Kaum einer hat die Geschichte von Werder Bremen so geprägt wie er. Und trotzdem ist der Name des jüdischen Präsidenten Alfred Ries nicht vielen Mitgliedern bekannt. Eine Spurensuche.
Ries‘ Rückkehr in eine Stadt, aus der mehrere Familienmitglieder geflohen und seine Eltern 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden waren, ist ungewöhnlich. Viele Shoah-Überlebende wollten nie wieder nach Deutschland. Ries jedoch muss sich mit seiner Heimatstadt und dem SV Werder stark verbunden gefühlt haben – trotz der vielen NS-Kontinuitäten, die es auch dort gegeben hat. „Wer Versöhnung will, muss sie praktizieren“, antwortete Alfred Reis einmal auf die Frage, warum er sich nach 1945 weiterhin im deutschen Sport, aber auch im Bremer Rotary Club engagiert hatte.
Nach dem Krieg wieder Präsident
Von 1947 bis 1951 wirkte Ries erneut als Werder-Präsident. Beruflich leitete er in Bremen das Staatliche Außenhandelskontor, ehe er 1953 in den Auswärtigen Dienst wechselte. Nach Stationen als Konsularbeamter in Jugoslawien und Indien und zuletzt als Botschafter in Liberia kehrte Ries 1963 ein weiteres Mal nach Bremen zurück – und wurde von 1963 bis 1967 ein erneut Werder-Präsident. In seine letzte Amtszeit fielen die Gründung der Fußball-Bundesliga 1963 unter Werder-Beteiligung, der weitere Ausbau des Weserstadions – und nicht zuletzt die erste Fußballmeisterschaft des Vereins 1965. Bis zu seinem Tod 1967 war Ries außerdem Vorstandsmitglied des Deutschen Fußballbundes (DFB) sowie Gründungsmitglied des Deutschen Sportbundes (DSB).
Trotz alledem war Alfred Ries in Bremen lange Zeit so gut wie vergessen. Im Werder-Vereinsmuseum fanden sich nur wenige Informationen, einen Wikipedia-Eintrag oder eine öffentliche Form des Erinnerns gab es nicht. Das hat sich nun geändert. Ende 2017 hatte eine Gruppe um den damaliger Mitarbeiter des Fanprojektes Thomas Hafke zu Ries‘ Leben recherchiert und eine Broschüre mit dem Titel „Alfred Ries – Unvergessen, vergessen“ publiziert. „Inzwischen können immer mehr Werder-Fans mit dem Namen Alfred Ries etwas anfangen“, berichtet Hafke nicht ohne Stolz.
Vorwurf der Kollaboration
Die 30-seitige Broschüre porträtiert Ries mit einem Auge fürs Detail. „Das war uns besonders wichtig“, sagt Dirk Harms, der ebenfalls an der Recherche beteiligt war. Denn um Ries’ Biografie „ranken sich Mythen, sein Leben und Wirken wird diffamiert“, so Harms. Dabei gehe es vor allem um den jahrelangen Streit zwischen Ries und dem Bremer „Amt für Wiedergutmachung“, an das sich der Shoah-Überlebende mit einem Antrag auf Haftentschädigung wendete. Der Vorwurf: Ries habe mit den Nationalsozialisten in Osteuropa kollaboriert.