Heute vor 47 Jahren trafen Fans des Hamburger SV und der Glasgow Rangers am Rande eines Testspiels aufeinander und begründeten eine Freundschaft fürs Leben. Jetzt gehen die Clubs eine offizielle Partnerschaft ein. Wie findet so ein ungleiches Duo zueinander?
Als der Hamburger SV vor 47 Jahren, dem 4. März 1974, im Volksparkstadion zum Freundschaftsspiel bat, faszinierte die Hamburger Fans nicht ihre eigene Mannschaft – die meisten Augen waren auf die Gästekurve gerichtet. Während der HSV noch eine Dekade vor den größten Erfolgen stand, kam mit den Rangers der Sieger des Europapokal der Pokalsieger von 1972 in die Stadt. Mit dabei: Ihre fanatischen und kontaktfreudigen Anhänger, die viele Hamburger direkt ins Herz schlossen. Dass der HSV am Ende mit 3:0 gegen den hochdekorierten Club aus Glasgow gewann, verkam zur Randnotiz.
Jetzt gehen die Vereine eine Partnerschaft ein. Seit Anfang Februar sind der Rangers FC und der Hamburger SV auch offiziell durch eine Vereinspartnerschaft verbunden, um „diese langjährige Freundschaft weiter zu fördern und für gemeinsame Projekte enger zusammenzurücken“, wie es in der Pressemitteilung des HSV heißt. Und weiter: Die Maskottchen sollen bald auch gemeinsam die jungen Fans beider Seiten bespaßen. Das klingt zwar lustig, doch die Frage, die bleibt, ist: Warum all das? Dirk Mansen ist in der AG Fankultur des HSV angestellt – und er weiß, was es mit der Verbindung auf sich hat.
„Das war tatsächlich ‘ne ganze Menge, die hier war“ erinnert sich Mansen. Er ist seit knapp 50 Jahren HSV-Fan und mittlerweile als einer von sieben Fanbeauftragten beim Hamburger SV tätig. „Dass die Schotten zu so einem Kick über Tage durch die Gegend fuhren und dann so freundlich in Kontakt traten, das hat die Leute hier begeistert.“ Besonders der für norddeutsche Ohren fremde, ausdauernde Gesang sei beeindruckend gewesen. In Deutschland gab es in den 70er-Jahren noch keine nennenswerten Spuren der Fankultur. Zuschauer kamen ins Stadion, schauten das Spiel und gingen heim. Vielleicht war es also eine glückliche Fügung von Zeit und Raum. Hätte das Testspiel zehn Jahre später stattgefunden, als in Hamburg die Hooligans marodierten, hätten sich die neu gefundenen Blutsbrüder möglicherweise gegenseitig auf den Kopf gehauen, statt gemeinsam in den Spelunken des Hamburger Bergs zu feiern.
Aus der Begegnung wurde ein jahrelanger Austausch. Die ersten Hamburger reisten drei Jahre später nach Glasgow. „Das hat sich über Jahre so entwickelt, Hamburger sind nach Glasgow gefahren und wurden sehr herzlich aufgenommen“, erklärt Mansen, der zu dieser Zeit eine große Faszination für die Insel verspürte. Die Neugier hatte ihn gepackt, 1985 setzte auch er über um schottische Stadionluft zu atmen.
„Da kommst du völlig überbetreut wieder nach Hause“
„Ich hatte damals einen Brieffreund in Glasgow, von dem ich dann ein Ticket bekommen habe. Das war schon damals nicht einfach.“ Wer aber ins Stadion kam, erlebte eine andere Welt. Besonders die britische Stadionkultur mit ihren Gesängen hatte es Mansen angetan. „Das war eine fantastische Atmosphäre, der Support geht viel mehr auf das aktuelle Geschehen ein. Diese Aufregung um einzelne Spielszenen, dass die Gesänge direkt auf den Spieler, der gerade am Ball ist, bezogen werden das finde ich schon richtig klasse.“ Dazu kam die schottische Gastfreundschaft. Seightseeingtouren wurden organisiert, die Gäste wurden beköstigt und es gab jederzeit einen frischen Cider in die Hand. „Da kommst du völlig überbetreut wieder nach Hause, mit so vielen Eindrücken, dass du tagelang nicht schlafen kannst“, schwärmt Mansen.
Eine Erfahrung, die Mansen mit vielen Fans teilt. „In Glasgow hat‘s mir gut gefallen“, tönt es bis heute vor HSV-Heimspielen aus den Lautsprechern und tausenden Kehlen, wenn die Hymne „Mein Hamburg lieb‘ ich sehr“ von Abschlach eingespielt wird.