Für Fußball-Puristen ist jede Spielunterbrechung durch den VAR wie ein Schlag in die Magengrube. Doch die Chancen stehen gut, dass es bald noch viel, viel schlimmer kommt.
Kann man natürlich auch im Fußball so machen, wirft aber zwangsläufig Fragen auf. Zum Beispiel diese: Wer garantiert eigentlich, dass keine künstlich konstruierten VAR-Pausen eingeschoben werden, bloß um den avisierten Werbeumsatz stabil zu halten? Eine mögliche Antwort darauf könnte eine weitere Neuerung in diesem wunderschönen, althergebrachten Fußball-Spiel sein: die aus dem American Football bekannte Coach’s Challenge – also die Möglichkeit für einen Trainer, sagen wir, einmal pro Halbzeit eine Entscheidung des Schiedsrichters anzuzweifeln und per VAR überprüfen zu lassen. Die Übungsleiter würden ihr Kontingent fraglos ausschöpfen, eine Mindestzahl an VAR-Pausen wäre damit vorprogrammiert.
Will man das? Die vom umtriebigen Gianni Infantino dirigierte FIFA erklärte auf „FT“-Anfrage, man habe bezüglich Werbung in den Review-Breaks bereits im Vorfeld der WM 2018 eine Reihe von Anfragen auf den Tisch bekommen. Bislang habe man jedoch sämtliche Offerten dankend abgelehnt. Gleichzeitig betonte der Weltverband, „im Moment“ genieße die Weiterentwicklung des VAR „Top-Priorität“. Was das bedeutet? Vermutlich nichts Gutes.
Und die UEFA, die seit der diesjährigen Champions-League‑K.o.-Phase ebenfalls auf den VAR setzt? Man plane nichts derartiges, heißt es aus kurz und bündig aus Nyon. Spaniens „La Liga“ verweigert derweil jeden Kommentar zu diesem Thema, während die englische Premier League, die den VAR erst zur kommenden Saison einführt, betont, es sei noch zu viel früh für solche Überlegungen.
„Eine großartige Chance für den Fußball“
Aber – dass da was kommen wird, ist schon heute klar wie Kloßbrühe, wie Nigel Currie, Gründer des Sport-Sponsoring-Unternehmens NC Partnership durchblicken lässt: Der VAR sei schließlich eine „großartige Chance für den Fußball“, um neue Möglichkeiten zur Übermittlung „kommerzieller Botschaften“ zu kreieren.
Dass dies noch nicht passiert sei, habe laut Currie vor allem einen Grund: „Es braucht Zeit, die Systeme, die Prozesse und das Timing zu justieren.“ Zudem wolle keiner der großen Fußball-Verbände den Nachteil des First Movers in Kauf nehmen, nur um hinterher bedauernd feststellen zu müssen, dass man noch viel fettere Verträge hätte abschließen können.
Für Fußball-Puristen bedeutet das: Genießt einstweilen die wunderschöne Gegenwart – mit dem VAR, mit den hektisch funkenden Headset-Schiris, mit endlos langen Videoanalysen in der „Review Area“ und mit kuriosen Ansagen aus einem Kölner Keller, von dem niemand so richtig weiß, was seine Insassen eigentlich treiben. Eines aber scheint sicher: Die Zukunft des Fußballs könnte noch viel, viel schlimmer werden – oder ertragsreicher, das ist nur eine Frage des Standpunkts.