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Der November ist unter Fuß­bal­lern nicht der belieb­teste Monat. Mit ihm kommen Kälte, eisiger Regen wäh­rend der Trai­nings­ein­heiten und kurze, dunkle Tage. Und wäh­rend der Winter vor der Tür steht, erhöht sich die Schlag­zahl der Spiele. In der Cham­pions-League werden die Tickets für die Ach­tel­fi­nals gelöst, in der Liga zeigt sich, wer oben und wer unten mit­spielen wird, wich­tige Spiele gehen ver­loren, Krisen beginnen. Im November steigt der Druck. Druck der den einen lähmt, wäh­rend er dem anderen erst dabei hilft, sein Top­ni­veau zu errei­chen. Emre Can scheint zu letz­teren zu gehören. Das hat er in seiner Kar­riere bis­lang immer wieder unter Beweis gestellt.

Als er als 14-Jäh­riger von Ein­tracht Frank­furt zu Bayern Mün­chen wech­selt, begründet er seine Ent­schei­dung damit, mit dem Wechsel der Pre­mier-League näher zu kommen. Dorthin also wo der Druck am größten ist, wenn alle drei Tage ein wich­tiges Spiel im Kalender steht. Can hat in seiner Kar­riere mehr­fach den Verein gewech­selt und sich dadurch immer wieder neuen Auf­gaben gestellt, immer wieder neue Druck­si­tua­tionen erschaffen. Von Mün­chen ging er als 19-Jäh­riger zu Bayern Lever­kusen, um bereits nach einem Jahr zum FC Liver­pool zu wech­seln. Nach vier Jahren auf der Insel, auf der er sich als Stamm­spieler von Liver­pool einen Namen machte ging es schließ­lich zum euro­päi­schen Top-Team von Juventus Turin.

Nur noch Sta­tist

Doch wäh­rend der November in Turin ver­gleichs­weise milde Tem­pe­ra­turen mit sich bringt, ist er im Jahr 2019 für Can die wohl här­teste Zeit seiner jungen Kar­riere. Weil er den Druck der engen Spiele spüren will, aber nicht darf. Beim Cham­pions-League-Spiel zwi­schen Juve und Atle­tico, gegen die Can ein Jahr zuvor im Ach­tel­fi­nale beim 3:0‑Sieg Juves noch geglänzt hatte, blieb ihm nur noch einer der 41.507 Sitz­plätze im Juventus-Sta­dion. 

Im Sommer hatte ihn Trainer Mau­rizio Sarri nicht für seinen Kader der Königs­klasse nomi­niert und dies sowie die schlechte Per­spek­tive auf Spiel­zeit mit dem auf­ge­blähten Kader der Bian­co­neri begündet. Gegen seine direkten Kon­kur­renten Blaise Matuidi und Sami Khe­dira fällt Can aus Sarris Sicht Sarris ab. Die rechte Posi­tion in einer Dreier-Abwehr­reihe, die er sowohl in Liver­pool, als auch unter Allegri hin und wieder beklei­dete, exis­tiert unter Sarri nicht. Und wäh­rend Can zuletzt bei Jogi Löw auch in einer Vie­rer­kette als Innen­ver­tei­diger auf­lief und dabei über­zeugte, scheint die Juve-Innen­ver­tei­di­gung auch nach dem Kreuz­band­riss von Giorgio Chiel­lini mit Leo­nardo Bonucci und Mat­thijs de Ligt gut besetzt zu sein, zumal auf der Bank auch noch Daniele Rugani und Merih Demiral auf Ein­satz­zeiten warten. Und so kann Can nur magere fünf Liga-Ein­sätze vor­weisen, in Summe 170 Minuten. Unter Mas­si­mi­liano Allegri kam er in seiner Debüt­saison hin­gegen auf 29 Liga-Ein­sätze und sechs in der Cham­pions-League.

Für Can ist es nicht das erste Mal in seiner Kar­riere, dass er sich in eine Mann­schaft kämpfen muss. Im Kicker betont der 25-Jäh­rige, sich bisher noch bei all seinen Sta­tionen durch­ge­setzt zu haben. Der Schritt nach Liver­pool sei etwa ein großer gewesen, den er schließ­lich auch dank seiner großen Stärke, seiner Kämpfer-Qua­li­täten, bewäl­tigt habe. Und so ist nicht ver­wun­der­lich, dass Can nach seiner anfäng­li­chen Kritik an der Ent­schei­dung Sarris und seinem öffent­li­chen Koket­tieren mit einem Wechsel nun ver­sucht auf sein Erfolgs­re­zept zu kon­zen­trieren: seinen unbe­dingten Willen, sich durch­zu­setzen.

Ich hoffe, dass mein Ehr­geiz eines Tages belohnt wird“ sagt Can nun in diesem November und schickt hin­terher: Auch wenn das für den Kopf nicht immer ein­fach ist“. Man wird den Ein­druck nicht los, der Kämpfer Can sei hin und her gerissen. Zwi­schen dem Ehr­geiz, der ihn über­haupt in das Trikot einer tra­di­ti­ons­rei­chen euro­päi­schen Spit­zen­mann­schaft schlüpfen ließ und den Zwei­feln in seinem Kopf, die im ita­lie­ni­schen Herbst immer größer zu werden scheinen. Denn sollte sich an der aktu­ellen Kader-Situa­tion Juves nichts Bahn­bre­chendes ver­än­dern, muss Can kon­sta­tieren, dass sich seine Ein­satz­chancen auch in der anste­henden Rück­runde nicht bes­sern werden.

Wechsel als letzter Ausweg?

Das Para­doxe ist: Wäh­rend Can in Turin kaum eine Rolle mehr spielt, steigen seine Chancen auf einen Platz im Kader von Jogi Löw für die Euro­pa­meis­ter­schaft im kom­menden Jahr. Im EM-Qau­li­fi­ka­ti­ons­spiel gegen Nord­ir­land machte Can als Innen­ver­tei­diger einen guten Job und pro­fi­tierte auch davon, dass der defen­sive Mann­schafts­teil der Löw-Elf aktuell von Ver­let­zungs­sorgen geplagt ist. Für Can böte sich im Winter die Mög­lich­keit, die Wahr­schein­lich­keit einer EM-Teil­nahme durch einen Wechsel weiter zu erhöhen. An Inter­es­senten dürfte es nicht man­geln: Nachdem zuletzt über eine Rück­kehr nach Mün­chen spe­ku­liert worden war, gibt es nun Gerüchte um einen Wechsel zum BVB.

Für den Kämpfer Can dürfte ein vor­zei­tiger Abschied aus Turin ver­mut­lich einer eigenen Nie­der­lage gleich kommen – der Nie­der­lage, sich im Star-Ensemble der Bian­co­neri nicht durch­ge­setzt zu haben. Doch in der ver­meint­li­chen Nie­der­lage liegt auch die Chance, sich mit einem Wechsel in die Bun­des­liga stärker in den Fokus des Bun­des­trai­ners zu spielen und die Chancen auf eine EM-Teil­nahme mit der deut­schen Mann­schaft zu stei­gern.