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Seite 2: Er schrie: „Du bist ein Nichts!“

In der zweiten Saison bei Borussia Mön­chen­glad­bach kamen Sie sport­lich besser zurecht. Hatten Sie sich mit Heyn­ckes aus­ge­söhnt?
Ich war mit meinen Leis­tungen nicht zufrieden. Und mit Heyn­ckes kam es noch schlimmer. Einmal brachte ich 74,2 Kilo auf die Waage und er for­derte, dass ich bis zum nächsten Spiel zwei Kilo abnehmen müsste. Am Freitag wog er mich erneut, ich hatte immer noch 600 Gramm zu viel. Heyn­ckes‘ Kopf lief rot an, er ver­don­nerte mich zu einer Geld­strafe von 100 Mark pro 100 Gramm.

Gaben Sie ihm da den Kose­namen Osram?
Nein, den hatte er längst weg. Aller­dings war das eine interne Sache. Ich war nur wieder der Dumme, dem das neben einem Jour­na­listen raus­ge­rutscht ist. Ich sah seinen hoch­roten Kopf aus der Ferne und sagte mehr zu mir selbst: Der glüht ja wieder wie ne Osram-Birne.“ Am nächsten Tag stand es in der Zei­tung.

Wie hat Heyn­ckes reagiert?
Gar nicht, wie immer. Das hat mich wahn­sinnig gemacht.

Eigent­lich hätten Sie und der extro­ver­tierte Günter Netzer, der Sie 1983 nach Ham­burg holte, doch gut har­mo­nieren müssen. Wieso gerieten Sie mit dem HSV-Manager so häufig anein­ander?
Mich störte seine her­ri­sche Art. Einmal kickte er in einem Trai­nings­spiel­chen mit. Er nahm das richtig ernst und for­derte jeden Pass. Als er mir einen Ball schlecht zuspielte, platzte es aus mir heraus: Nun spiel mal richtig ab, du Arsch!“ Im selben Moment zuckte ich zusammen und ent­schul­digte mich. Doch zu spät. Netzer bestellte mich auf sein Zimmer und machte mich zur Schnecke.

Was sagte er?
Er schrie: Du bist ein Nichts! Bald bist du eh weg!“ Mir wurde richtig schlecht, so war ich noch nie run­ter­ge­macht worden. Ich war doch damals noch ein halbes Kind, 21 Jahre alt.

Hat es Ihnen denn geschmei­chelt, dass Netzer Sie ver­pflich­tete? Immerhin war der HSV 1983 der beste Klub Europas.
Natür­lich, ich freute mich wahn­sinnig. Doch ich kam zu einem schlechten Zeit­punkt. Die Mann­schaft war über­al­tert. Wir schieden früh im DFB-Pokal und aus dem Lan­des­meis­tercup aus, wir ver­loren außerdem den Supercup und in Tokio das Spiel um den Welt­pokal. Was für ein beschis­sener Start.

Ihr per­sön­li­cher Ein­stand ver­lief eben­falls alles andere als traum­haft. Zu Beginn der Saison spuckten Sie Düs­sel­dorfs Peter Löhr an.
Auch wenn Löhr ein übler Treter war, wollte ich den nicht anspu­cken – ich wollte nur aus­spu­cken. Doch just in dem Moment lief er auf mich zu, und ich traf ihn. Ich bekam acht Wochen Sperre. Eine schlimme Phase.

Zumal Sie in der Hin­serie ohne ein ein­ziges Tor blieben. Wie sehr nagte die Angst des Ver­sa­gens?
Sehr. Ich hatte vor der Saison noch groß­spurig mit der Bild“-Zeitung gewettet, dass ich min­des­tens zehn Tore für den HSV machen würde. In der Rück­runde traf ich immerhin noch sieben Mal.

Lösten Sie Ihre Wett­schulden ein?
Klar, ich musste barfuß durch Ahrens­burg (Vorort von Ham­burg, d. Red.) laufen.

Ernst Happel haben Sie mal als den besten Trainer Ihrer Kar­riere bezeichnet. Er hat Sie hin­gegen als Parasit“ oder Arsch“ beschimpft. Das klingt nach einer ein­sei­tigen Liebe.
Seine Belei­di­gungen durfte man nicht ernst nehmen. Happel hat viele Spieler nie­der­ge­macht. Doch als Trainer war er klasse. Er zeigte uns Übungen, die für mich neu waren. Und das Beste: Sie machten Spaß!

Stimmt es denn, dass Sie in zwei Jahren nicht mehr als zehn Sätze gewech­selt haben?
Totaler Quatsch. Der Alte und ich haben uns jeden Freitag getroffen und Klam­mern gespielt. Er trank dazu seinen Scotch auf Eis, und wir rauchten gemeinsam. Das ging zwei Jahre so. Erst im letzten halben Jahr ver­här­teten sich die Fronten.

Er ver­bannte Sie eines Tages wegen Dis­zi­plin­lo­sig­keit vom Trai­ning und schickte Sie für zwei Wochen auf die Aschen­bahn. Wie kamen Sie damit zurecht?
Ich begeg­nete dem anfangs mit Ironie, einem Jour­na­listen sagte ich, dass ich für den New York Mara­thon trai­niere. Das ver­standen die anderen natür­lich wieder als Pro­vo­ka­tion. In Wahr­heit ging es mir richtig mies. Jeden Morgen dachte ich, scheiße, wieder laufen. Und abends war mir zum Heulen zumute.

Haben Sie sich miss­ver­standen gefühlt?
Ich habe beim HSV gewiss nicht immer gut gespielt, doch auch nicht durchweg schlecht. In der Saison 1983/84 schoss ich den HSV mit einem Tor gegen Schalke am letzten Spieltag noch in den UEFA-Cup.

Die Fans haben Sie geliebt. Ein Fan sprayte mal den Satz Wutti, wir brau­chen dich!“ auf eine Wand. Hat Sie das nicht weh­mütig gemacht?
Es gab ja auch mal einen West­kurven-Boy­kott. Die Fans ver­sperrten die Zugänge zu den Blö­cken, weil Happel mich nicht ein­setzte. Doch er konnte und wollte nicht zurück­ru­dern. Und letzt­end­lich war es mein Glück, denn ich wech­selte nach Kai­sers­lau­tern und hatte dort meine beste Zeit.