zei­be­amten ein, der ent­scheiden darf, ob das Spiel wegen ras­sis­ti­scher Aus­fälle unter­bro­chen oder beendet werden soll – bisher ist das nicht einmal pas­siert.

Und so schoss Romelu Lukaku auch diesen Elf­meter in Cagliari. Erbar­mungslos in die rechte Tor­ecke. Ohne Schnörkel, aber mit Erfolg. Er jubelte nicht, er blickte nur hoch zu den Zuschauern, die ihn noch immer ver­höhnten.

Aus­ge­rechnet in der Serie A wird das seit Jahren schwe­lende Ras­sismus-Pro­blem, so scheint es, nun wieder größer. Aus­ge­rechnet zu einem Zeit­punkt, wo der ange­staubte ita­lie­ni­sche Fuß­ball gerade erst wieder mit großen Stars und unge­ahnten Trans­fers auf sich auf­merksam macht. Ob Juventus mit Super­stars wie Cris­tiano Ronaldo oder Mathijs de Ligt, AS Rom mit jungen auf­re­genden Spie­lern wie Nicolo Zaniolo oder Ceginz Ünder oder der AC Flo­renz mit Alt­hauern wie Franck Ribery und Kevin-Prince Boateng. Es macht wieder Spaß, ita­lie­ni­schen Fuß­ball zu schauen. Es wirkt nicht mehr absurder, als ein Spiel von For­tuna Düs­sel­dorf zu sehen. In Ita­lien ent­steht gerade eine Liga, die Spie­lern wie Romelu Lukaku viel Freude bereiten sollte. Tut sie aber nicht.

Es ist 2019“

Fuß­ball ist ein Spiel, das von jedem genossen werden sollte. Wir sollten jeg­liche Form von Dis­kri­mi­nie­rung nicht akzep­tieren, die unser Spiel in Schande legt. Ich hoffe, dass die Fuß­ball­ver­bände auf der ganzen Welt auf all diese Fälle von Dis­kri­mi­nie­rung hart reagieren“, schrieb Romelu Lukaku. Allen voran die Serie A sollte reagieren, allein schon aus eigenem Inter­esse. Aus Inter­esse, dass der eigene Fort­schritt nicht ver­hin­dert wird. Vor allem: Aus Inter­esse an seinen eigenen Spie­lern.

Ansonsten dürfte Romelu Lukaku Recht behalten: Es ist 2019. Anstatt nach vorne zu gehen, gehen wir rück­wärts.“