Zwei Jahre war Pause, doch jetzt ist die Borussia wieder zurück in Europa. Doch bevor die wilde Fahrt losgehen kann, müssen Trainer und Mannschaft erst einmal mit den hohen Erwartungen zurecht kommen, die an sie gestellt werden.
Rückblick
Nach zwei Jahren Abstinenz konnte sich die Borussia in der vergangenen Saison wieder für den europäischen Wettbewerb qualifizieren. Was vor Beginn der Spielzeit vermutlich von vielen Fans blind unterschrieben worden wäre, fühlte sich dann doch nach ein bisschen wenig an, hatte man doch zur Winterpause auf Rang 3 mit nur drei Punkten hinter dem FC Bayern rangiert. Der Absturz in der Tabelle in der zweiten Saisonhälfte führte dann auch zum großen Umbruch im Verein. Der Vertrag mit Trainer Dieter Hecking, noch im Herbst 2018 verlängert, wurde zum Saisonende gekündigt. Mit Marco Rose wurde ein Trainer verpflichtet, hinter dem angeblich die halbe Bundesliga her war. So ein Coup sorgt natürlich für große Erwartungen.
Transfers
Max Eberl ist ein Fuchs. Keine besonders neue Erkenntnis, das müssen wir zugeben, aber diese Transferperiode erneut auf beeindruckende Weise bestätigt. Mit Stefan Lainer folgt ein absoluter Leistungsträger seinem Trainer von Salzburg nach Gladbach. In seiner Zeit in Salzburg war er unangefochtener Stammspieler und konnte vier Meisterschaften und drei Pokalsiege gewinnen. Man muss kein Prophet sein um zu vermuten, dass Lainer auf der rechten Abwehrseite gesetzt sein wird. In der Vorbereitung konnte der österreichische Nationalspieler bislang auch Skeptiker überzeugen, die auf seiner Position keinen unmittelbaren Handlungsbedarf gesehen hatten. Im Testspiel gegen den türkischen Vizemeister Istanbul Başakşehir erzielte Lainer sein erstes Tor für die Borussia.
Für die Offensive wurden Breel Embolo und Marcus Thuram verpflichtet, die beide sehr gut in das von Rose präferierte Spielsystem passen. Besonders die Verpflichtung des 21-jährigen Thuram, Sohn des Welt- und Europameisters Lilian Thuram gilt als Coup. Vater und Sohn sehen Gladbach als idealen nächsten Schritt in der Karriere des französischen U21-Nationalspielers, etwas fernab von der medialen Aufmerksamkeit, die den Junior in der Heimat begleitete. Im Pokalspiel gegen Sandhausen erzielte Thuram direkt das entscheidende Tor. Embolo kommt von Ligakonkurrent Schalke 04 und wird direkt im ersten Bundesligaspiel auf seinen alten Arbeitgeber treffen. 2016 als Rekordeinkauf für mehr als 25 Millionen zu Schalke gekommen, verletzte sich der Schweizer schwer am Knöchel und fiel mehr als 1 1/2 Jahre aus. Bereits vor vier Jahren wollte Max Eberl den Schweizer zur Borussia locken, doch Embolo entschied sich zuerst für Basel und dann für die Knappen. Den jetzigen Wechsel zu den Fohlen hatten nicht nur seine neuen Schweizer Mannschaftskollegen forciert, sondern auch Nationalmannschafts-Teamkollege Granit Xhaka. Der ehemalige Borusse twitterte direkt nach Bekanntgabe des Transfers: „Endlich hat er es verstanden, wo man hin muss. Es gibt nur einen Verein in NRW. @borussia“
Des Weiteren reiht sich Max Grün als dritter Torwart hinter Yann Sommer und Tobias Sippel ein, nachdem Torwarttalent Moritz Nicolas an Union Berlin verliehen wurde. Der 32-Jährige wurde wohl vor allem als Typ für’s Mannschaftsgefüge geholt. Zudem kehrt Laszlo Bénes zurück, der letzte Saison in Kiel tolle Leistungen gezeigt hat. Zwei Tore und sechs Vorlagen in 15 Spielen.
Auf der Seite der Abgänge fällt vor allem Thorgan Hazard ins Gewicht, welcher sich der Borussia in Dortmund angeschlossen hat. Es wird sich zeigen, wie die Fohlen den Abgang ihres Topscorers (10 Tore und 11 Assists in der Saison 18/19) kompensieren können. Zudem verlässt Josip Drmic den Verein Richtung England.
Boss-Level
Der Wechsel auf der Trainerposition der Gladbacher hat für viel Wirbel gesorgt. Im April gab der Verein bekannt, den Vertrag mit Dieter Hecking nach drei Jahren zum Saisonende zu kündigen und Marco Rose von Red Bull Salzburg als Nachfolger zu verpflichten. Der 42-Jährige bringt sein gesamtes Trainerteam (René Maric, Alexander Zickler und Patrick Eibenberger) mit an den Niederrhein, ebenso wie eine klare Spielphilosophie. Genau hier lag auch für Eberl der Grund, sich um den Salzburger Erfolgscoach zu bemühen. „Im Fußball gibt es manchmal Chancen, die man ergreifen muss“, sagte er kurz nach der Bekanntgabe der Verpflichtung. Wie Rose und seine Spielidee – die aggressive Balleroberungen und schnelles Vertikalspiel vorsieht – und die Borussia zusammenpassen werden, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Die Vorbereitung, so hört man immer wieder, verlangt den Spielern jedenfalls alles ab. Manager Eberl sah sich bereits genötigt, die hohen Erwartungen der Fans zu dämpfen und schreibt im FohlenEcho: „Der neue Trainer ist kein Magier.“
Das Umfeld in Gladbach hat sich noch nie wirklich als unruhig herausgestellt. Präsident Rolf Königs, welcher 2004 auf den legendären Präsidenten Adalbert Jordan folgte, sucht selten den Weg in die Öffentlichkeit, seine Vertreter Rainer Bonhof und Hans Meyer machen eher mit fundierten fußballbezogenen Kommentaren auf sich aufmerksam, denn mit der Diskussion von Vereinsinterna. Alle Entscheidungsträger in Gladbach vereint das große, von Max Eberl ausgegebene Ziel, endlich mal wieder – nach dem Pokalsieg 1995 – einen Titel mit der Borussia zu holen.
Umfeld
Die Borussia spielt in einem der drei letzten Stadien der Liga, deren Name nicht verkauft wurde – und das soll auch so bleiben. Geschäftsführer Stephan Schippers bestätigte vor kurzem noch einmal, dass man sich „sicher nicht mehr vom Namen Borussia-Park trennen“ werde. Das ist natürlich Balsam auf den Seelen der Fans, deren Verhältnis zum Verein in den letzten Jahren immer wieder belastet war. Die sportliche Berg-und-Talfahrt in der zweiten Saisonhälfte führte zu Spannungen zwischen Mannschaft und Kurve, welche sich unter anderen nach dem 2:2 gegen Hoffenheim am 32. Spieltag entluden, als sich die Mannschaft entschied, nach dem Spiel nicht in die Kurze zu gehen, weil „Pfiffe und drohende Gesten noch keiner Mannschaft sportlich weitergeholfen haben“, wie es Matthias Ginter nach dem Spiel zusammenfasste. Inzwischen scheinen die Wogen wieder etwas geglättet zu sein. Gladbach vermeldet einen Rekord-Besuch beim Trainingslager am Tegernsee.
Trikot
Für die ein oder andere hochgezogene Augenbraue haben die neuen Jerseys der Fohlen gesorgt. Das als Batikoutfit oder LSD-Party verunglimpfte Design des Heimtrikots soll laut Ausrüster Puma „mit seinem Rauchschwaden-Design an die Leidenschaft der Borussia-Fans erinnern, die für ihren Verein durchs Feuer gehen.“ Ähm. Ja. Auswärts laufen die Gladbacher in der kommenden Saison in dezentem hellblau auf. Was auf den ersten Blick überraschend wenig mit den Vereinsfarben zu tun hat, soll an die glorreichen 70er erinnern, die erfolgreichste Zeit des Klubs. Insbesondere das Auswärtstrikot der Saison 77/78 stand Pate.
Komplettiert wird die Garderobe durch das Event-Trikot, welches nächste Saison hoffentlich ausführlich zur Schau getragen wird, vor allem bei den Auftritten in der Europa League. Auf das grüne Leibchen ist ein Muster abgedruckt, welches den Bökelberg, die legendäre ehemalige Heimat der Fohlenelf zeigt. Auch hier wird also, wie beim Auswärtsjersey, die glorreiche Vergangenheit beschworen. Frei nach dem Motto: Stolzer Blick zurück – volle Kraft nach vorn!
11FREUNDE-Prognose
Wohin geht nun die Reise für Marco Rose und die Fohlen vom Niederrhein? Viel hängt davon ab, wie schnell die Mannschaft das neue System verinnerlicht, der Auftritt im Pokal gegen Sandhausen lässt vermuten, dass hier noch einiges an Arbeit auf den 42-Jährigen wartet. Doch sollte dies gelingen, kann den Gladbachern eine erfolgreiche Saison bevorstehen. Mit der Verpflichtung des neuen Trainers und den qualitätvollen Ergänzungen des Kaders hat der Verein allerdings selbst die Latte hoch gelegt. Ein Platz unter den ersten fünf würde man sich da schon wünschen.