Gil Scott-Heron gilt vielen als Wegbereiter des politischen HipHop. Sein Vater war der erste schwarze Fußballer in der Geschichte von Celtic Glasgow.
When Miles was on the jukebox
And Monk was on the air
Gil crossed the ocean to the other side
To play for Celtic with a noble stride
The arrow flew, he’s flying yet
His aim is true so we don’t forget
What it means when his name we hear
The hopes and dreams of every pioneer
(aus: Michael Marra & The Hazey Janes – Flight Of The Heron)
Supersprinter, Box-Champion, Stürmer-Ass
Gil, der Pionier. Gil, Jamaikaner, Musiker und Fußballer. Gil, der erste schwarze Spieler in der Geschichte von Celtic Glasgow. Gil Heron, Vater von Gil Scott-Heron, dem Godfather des Raps.
Das ist seine Geschichte.
Die beginnt in Kingston, wo Gilbert Heron am 9. April 1922 zur Welt kommt. Der Junge ist ein sportliches Ausnahmetalent. Bei einer Schulmeisterschaft rennt er in den Sprintdisziplinen allen davon. Zweiter wird ein Bursche namens Herb McKinley. Der wird 1952 über 4x400-Meter Gold für Jamaica bei den Olympischen Spielen von Helsinki erringen. Sein Kumpel Gil verlässt als Jugendlicher seinen Inselstaat und zieht nach Kanada. Für die kanadische Air Force zieht er in den Krieg. Noch während seiner Militärzeit sorgt der Athlet für Furore, weil er sowohl im Weitsprung und Hochsprung, als auch in den geliebten Sprintdisziplinen immer neue Rekorde bricht. Bereits 1940 hat er das legendäre Boxturnier „Golden Gloves“ in Chicago gewonnen, im Weltergewicht. Spätere Sieger unter anderem: Evander Holyfield, Sugar Ray Leonard, Mike Tyson und Floyd Mayweather Jr..
Der „Babe Ruth des Fußballs“
Fußball spielen kann Gil Heron auch. Für die Detroit Corinthians und Detroit Wolverines schießt er so viele Tore, ist er mit technischen und physischen Fähigkeiten seinen Gegenspielern so weit voraus, dass ihn das afroamerikanische Magazin „Ebony“ 1947 zum „Babe Ruth des Fußballs“ kürt. George Herman „Babe“ Ruth Jr., ein Amerikaner mit deutschen Wurzeln, gilt bis heute als bedeutendster Baseballer aller Zeiten.
In Chicago lernt Heron, der auch als Musiker durchaus beeindruckendes Talent besitzt, die Opernsängerin Bobbie Scott kennen. Mit ihr bekommt er 1949 das erste von vier Kindern. Einen Sohn, er nennt ihn Gil. Gil Jr. kann gerade laufen, da setzt ihn sein Vater das erste Mal ans Klavier und lehrt den Zwerg seine ersten Melodien. Später kommen noch Gayle, Denis und Kenny zur Welt. Kennys Leben endet tragisch: Er stirbt bei einem Drive-by-shooting in Detroit.
„Celtic war einer der größten Namen im Weltfußball!“
1951 macht Celtic Glasgow auf seiner US-Tournee Halt in Detroit. Einer der mitgereisten Celtic-Scouts schaut sich ein Spiel der Wolverines an, Gil Heron erwischt einen fulminanten Tag. Und erhält wenig später ein Angebot aus Schottland: So euphorisch hat der Scout von seinem neuesten Fund berichtet, dass der Klub Heron sofort für eine Saison unter Vertrag nehmen will. Der kann nicht anders und sagt zu. „Celtic“, erzählt Heron viele Jahre später, „war für mich damals einer der größten Namen im Weltfußball.“ Zurück lässt er Frau und Familie, die Ehe mit Bobbie scheitert. Erst 26 Jahre später werden sich die beiden wiedersehen.
Am 18. August 1951 gibt Heron sein Debüt für Celtic. Beim 2:0‑Sieg gegen Greenock Morton schießt er gleich ein Tor. Er ist der erste schwarze Fußballer in der zu diesem Zeitpunkt 64-jährigen Geschichte des Traditionsklubs. Der gebürtige Jamaikaner erobert die Herzen der Schotten im Sturm. Zwar wird er in der gesamten Saison nur fünfmal in der Liga und einige Male in anderen Wettbewerben eingesetzt, doch seine spektakuläre Spielweise und sein extravaganter Style machen den Neuling bald über die Grenzen Glasgows hinaus populär. Heron beeindruckt nicht nur die Damenwelt mit aufregend geschnittenen Anzügen, sogenannten „Zoot Suits“, stylischen Filzhüten und gelben Schuhen. „Im Moment“, urteilt eine Glasgower Zeitung, „ist Gil Heron der ›Golden Boy‹ des schottischen Fußballs.“ Und nach seinem nächsten Auftritt im Celtic Park: „50.000 Fans feiern Heron als die größte Sache seit der Erfindung des Torpfostens.“
Die Geburt des „schwarzen Pfeils“
Doch schon ein Jahr später verlässt Heron Celtic. An Starstürmer John McPhail ist auch für den so athletischen Angreifer aus Übersee kein Vorbeikommen. Immerhin: Als sich Heron aus Glasgow verabschiedet, hat er sich seinen Platz in den Geschichtsbüchern des Klubs gesichert – und außerdem einen neuen Spitznamen. „Black Arrow“, der schwarze Pfeil, tingelt noch zwei weitere Jahre durch den britischen Fußball, gibt Gastspiele bei Third Lanark und Kidderminster Harriers, ehe er 1954 zu den Detroit Corinthians zurückkehrt. Nach der Karriere heuert er in einer der zahlreichen Fabriken der „Motor City“ an.
Hier endet zunächst die Geschichte von Gil Heron, Jamaikaner, Kriegsveteran, erster schwarzer Fußballer in der Historie von Celtic Glasgow. Gil, der Pionier.
Die Geschichte seines Sohnes hat da noch nicht mal richtig angefangen.
Keine Revolution im Fernsehen
Gil Scott-Heron wächst nach der Trennung seiner Eltern bei seiner Großmutter in Tennessee auf, und zieht als Jugendlicher zu seiner Mutter in die New Yorker Bronx. Geprägt von der Bürgerrechtsbewegung und des alltäglichen Rassismus beendet Scott-Heron die High School und versucht sich kurz am College. 1970 veröffentlicht er seinen ersten Roman. Im selben Jahr startet auch seine musikalische Karriere, noch 1970 erscheint sein Debütalbum „Small Talk at 125th & Lenox Ave“, auf dem auch „The Revolution Will Not Be Televised“ enthalten ist – bis heute einer seiner bekanntesten Songs.
Der baumlange Scott-Heron passt in keine Genre-Schublade und schafft sich seinen eigenen Stil. Ein bisschen Funk, ein bisschen mehr Jazz und Soul – und eine so vorher noch nicht gehörte Mixtur mit Sprechgesang. Für viele Experten gilt Gil Scott-Heron, Sohn des Fußballers Gil Heron, als „Godfather of Rap“. Als der Wegbereiter des politischen HipHop. Gil Jr. ist ein Pionier, ganz wie sein Vater.
Der Sohn stirbt – nur zweieinhalb Jahre nach dem Vater
Ein Fußballer wird aus dem Sohn nicht. Aber ein Fan, natürlich von Celtic. Es wird zum running gag, dass Zuschauer, die ihr Herz an den schottischen Klub und Scott-Herons Musik verschenkt haben, bei Konzerten im Trikot auftauchen. Der große Schlacks auf der Bühne witzelt dann: „Ihr schon wieder – ob ich es jemals aus dem Schatten meines Alten schaffe?“
Am 27. November 2008 stirbt der Alte in Detroit. Nur zweieinhalb Jahre später wird auch der Junior zu Grabe getragen. Das Koks und insbesondere die HIV-Erkrankung haben ihre zerstörerische Wirkung gezeigt. Gil Scott-Heron wird nur 62 Jahre alt. Auf seiner Beerdigung weht die Fahne von Celtic Glasgow.