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Wir wollen nicht ein­fach nur irgendwie durch die Krise kommen und dann wei­ter­ma­chen wie bisher“, sagte DFL-Boss Chris­tian Sei­fert im April. Damals war der Spiel­be­trieb wegen des Corona-Virus aus­ge­setzt und die übli­chen TV-Tran­chen wurden nicht aus­ge­schüttet. Einigen Bun­des­li­gisten stand des­halb der Bank­rott bevor.

Fans sowie Ver­ant­wort­liche aus der Fuß­ball­branche zeigten sich ent­setzt. Wie können pro­fes­sio­nelle Fuß­ball­klubs, die zig Mil­lionen Euro in Trans­fers und Gehälter inves­tieren, so schnell vor der Pleite stehen? Von Ver­bänden und Ver­einen wurde dar­aufhin beteuert, dass ein Umdenken statt­finden müsse. Mehr Demut und Weit­sicht wurde ein­ge­for­dert.

Um dieses Umdenken Wirk­lich­keit werden zu lassen, grün­deten sich zuletzt Fan­in­itia­tiven wie Unser Fuß­ball“ oder Zukunft Pro­fi­fuß­ball“. Sie wollen einen nach­hal­tigen, basis­nahen Pro­fi­fuß­ball, der sich nicht weiter von den Fans ent­fremdet. Die hor­renden Spie­ler­ge­hälter, die uto­pi­schen Ablö­se­summen und die Even­ti­sie­rung des Fuß­balls im Sta­dion waren den Fans aber schon zuvor ein Dorn im Auge.

Ver­fein­dete Fan­szenen Seite an Seite gegen den modernen Fuß­ball

Seit Jahren pro­tes­tieren die Fan­szenen in Deutsch­land teils gemeinsam gegen den modernen, durch­kom­mer­zia­li­sierten Fuß­ball: Gegen die aus­ufernde Spiel­tags­zer­stück­lung, gegen fan­un­freund­liche Anstoß­zeiten, gegen hohe Ticket­preise, gegen will­kür­liche Sta­di­on­ver­bote, gegen Retor­ten­klubs wie RB Leipzig. Auch gegen den Video­be­weis. Die bun­des­weite Fan­kam­pagne 12:12“ ließ bei­spiels­weise ganze Kurve schweigen.

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Fans von Ein­tracht Frank­furt machen an Ostern 2019 ihren Unmut über Mon­tags­spiele deut­lich.

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Gehör fanden die Anliegen der Fans nur selten. Der Dialog mit den Ver­ant­wort­li­chen des deut­schen Fuß­balls ver­lief zöger­lich, Ver­spre­chen wurden laut Aus­sagen von Fan­ver­tre­tern nicht ein­ge­halten. Für die Ultras mussten andere Wege her, um ihrem Unmut Luft zu machen. Das Stich­wort: Auf­merk­sam­keit durch Pro­vo­ka­tion.

Ende Februar ging ein großer Auf­schrei durch die Presse. Die Ultras von Rekord­meister Bayern Mün­chen hatten im Spiel bei der TSG Hof­fen­heim Mäzen Dietmar Hopp mit Spruch­bän­dern ange­griffen. Das Spiel wurde quasi abge­bro­chen, die Spieler und Ver­eins­bosse soli­da­ri­sierten sich mit Hopp, kickten sich den Ball nur noch im Mit­tel­kreis zu. Die Medien berich­teten von Kra­wall, zeigten die Bilder in allen Sen­dungen.

In Talk­shows wurde über Chaoten gespro­chen, die den Fuß­ball kaputt machen würden. Von der häss­li­chen Fratze des Fuß­balls“ war die Rede. Unver­gessen, wie Sandra Maisch­berger die Ultras vor acht Jahren als Taliban der Fuß­ball­fans“ dekla­rierte und Johannes B. Kerner vor einem Fern­seh­studio eine Stoff­puppen abfa­ckelte, um die Gefähr­lich­keit von Pyro­technik zu demons­trieren.

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Die Dort­munder Fan­szene hat eine andere Auf­fas­sung davon, wer die Bezeich­nung Häss­liche Fratze des Fuß­balls“ ver­dient.

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Zukunft Pro­fi­fuß­ball“ sucht nun wieder das Gespräch, um ihre Bestre­bungen vor­zu­bringen. Die Initia­tive setzt sich aus über 50 Vertreter*innen unter­schied­li­cher über­re­gio­naler Fan­or­ga­ni­sa­tionen zusammen. Sie möchten den Ent­wick­lungen des Pro­fi­fuß­balls nicht mehr tatenlos zusehen, wes­wegen sie ein Emp­feh­lungs­schreiben auf­ge­setzt haben, das sich an die deut­schen Pro­fi­klubs, die DFL und den DFB richtet. Die For­de­rung: Mehr ver­pflich­tender Dialog mit den Fans und mehr Par­ti­zi­pa­tion für die Fans. Auf allen Ebenen.

Pop­corn und Klatsch­pappen

Die Inter­es­sen­ge­mein­schaft Zukunft Pro­fi­fuß­ball kri­ti­siert den modernen Fuß­ball dahin­ge­hend, dass die Zuschauer*innen und Fans nicht die nötige Aner­ken­nung fänden, die ihnen zustünde. Mit Sorge betrachten sie, dass sich Ver­eine und Ver­bände mit einem immer inten­si­veren Streben nach Gewinn­ma­xi­mie­rung zuneh­mend von ihrer Basis ent­fernen.“ Die Corona-Krise habe den Verfasser*innen diese Fehl­ent­wick­lungen noch­mals vor Augen geführt.

Den Ver­einen und Ver­bänden wird unter­stellt, Stadionbesucher*Innen zu bevor­zugen, die den Fuß­ball fleißig kon­su­mieren und offen­sicht­liche Miss­stände kri­tiklos hin­nehmen. Denn mal ehr­lich: Wer braucht schon kri­ti­sche Spruch­bänder, wenn man die Fans auf der Haupt­tri­büne auch mit Klatsch­pappen und Pop­corn glück­lich machen kann?

Die Argu­men­ta­tion der Kam­pagne beruht auf der Unter­schei­dung zwi­schen dem Fuß­ball als sport­liche Dis­zi­plin, dem Fuß­ball als Publi­kums­sport und dem Fuß­ball als Volks­sport. Fuß­ball müsse zunächst als sport­liche Dis­zi­plin begriffen werden, die als Freizeit‑, Breiten- oder Leis­tungs­sport aus­geübt werde, aber auch dem Geld­erwerb dienen könne. Glei­cher­maßen sei der Fuß­ball aber auch kein reiner Selbst­zweck, son­dern ver­folge seither das Ziel, Men­schen­massen zu begeis­tern und zu unter­halten.

Fuß­ball habe sich so zu einem Sport ent­wi­ckelt, der ein­deutig für das Publikum betrieben werde. Die Begeis­te­rungs­fä­hig­keit des Publi­kums nutze der Fuß­ball, um sich als Volks­sport aus der Mitte der Gesell­schaft zu prä­sen­tieren und auf seine inte­gra­tive Wir­kung zu ver­weisen.

Fuß­ball als sport­liche Dis­zi­plin kann selbst­ver­ständ­lich ohne die Bereiche Publi­kums­sport und Volks­sport aus­geübt werden. Aber ohne Fans und Zuschauer*innen wird er nicht zu Publi­kums- und Volks­port. Und ohne Publi­kums- und Volks­sport kein erwerbs­ori­en­tierter Fuß­ball, wie wir ihn als Pro­fi­fuß­ball kennen“, heißt es in der Stel­lung­nahme von Zukunft Pro­fi­fuß­ball“. Für die Kam­pagne sind es die aktiven Fans, die im erheb­li­chen Maße zum Fuß­ball­hype bei­getragen haben und somit die Ver­markt­bar­keit des Sports ermög­lichten.

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Die Kölner Anhän­ger­schaft ist sich einig: Fuß­ball als Volks­sport erhalten“.

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Ein ver­bind­li­cher Dialog muss her

Im Ver­ständnis der Verfasser*innen müssen diese drei Kom­po­nenten des Fuß­balls als gleich­wer­tige Bereiche betrachtet werden, weil sie in Wech­sel­wir­kung zuein­ander stünden. Von Seiten der Offi­zi­ellen werde aber teil­weise argu­men­tiert, dass der Pro­fi­fuß­ball auch ohne die Zuschauer*innen auf den Rängen funk­tio­niere. Um diesen Irrtum auf­zu­klären, brauche es einen stär­keren und bin­denden Dialog zwi­schen den orga­ni­sierten Fans und den Ver­einen und Ver­bänden.

Zwar wurde 2012 ein ver­pflich­tender Dialog zwi­schen Fans und Ver­einen der 1. und 2. Bun­des­liga in der Lizen­zie­rungs­ord­nung der DFL fest­ge­schrieben, es gibt aller­dings kei­nerlei Kon­trolle, ob und wie dieser Dialog tat­säch­lich durch­ge­führt wird. Die Ver­eine sind der DFL keine Rechen­schaft schuldig, son­dern müssen ledig­lich schrift­lich mit­teilen, sich für einen Klub-Fan-Dialog zur Ver­fü­gung zu stellen.

Zur Behe­bung dieses Miss­standes emp­fiehlt Zukunft Fuß­ball“ eine Anpas­sung der Lizen­sie­rungs­ord­nung, die Ver­bind­lich­keit und Über­prüf­bar­keit garan­tiert. Außerdem müssten Struktur und Beset­zung dieses Dia­logs ver­bind­lich gere­gelt werden und auch in den Sta­tuten für die 3. Liga ver­an­kert werden

Die neue Kom­mis­sion Fans & Fan­kul­turen“

Als Lösungs­an­satz werden bun­des­weite Dialog-For­mate vor­ge­schlagen, in denen Zuschauer*innen und Fan­grup­pie­rungen ihre Inter­essen vor­tragen können. Diese müssten kon­ti­nu­ier­lich neu- und wei­ter­ent­wi­ckelt werden. So auch die bereits bestehende AG Fan­kul­turen“, die struk­tu­rell unter­halb der DFB-Kom­mis­sion Prä­ven­tion & Sicher­heit & Fuß­ball­kultur“ ange­sie­delt ist.

Die AG Fan­kul­turen“, deren Geschäfts­füh­rung der DFL obliegt, habe das Pro­blem, dass sie der­zeit ledig­lich als Bera­tungs- und Kom­pe­tenz­gre­mium“ ver­standen werde, nicht aber als mit­ent­schei­dendes Organ. Dar­über hinaus seien nicht alle bun­des­weiten Fan­or­ga­ni­sa­tionen in der AG ver­treten. Zukunft Pro­fi­fuß­ball“ schlägt des­halb eine eigen­stän­dige DFB-Kom­mis­sion Fans & Fan­kul­turen“ vor, die den anderen 26 DFB-Kom­mis­sionen hier­ar­chisch gleich­ge­stellt ist.

Die neue Kom­misson Fans & Fan­kul­turen“ soll bei allen DFB- und DFL-Ent­schei­dungen, die mit­telbar oder unmit­telbar Fans und/​oder Fan­kul­turen betreffen“, berück­sich­tigt und ein­be­zogen werden. Unter­halb der Kom­mis­sion müssten zudem noch ein­zelne AGs ent­stehen, die die Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen Ver­bänden, Klubs und Fans ver­bind­li­cher, effek­tiver und ziel­ge­rich­teter gestalten.

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DFL-Geschäfts­führer Chris­tian Sei­fert unter­hält sich mit DFB-Prä­si­dent Fritz Keller.

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Ob Sei­ferts Rede von Demut bloß Phra­sen­dre­scherei war, wird sich auch daran messen lassen müssen, ob sich die Ver­bände und Klubs künftig ernst­haft mit den Belangen der Fans aus­ein­an­der­setzen werden. Viel­leicht bleibt aber auch alles so, wie es ist. Und von einem Sin­nes­wandel will nach Corona keiner mehr etwas gewusst haben.