Publikumsliebling Naldo verlässt den FC Schalke. Dafür gibt es gute Gründe für beide Seiten. Der Transfer zeigt aber auch, warum S04 gerade so schlecht dasteht.
Der Transfer ist also für beide Seiten sportlich nachvollziehbar – doch genau das symbolisiert das Problem auf Schalke. Heidels Transfers sind einzeln betrachtet meistens nachvollziehbar, ganz so wie Tedescos personelle Umstellungen. Nur: Beide wollen zu viel.
In zweieinhalb Jahren nahm Heidel durch den Verkauf von Eigengewächsen wie Leroy Sane und Thilo Kehrer ordentlich Geld ein, gab aber stolze 145 Millionen Euro aus. Für 25 neue Spieler. Das nimmt jene Ausmaße an, als auf Schalke im Trainer-Managerbüro noch minutenlang in den Tee geschwiegen wurde.
Heidel und Tedesco wollen zu viel
Zu viel des Guten waren auch die Tüfteleien des Trainers. Domenico Tedesco probierte und probierte, bei den Formationen (4−4−2, 4−2−3−1, 3−5−2, 4−3−1−2 usw.) und bei den Aufstellungen (zeitweise rotierte er im Schnitt in jedem Spiel auf vier Positionen). Spätestens bei der Berufung eines defensiven Mittelfeldspielers und eines linken Verteidigers in die Doppelspitze im Revierderby wirkte er wie ein Professor, dem seine Experimente über den Kopf gewachsen waren. Natürlich zwangen auch Verletzungen oder Formtiefs den Trainer zu seinen Wechseln, aber nicht selten überforderte er sein Team mit den Neuerungen.
Der Mannschaft fehlen ein Gerüst auf dem Platz und eine klare Hierarchie, weil sich bis auf Daniel Caligiuri mittlerweile kein Spieler seines Platzes in der Mannschaft sicher sein kann (auch nicht der Kapitän Ralf Fährmann). Die Elf hat sich nie richtig aneinander gewöhnt, weswegen Passfolgen über drei Stationen zur Rarität verkommen sind. Einigen Spielern mangelt es an Selbstvertrauen, weil sie zwischen Startelf, Ersatzbank und Tribüne hin und her geschoben werden.
Und was wohl der größte Unterschied zur Vorsaison ist: Vielen Spielern mangelt es an der nötigen Mentalität. Nach dem desaströsen Spiel in Porto stauchte Tedesco seine Mannschaft auf dem Rasen zusammen und zerrte sie dann regelrecht vor die wütende Fankurve. Als einige Spieler umdrehen wollten, wies er sie an zu bleiben und ging demonstrativ persönlich zu den Fans.
Schalkes Team mangelt es an Struktur – und Mentalität
An Identifikation und Bemühen mangelt es weder Tedesco noch Heidel. Schalke würde gut daran tun, den viel beschworenen Wunsch nach Kontinuität mit diesen beiden in die Tat umzusetzen. Sie haben bewiesen, dass sie eine Mannschaft und einen Klub besser machen können. Dafür müssten sie aber wieder dahin kommen, nicht jeden Transfer und jede Aufstellung kühl einzeln zu bewerten, sondern das Zusammenwirken aller Teile im Blick zu haben.
Das lässt sich am Fall Naldo veranschaulichen: Sportlich mag der Weggang nachvollziehbar sein. Doch Schalke muss mehr als einen alternden Innenverteidiger ersetzen. Das zeigt allein schon der Spitzname, den ein Großteil der Mannschaft für Naldo parat hatte. Schalke muss nun „Papa“ ersetzen.