Zinédine Zidane hat mit Real Madrid schon wieder einen Titel gewonnen. Spätestens jetzt muss man ihn zu den größten Trainern aller Zeiten zählen.
Als kleiner Junge sitze ich gebannt vor dem Fernseher, einem massiven Röhrenfernseher. Es ist das erste WM-Finale, das ich bewusst miterlebe. Insgeheim fiebere ich mit den Spielern in den gelben Trikots mit. Ich hoffe darauf, dass der „richtige“ Ronaldo ein Tor schießt, auch wenn es noch gar keinen „falschen“ Ronaldo gibt. Und Brasilien im Jahr 1998 Weltmeister wird. Doch es kommt anders. Nach einer Ecke steigt ein Mann mit Halbglatze hoch und drückt den Ball mit seinem Kopf so wuchtig aufs Tor, dass der brasilianische Keeper chancenlos ist. Später erzielt er noch ein weiteres Tor und führt die Franzosen zum ersten Weltmeistertitel ihrer Geschichte. Obwohl meine Sympathien eher den Zauberern vom Zuckerhut gelten, erkenne ich die Magie der Halbglatze an. Ein bisschen freue ich mich sogar für sie.
Vier Jahre später hoffe ich auf den Sieg von Bayer 04 Leverkusen, doch wieder ist der Mann mit der Halbglatze da und verhindert meinen Wunsch. Im Champions-League-Finale hebt er sein Bein so elegant und hoch, dass der Ball nur in den Winkel einschlagen kann. Zu einem der schönsten Tore der Fußballgeschichte. Im WM-Finale 2006 endet meine Reise mit dem Mann mit der Halbglatze dann auf tragische aber doch standesgemäße Weise. Zizou verabschiedet sich in der Verlängerung seines letzten Spiels per Kopfstoß vom Publikum. Ich kann es ihm nicht verübeln, obwohl ich diesmal den unterlegenden Franzosen die Daumen gedrückt habe.
Für mich war klar, so verabschieden sich nur die Großen. Etwas traurig war ich dennoch, als mir bewusst wurde, dass ich einen meiner absoluten Lieblingsspieler nie wieder auf dem grünen Rasen sehen würde. Seitdem hat Zinédine Zidane kein Profi-Fußballspiel mehr absolviert. Dennoch schreibt einer der größten Protagonisten, den diese Sportart je gesehen hat, weiter an seiner eigenen Legende. In anderer Funktion.
Donnerstagabend ist Zidane mit Real Madrid zum zweiten Mal nach 2017 spanischer Meister geworden. Als Trainer. Für Zidane war der Titelgewinn einer der schönsten überhaupt, wie er nach dem entscheidenden 2:1‑Sieg gegen Villareal verriet: „Nach dem Lockdown, nach allem, ist dieser Titel einfach nur beeindruckend.“ Für mich war er das nicht. Ich bin seit jeher Fan des FC Barcelonas, dem katalonischen Erzrivalen von Real Madrid. Titel der Königlichen sind daher stets ein kleiner Stich in mein Fußballherz.
Doch auch ich muss neidlos anerkennen: Dieser Meistertitel ist mehr als verdient. Natürlich hat der FC Barcelona seit dem Re-Start der Liga viele Punkte liegengelassen. Ja, Real Madrid hat nicht immer spielerisches Gourmetessen aufgetischt. Ja, einige Spiele wurden nur durch Elfmeter von Sergio Ramos gewonnen. Und trotzdem, Zidanes Real hat die Aufgabe angenommen und dabei nicht nur zwei Punkte auf den Konkurrenten aufgeholt, sondern auch alle zehn Spiele seit der Unterbrechung siegreich bestritten.