Sie haben ihn ausgebuht, auf Plakaten geschmäht, sie haben ihn in Gesängen beschimpft und jedes Foul an ihm bejubelt. Ganz allein stand er in seinem Strafraum, der beste Torhüter Deutschlands, und er musste sich nicht nur der Angriffe von vorn erwehren, sondern vor allen Dingen der Anfeindungen hinter seinem Rücken; dem Mob aus der Kurve, der sogar Obst nach ihm warf. Spiel für Spiel hat er trotzdem ausgehalten und gehalten wie kein anderer – und die gleichen Fans haben ihm umgehend zugejubelt, sobald er das Trikot mit dem Bundesadler überstreifte. Dann, nur dann, war er plötzlich ihrer aller Nummer eins. Wie hat Oliver Kahn das eigentlich alles ausgehalten?
Neuer hat die Reifeprüfung bestanden
Manuel Neuer hat nun in München die gleiche Erfahrung machen müssen mit der Schizophrenie von Fußballfans, und er hat reagiert, wie einst Oliver Kahn reagiert hat: auf der Linie großartig. Den Hass der anderen hat Neuer an seinen Schaumstoffhandschuhen abtropfen lassen wie den Ball, der gegen seine Laufrichtung ins Netz zu fliegen schien. Nach gewonnener Schlacht dann hat der Schalker Schlussmann so getan, als hätte er die tausendfachen bayerischen Schmähungen „Koan Neuer“ gar nicht richtig verstanden (was für einen Nicht-Bayer ja tatsächlich schwer ist). Manuel Neuer hat sich als resistent gegen Anfeindungen jeder Art erwiesen. Er hat damit in München seine Reifeprüfung bravourös bestanden – als künftiger Bayern-Torwart.
Auf der nächsten Seite: Manuel Neuer im Kurzinterview
Herr Neuer, Sie wurden von Fans mit „Koan Neuer“-Plakaten verhöhnt und im Strafraum beworfen. Wie haben Sie die Anfeindungen erlebt?
Manuel Neuer: Ich habe mich bemüht, nicht auf die Transparente zu schauen, sondern auf den Ball. Und das ist mir ganz gut gelungen, denke ich. Gerade nach dem Spiel kam Uli Hoeneß auf mich zu und hat sich entschuldigt für das Verhalten einiger Bayern-Fans.
Wie erklären Sie sich die Ablehnung?
Manuel Neuer: Sie können ja die Spieler fragen, die vielleicht vorher schon mal ausgebuht worden sind. Zum Beispiel Andreas Möller, um bei Schalke zu bleiben, oder Christoph Metzelder von Borussia Dortmund. Aber gerade Christoph ist inzwischen hier super integriert.
Könnte es Ihre Entscheidung über die Zukunft beeinflussen, wenn Sie in München so wenig willkommen sind?
Manuel Neuer: Ich stelle mir die Frage gar nicht. Und ich habe nie gesagt, dass ich nach München will.
Ist das denn möglich?
Manuel Neuer: Alles ist möglich.
Das Interview führte: Sebastian Krass