Reis da, Schröder weg, Knäbel in der Kirche – die Vorstellung von Schalkes neuem Trainer zeigt: Er muss vor allem ein kommunikatives Vakuum füllen.
Rouven Schröder lebt. Das vorab. Denn wer am Donnerstagmorgen die Pressekonferenz des FC Schalke 04 verfolgte und den Worten von Peter Knäbel lauschte, der konnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass der Sportvorstand dort gerade Abschied von einem verstorbenen Freund nahm. „Er fehlt“, sagte Knäbel in pastoralem Tonfall. „Er wird auch noch sehr lange fehlen. Und jeder kennt aus seinem Privatleben das Gefühl des Verlustes. Schmerz, Enttäuschung, Angst und die ewige Frage nach dem Warum. Ich kann mir vorstellen, dass sich viele, vor allem unsere Fans diese Frage stellen: Warum?“
Tatsächlich dürften sich viele Fans in diesem Moment diese Frage gestellt haben: Warum? Warum sitzt unser Sportvorstand da und hält eine Grabrede auf unseren Sportdirektor? Ja, Medienberichten zufolge habe sich Schröder zuletzt ausgelaugt gefühlt. Auch eine Erkrankung in seinem privaten Umfeld soll ihn dazu bewogen haben, seine Arbeit auf Schalke ruhen zu lassen. Doch als der 47-Jährige am Mittwoch überraschend das Vereinsgelände des FC Schalke 04 verließ, wirkte er zumindest physisch ziemlich lebendig.
Die Worte von Peter Knäbel waren aber auch in einem weiteren Punkt äußerst zutreffend. Denn der irritierende Auftritt des Sportvorstands unterstrich bereits einen Tag nach Schröders Abschied, wie sehr jener tatsächlich fehlt – vor allem im Hinblick auf die Außendarstellung des Klubs. Denn in den knapp 16 Monaten seines Wirkens auf Schalke war er von Beginn an das sportliche Gesicht des Klubs. Er bewerkstelligte den größten Kaderumbau der Vereinsgeschichte, befreite die Gehaltsliste von Großverdienern, posierte mit Neuzugängen vor der Kamera und moderierte diesen Umbruch auch gegenüber der Öffentlichkeit ungewohnt souverän – vor allem, weil im Gegensatz zu vorherigen Zeiten kaum noch interne Informationen an die Presse gelangten. Ein Umstand, der auch für seinen plötzlichen Abgang gilt: Mit der Nachricht, dass er den Verein verlassen werde, überrumpelte er sämtliche Journalisten, die sich am Mittwoch auf dem Schalker Vereinsgelände versammelt hatten, um dort auf eine Entscheidung in der Trainerfrage zu warten.
Es war dieser „Macher“-Gestus, der die Fans auf Schalke Rouven Schröder schnell den Beinamen „Don“ verliehen ließ. Doch die jüngste sportliche Misere kratzte auch am Bild des Allmächtigen. Mit zu vielen Personalentscheidungen inklusive der des Trainers hatte Schröder im Sommer falsch gelegen. Immerhin diese Position korrigierte er noch vor seinem Abgang, nach dem desolaten Pokalspiel gegen Hoffenheim musste Frank Kramer gehen. Immerhin kommt nun mit Thomas Reis ein Trainer, den Schröder eigentlich vor der Saison gerne schon aus Bochum nach Gelsenkirchen geholt hätte.
Dass Schalke nach Kramers Ende aber auch mit anderen Trainer verhandelte, kümmert Reis selbst herzlich wenig. „Wenn man mich als Plan B, C oder D hinstellt, ist mir das völlig egal“, sagte er. „Ich sitze hier und kein anderer.“ Der neue Trainer gab sich selbstbewusst. „Ich weiß, dass ich in Bochum toll gearbeitet habe“, hob er seine Leistungen beim Reviernachbarn hervor. „Nicht umsonst spielt der VfL in der ersten Liga.“
Damit verkörpert Reis ebenjene erfrischend klare Hemdsärmeligkeit, die Schalke mit Rouven Schröder verloren hat. Weiteren Kredit beim traditionell kritischen Schalker Anhang dürfte Reis sich mit jenem Teil seiner Ablösesumme erkauft haben, den er bei seinem alten Arbeitgeber selbst bezahlte. Wenn es ihm jetzt noch gelingt, auch den Großteil der sportlichen Kommunikation zu übernehmen, könnte er schon bald als Schalkes neuer Macher wahrgenommen werden. Na gut, eine verunsicherte Mannschaft von unterdurchschnittlicher Qualität sollte er im besten Fall natürlich auch noch zum Klassenerhalt führen – allein schon um weitere Grabreden von Peter Knäbel zu verhindern.
Schalke 04 steht vor einem Kraftakt. Um den Absteiger zu konsolidieren, muss Sportdirektor Rouven Schröder teure Spieler loswerden, Leistungsträger billig einkaufen und nebenbei ein neues Wir-Gefühl im Klub schüren. Bekommt er das auf die Reihe?