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Seite 2: Wie ist das mit dem Duschen?

Inter­views gibt Geb­hard schon damals ungern. Vor ihrer Zweit­li­ga­pre­miere beim Spiel zwi­schen Tennis Borussia Berlin und dem VfL Bochum schickt ihr der DFB per Brief sogar die Emp­feh­lung, gar nicht mit der Presse zu reden. Aber die Reporter sind überall. Und die Kameras fangen jedes Detail ein: Nase­putzen, Kopf­kratzen, Blin­zeln. Ich hatte ständig das Objektiv im Nacken“, sagt Geb­hard nach ihrem Debüt in der Zweiten Liga. Ich musste auf­passen, dass ich nicht über eine Kamera stol­pere.“ Gera­dezu mann­haft“ habe Geb­hard ihre Sache erle­digt, findet Tebe-Trainer Winnie Schäfer. Um dann anzu­fügen, dass das natür­lich nicht chau­vi­nis­tisch gemeint sei.

Nach dem Spiel lässt sie sich doch für ein paar Inter­views erwei­chen, ganz kurz, bitte“. Ein Reporter möchte wissen, ob sie auf­treten könne wie ein echter Mann. Sie ant­wortet: Früher brauchte ich viele Gelbe Karten, um mich durch­zu­setzen. Heute schauen ich den Spie­lern in die Augen, und sie wissen wer der Boss auf dem Rasen ist.“ Und wann geht’s in die Bun­des­liga? Das ist das Schönste, was ich mir vor­stellen kann. War’s das?“ Nein, eine Sache noch: Wie ist das mit dem Duschen? 

Tat­säch­lich wird diese Frage mona­te­lang in der Bou­le­vard­presse dis­ku­tiert: Duscht Ger­trud mit ihren männ­li­chen Kol­legen? Der Express“ stellt sie, die Bild“ und auch die Ham­burger Mor­gen­post“. Nach einem Spiel schreibt ein Schieds­rich­ter­be­treuer, so weiß es die Bild“, auf ein Schild: Damen­du­sche. Dann geht es weiter im typi­schen Bild“-Duktus: Was war (ers­tens) die hei­ßeste“ Szene“ von Ger­trud Geb­hard und was (zwei­tens) ihre schärfste“? Die Ant­wort zu eins: eine rich­tige Abseits­ent­schei­dung. Die Ant­wort zu zwei: die Dusche nach dem Spiel.

In einem Inter­view mit der SZ“ darf Geb­hard das erste Mal wirk­lich über ihre Rolle und Ent­wick­lung spre­chen. Sie sagt: Ich habe mich nie als Frau im Fuß­ball gefühlt. Ich war immer Schieds­richter und wollte nur so behan­delt werden wie meine männ­li­chen Kol­legen.“

Im Oktober 1995 wird sie erst­mals für ein Bun­des­li­ga­spiel nomi­niert: Schalke gegen Kai­sers­lau­tern. Nun kom­men­tiert auch die Klatsch­zeit­schrift Gala“ mit. Sie findet näm­lich, dass Geb­hard dafür eine Tap­fer­keits­me­daille“ ver­diene. Schließ­lich habe eine andere Frau, die Mode­ra­torin Carmen Thomas, den Verein einst als Schalke 05“ bezeichnet. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Ach, nicht so wichtig.

Zurück an den Koch­topf

Natür­lich muss Geb­hard auch vor ihrem Bun­des­li­ga­debüt wieder erzählen. Sind Sie auf­ge­regt? Nein.“ Warum nicht? Ich mache das schon länger. An diesem Wochen­ende pfeife ich außerdem ein Spiel in der Regio­nal­liga und eines in der dritten Kreis­klasse.“ Würden Sie sich freuen, wenn es mehr Schieds­rich­te­rinnen geben würde? Ja.“ Warum? Dann würde ich aus dem Blick­feld rücken.“

Im Sta­dion rufen die Fans der­weil, dass Ger­trud Geb­hard zurück an den Koch­topf gehen oder sich wenigs­tens aus­ziehen solle. Sie sagt: Ich höre das.“ Nicht schlimm? Die Spieler werden ja auch belei­digt.“

Und dann ist auf einmal Schluss. Nach nur zwei Bun­des­li­ga­spielen als Lini­en­rich­terin. Ger­trud Geb­hard wird aus den Schieds­rich­ter­listen für die Bun­des­ligen und der Fifa-Liste gestri­chen. Die Medien ver­lieren das Inter­esse an ihr, nie­mand hin­ter­fragt die Vor­gänge. Von­seiten des DFB heißt es nur, sie sei ohne Per­spek­tive. Im Hin­ter­grund rumort es aller­dings, Aus­ein­an­der­set­zungen mit dem Schieds­rich­ter­aus­schuss, Streit mit den Män­nern, die das Sagen haben. Erst im Februar 1997 hört man wieder etwas von Geb­hard. Sie sagt, sie habe die Schnauze gestri­chen voll“ von den Funk­tio­nären. Danach ver­schwindet sie für Jahr­zehnte von der Bild­fläche.

Immerhin in ihrem Kreis hat man sie bis heute nicht ver­gessen. In der Schieds­rich­ter­gruppe Bam­berg ist sie immer noch aktiv. 2010 bekam sie vom Bay­ri­schen Fuß­ball­ver­bandes das Ver­bands­ab­zei­chen in Gold. Als Wür­di­gung für ihre 30-jäh­rige Tätig­keit als Schieds­rich­terin. Als Aner­ken­nung für ihre Pio­nier­ar­beit.