Trotz der nächsten Niederlage kämpfen die Fans von Werder Bremen um Trainer Florian Kohfeldt. Warum das richtig ist – und trotzdem am Problem vorbeiführt.
Nach dem 1:2 gegen den FC Augsburg stand Davy Klaassen in den Katakomben der WWK-Arena. Werder hatte eine Führung verspielt, auch das 1:1 nicht über die Zeit bringen können, mal wieder verloren. Nach der elften Saisonniederlage steht Bremen deshalb noch immer auf dem Relegationsrang, keine kurzfristige Rettung in Sicht. Weshalb Klaassen, der zweifache holländische Meister, der Europa-League-Finalist, der Vizekapitän sagte: „Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Wir geben auf. Oder wir machen weiter.”
Was so sehr nach Binse klingt, fasst die Situation in Bremen trotzdem ganz gut zusammen. Aufgeben oder weitermachen – so ließe sich schließlich die Situation von Trainer Florian Kohfeldt beschreiben. Nach einer desolaten Hinrunde hatte er auf die Winterpause gesetzt. Nach zwei weiteren Niederlagen und einem glücklichen 1:0 in Düsseldorf steht er nun erneut massiv in der Kritik.
Die Stimmung in Bremen ist gespalten. Als die Mannschaft am Samstag nach dem Spiel in die Kurve ging, blieb es erst ruhig, es folgte zögerlicher Applaus. Begleitet von „Kohfeldt raus!”-Rufen. Im Internet sprachen sich hingegen viele Fans unter dem Hashtag #teamkohfeldt für einen Verbleib des Trainers aus.
Das ist ehrenwert. Doch entspinnt sich in der Diskussion um den Trainer die wahre Problematik an der Weser.
Es scheint in dieser Saison, als hätte sich alles gegen die Bremer verschworen. In keiner Bundesliga-Mannschaft fielen mehr Spieler häufiger aus. Darunter Leistungsträger wie Niclas Füllkrug, als Max-Kruse-Ersatz gekommen, der seit dem fünften Spieltag mit einem Kreuzbandriss fehlt. Auch Fin Bartels, Ludwig Augustinsson und Philipp Bargfrede sind zum Zuschauen verdammt. Kapitän Niklas Moisander fällt immer wieder aus, der gerade gewechselte Kevin Vogt verletzte sich im ersten Spiel, Michael Lang kommt auf erst acht Einsätze. Eine Situation, die dazu führt, dass Moisander sagt: „Wir haben bisher kaum einmal mit der gleichen Abwehrkette spielen können.“
Wie die Verletztenmisere zu erklären wäre, wissen die Bremer nicht. Sie haben im September einen Rasenexperten aus Belgien einfliegen lassen, um zu klären, ob der Untergrund Schuld sei – ohne Ergebnisse. Auffällig ist da schon eher, mit welch altem Kader Werder Bremen auftritt (oder eben nicht, das ist ja das Problem), wie langsam die Spieler sind und wie verletzungsanfällig.
Die Verantwortlichen um Sportdirektor Frank Baumann und die Fans wissen das. Umso einfacher fällt es ihnen zurzeit, an Florian Kohfeldt festzuhalten. Es sind eben äußere Umstände. Weshalb die Logik des Geschäfts, dass der Trainer am Ende immer Schuld ist, in Bremen nicht trägt. Nicht tragen soll. Ähnlich wie in Freiburg oder Paderborn (so wie früher unter Klopp in Mainz) soll und will der Verein unabhängig der Ergebnisse auf den Trainer setzen. Weil sich Kohfeldt als Werder-Fan stilisiert, könnte es klappen, dass sich auch hier eine „Wir gegen die“-Mentalität einstellt. Eine charmante Idee, allein: Während in Freiburg oder Paderborn ein Abstieg stets einkalkuliert wurde, wirkt es, als sei die aktuelle Situation für die Bremern – wo das Ziel im Herbst noch „Europapokal” hieß – ganz überraschend eingetreten.
Dabei scheint es, als hätten im Verein nur die wenigsten realisiert, dass der Klassenerhalt zum Ene-Mene-Miste-Spiel geworden ist. Wird es am Ende der Saison mindestens zwei Bundesligisten geben, die noch weniger Punkte als Werder auf dem Konto haben?
Anders ausgedrückt: Im Kampf um den Klassenerhalt ist Trainer Florian Kohfeldt kein Problem. Was wiederum für Werder Bremen die schlechteste Nachricht ist. Denn es gibt keinen Anlass, zu glauben, dass ein anderer Trainer aus dieser Mannschaft mehr herausholen würde. In der Viererkette müsste ein neuer Mann genauso improvisieren, der Abgang von Max Kruse wäre – auch aufgrund Füllkrugs Kreuzbandrisses – immer noch nicht kompensiert, der Kader bliebe so alt wie zuvor. Und wer die verbliebenen Spieler vor einer Woche in Düsseldorf gewinnen gesehen hat, kann auch nicht von einem zu behebenden Mentalitätsproblem sprechen.
Und so hatte Davy Klaassen gestern Abend in Augsburg recht: „Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Wir geben auf. Oder wir machen weiter.” Genau das ist das Problem.