Verletzt, verdrängt, vergammelt. Für einige Stars geht es statt zur EM im Sommer auf die Couch. Unsere Top-Elf der Zuhausebleiber.
Tor: Kevin Trapp (Deutschland)
Französischer Meister? Check. Französischer Pokalsieger? Check. Mindestens genauso gut wie wer? Cech. Kevin Trapp hätte eine Nominierung zweifellos verdient gehabt. Nur hat Kevin Trapp das Problem, das so viele deutsche Torhüter vor ihm auch schon hatten: Er ist ein deutscher Torhüter. Und so ist die Konkurrenz eben sehr stark und Löw entschied sich für Ter-Stegen und Leno als Trainingspartner von Manuel Neuer. Wenigstens kann Trapp jetzt zur Grillparty von Ron-Robert. Der hatte eh schon zigmal gefragt, immerhin bringt Ralf ein paar Veltins mit und Loris diese tollen Würstchen aus Liverpool. Lecker.
Abwehr: Fabio Coentrao (Portugal)
Für den Mann mit dem sympathischen Vogel-Look hat es nicht gereicht. Das hat weniger mit seiner Leistung zu tun, vielmehr fällt der Linksverteidiger wegen einer Oberschenkelverletzung aus. Dabei war er grade erst wieder fit geworden nach einem Fußbruch. Naja, zumindest hat er Samstag mit Real die Champions League gewonnen. Ah, nee…Coentrao ist ja ausgeliehen nach Monaco. Wir denken: »Urgh!« Und fragen uns, ob Coentrao auf dem Bild betet oder irgendwem da oben droht.
Abwehr: Vincent Kompany (Belgien)
Wenn der Kapitän nicht dabei ist, so erzählen es sich die alten Seefahrer von Antwerpen bis nach Marseille, kentert das Schiff. Oder, so munkeln die bärtigen Männer mit Holzbein weiter, es rammt zumindest ein paar Felsen. Welches Szenario für die belgische Mannschaft, die ja technisch gesehen gar kein Schiff ist, auch immer zutreffen mag: der verletzungsbedingte Ausfall von Abwehrchef Kompany ist eine mittelschwere Katastrophe. Zwar steht sportlich starker Ersatz bereit, doch gilt Kompany als Leitwolf der goldenen belgischen Generation. Man kann für das wahnsinnig talentierte Team nur hoffen, dass der ausgedachte Seefahrer-Mythos der Quatsch ist, für den Sie, lieber Leser, ihn von Anfang an hielten. Oder dass sich irgendein Matrose zu Höherem berufen fühlt.
Abwehr: Raphael Varane (Frankreich)
Technisch eine Augenweide, dazu jung und hungrig. Keine Frage, Raphael Varane war ein wichtiger Mann in den Planungen von Frankreichs Trainer Didier Dechamps. Doch auch der Real-Profi fällt mit einer Oberschenkelverletzung aus. Als klar war, dass Varane nicht würde spielen können, fragte sich ganz Frankreich, wer die Lücke im Kader denn schließen könnte. Frank Lebeauf? Matthieu Delpierre? Am Ende wurde es Adil Rami.
Mittelfeld: Javi Martinez (Spanien)
Mia san beleidigt. Ein Bayern Spieler, mehr Titel im Lebenslauf als unsereins Tore in der Kreisliga B Staffel 6, nicht gut genug für Vicente del Bosque und die spanische Nationalmannschaft? Gibts doch nicht. Zwar hatte Martinez immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen, im Endeffekt fehlt er wohl trotzdem in erster Linie aus sportlichen Gründen. Kann natürlich ins Auge gehen, wenn sich Busquets, Iniesta, Thiago, Koke und Fabregas verletzen. Könnte aber natürlich auch gut gehen.
Mittelfeld: Claudio Marchisio (Italien)
Kreuzbandriss für Marchisio. Ganz bittere Pille für Italien. Ohne den zentralen Mittelfeldspieler von Juventus Turin fehlt der Mannschaft von Antonio Conte ihr Herzstück. Dem ist das vielleicht egal, schließlich hat Conte ja seine berufliche Zukunft schon gesichert. Für die Tifosi ist es jedoch ein weiterer Grund, nicht sonderlich zuversichtlich in das Turnier zu starten. Immerhin ergibt sich so vielleicht die Chance für ein paar Jungspunde – wir denken an ein Talent wie Thiago Motta – auf sich aufmerksam zu machen.
Mittelfeld: Theo Walcott (England)
Aus der Kategorie: Ausgemustert. Einst die große Hoffnung der Engländer, gehandelt als legitimer Nachfolger von Michael Owen und David Beckham in Personalunion. Jetzt von Roy Hodgson einfach übergangen. Der setzt lieber auf die jungen Talente, die neuen Owens und Beckhams. Und auf Walcotts Teamkollegen Jack Wilshere. Der hat diese Saison auch immerhin 141 Minuten in der Premier League gespielt.
Mittelfeld: Ilkay Gündogan (Deutschland)
Pechvogel, der. Laut Duden jemand, der oft Pech hat. Für Ilkay Gündogan irgendwie untertrieben. Das zweite große Turnier in Folge wäre er Stammspieler gewesen, das zweite Turnier in Folge verpasst er wegen einer Verletzung. Und dann sind es nicht mal typische Fußballerverletzungen, ein Muskelbündelriss etwa oder ein angerissener Hoden. Nein, bei Gündogan war es 2014 irgendwas am Rücken, aus Wochen wurden Monate und ein Jahr. Und jetzt, nach bärenstarker Saison mit Dortmund, hat er sich die Kniescheibe ausgerenkt. Wünscht man keinem. Nicht mal einem, der zu Manchester City will.
Sturm: Fernando Torres (Spanien)
Aus den Mündern junger Menschen heißt es seit ein paar Jahren: »Läuft bei dir.« Fernando Torres dürfte den grammatikalisch zweifelhaften Satz nicht allzu häufig hören. Zum einen ist er Spanier und die Redewendung wohl noch nicht nach Madrid übergeschwappt. Außerdem ist der Stürmer, auch wenn man es ihm nicht ansieht, auch gar kein Jugendlicher mehr. In erster Linie lässt sich aber festhalten, dass es bei Torres schlichtweg nicht mehr läuft. 2012 noch Europameister und EM-Torschützenkönig, jetzt nicht mal mehr im Kader der Spanier. Und dann war da ja auch noch dieses Finale letzte Woche, das er mit seinem Heimatverein gegen den Erzrivalen verlor.
Sturm: Mario Balotelli (Italien)
Über Mario Balotelli ist wohl alles gesagt worden. Übertalent, Skandalnudel, Nationalheld 2012, jetzt bei Milan endgültig in der Liga der Deppen angekommen. Nach zwei vollkommen verkorksten Jahren vertraut Nationaltrainer Antonio Conte lieber auf eine Horde Namenloser als auf Super-Mario. Oben ein Symbolbild.
Sturm: Karim Benzema (Frankreich)
Manche Menschen stehen sich selbst im Weg. Karim Benzema würde sein Team in zehn Tagen als der Star bei der EM im eigenen Land anführen. Er hätte die große Chance, sich mit dem Titel unsterblich zu machen. Aber Karim Benzema ist in einen der dümmsten und größten Skandale des modernen Fußballs verwickelt. Im Bild versucht er dem französischen Volk zu erklären, wer wen warum bei was gefilmt hat und dass er mit dem Sextape und der Erpressung von Teamkollege Valbuena ja nicht so wirklich zu tun gehabt hätte. Nur irgendwie glaubt ihm das weder Nationaltrainer Dechamps noch Premierminister Valls und so verpasst Benzema das Highlight seiner Karriere. Vor unserem geistigen Auge zeigt Nelson Muntz mit seinem gelben Finger auf Benzema, während der Grobian aus der 10 C, vor dem die ganze Schule Schiss hatte, ihm von hinten die Unterhose hochzieht.
Joker: Marco Reus (Deutschland)
Ganz frisch im Kader: der deutsche Flügelstürmer überhaupt. Viel mehr Scheiße am Fuß als Reus kann man nicht haben, nach 2010 und 2014 verpasst er zum dritten Mal ein großes Turnier, zum zweiten Mal verletzungsbedingt. Und weil das Schicksal eben eine wahnsinnig launische Diva ist, wurde Reus mal eben an seinem Geburtstag aus dem Kader gestrichen. Man sieht die Sektkorken förmlich vor Scham geräuschlos aus der Flasche kriechen. Vielleicht nächstes Jahr dann wieder mit Schmackes Richtung Bilderrahmen, 2017 steht schließlich kein Turnier an.
Die Elf, die fehlen
Unsere Top-Mannschaft: ein illustrer Kreis aus Verletzten, Übergangenden und Stürmern, die mit sich selbst und/oder dem Gericht im Konflikt stehen. In der B‑Elf, natürlich aus rein sportlichen Grünen, die komplette niederländische Nationalmannschaft.