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Wenn eine Mann­schaft, die acht Spiele am Stück ver­loren hat, auf ein Team trifft, das fünf Nie­der­lagen am Stück erlitten hat, ist fuß­bal­le­ri­sche Fein­kost nicht zu erwarten. Selbst ange­sichts dieser geringen Erwar­tungen dürften die knapp 40.000 Fans, die sich am Oster­sonntag in das Olym­pia­sta­dion ver­irrt haben, ent­täuscht worden sein. Hertha BSC und Han­nover 96 lie­ferten sich ein ereig­nis­armes 0:0‑Unentschieden.

Höhe­punkt des Abends waren die Sprech­chöre für Noch-Trainer Pal Dardai. Im Sommer trennt sich Hertha von dem lang­jäh­rigen Coach. Auch Thomas Doll wird mit Han­nover 96 wohl nicht den Gang in die Zweite Liga antreten. Die Partie lie­ferte Argu­mente, warum beide Ent­schei­dungen zumin­dest nach­voll­ziehbar sind. Fünf Thesen.

1. Hertha BSC: Die spie­le­ri­sche Wei­ter­ent­wick­lung fehlt
Anfang der Saison über­raschte Hertha BSC mit jugend­li­chem Offen­siv­fuß­ball. Dardai wagte es, ein junges, spiel­starkes Mit­tel­feld auf­zu­stellen und seine Mann­schaft einen schnellen Kom­bi­na­ti­ons­fuß­ball spielen zu lassen. Das war eine große Ver­än­de­rung bei einem Trainer, der in den letzten Jahren für soliden, kaum spek­ta­ku­lären Defen­siv­fuß­ball stand.

Mitte der Hin­runde blieben die Ergeb­nisse jedoch aus und Dardai ver­ließ der Mut. Seine Her­thaner spielten wieder soliden Kon­ter­fuß­ball. Auf­grund von Ver­let­zungen und Sperren kamen im Mit­tel­feld ver­mehrt Kämp­fer­typen zum Ein­satz; gegen Han­nover spielte Per Skjelbred neben Marko Grujic auf der Dop­pel­sechs. Die Her­thaner hörten auf, mit Kurz­pass-Staf­fetten durch das Zen­trum anzu­greifen. Statt­dessen wichen sie wieder ver­mehrt auf die Flügel aus. Offen­siv­feu­er­werk? Von wegen!

Dies dürfte einer der Gründe sein, wegen derer Michael Preetz sich von Dardai trennt. Er mahnte bereits vor der Saison an, die Mann­schaft müsse sich wei­ter­ent­wi­ckeln. Der neue Trainer dürfte genau diesen Auf­trag erhalten.

2. Hertha BSC: Fle­xi­bi­lität erfolg­reich gestalten
Zuge­geben: Die These klingt so, als würde sie aus einem Fort­bil­dungs­se­minar für mitt­lere Füh­rungs­kräfte im Bank­kauf­wesen stammen. Doch dahinter steckt keine Maß­nahme zur Kün­di­gung der halben Beleg­schaft, son­dern eine tak­ti­sche Ver­än­de­rung. 

Dardai war in den ver­gan­genen Jahren relativ stark fest­ge­legt auf sein 4 – 2‑3 – 1‑System. Auch gegen Han­nover spielte seine Mann­schaft in der klas­si­schen For­ma­tion. Zuletzt expe­ri­men­tierte der Trainer mit einer Fün­fer­kette — mit teils unter­ir­di­schen Leis­tungen wie beim 0:5 gegen RB Leipzig. Der Plan B hat unter Dardai nie so gut funk­tio­niert wie Plan A.

Tak­ti­sche Fle­xi­bi­lität wird im Fuß­ball von heute aber immer wich­tiger. Das beweisen aktuell die Teams aus Bremen, Hof­fen­heim oder Wolfs­burg. Diese möchte Hertha in den kom­menden Jahren wieder über­holen.

3. Hertha BSC: Rück­runden-Fluch bre­chen
Hertha strebt nach mehr. Die Klub-Füh­rung möchte unbe­dingt, dass BSC in die erwei­terte Spit­zen­gruppe der Liga stößt. Dardai ist dies in den ver­gan­genen Jahren bereits gelungen – aller­dings haupt­säch­lich in der Hin­runde. 

In keiner Saison unter Dardai konnte das Team nach der Win­ter­pause mehr Punkte holen als zuvor. In dieser Saison fällt die Dif­fe­renz beson­ders krass aus; gerade einmal 12 Punkte holte Hertha 2019 in 13 Par­tien. Gegen die­selben Gegner holte Hertha in der Hin­runde noch 20 Punkte.

4. Han­nover 96: Defensiv solider, als man denkt
66 Gegen­tore spre­chen eigent­lich eine deut­liche Sprache: Han­nover kann nicht ver­tei­digen. Keine Mann­schaft lässt mehr geg­ne­ri­sche Schüsse zu. Doch nicht erst beim tor­losen Unent­schieden gegen Hertha wurde deut­lich: An Willen und defen­siver Orga­ni­sa­tion man­gelt es Dolls Team nicht.

Tat­säch­lich hat Doll es zuletzt geschafft, dass 96 geschlos­sener und kom­pakter ver­tei­digt. Sein Team ver­schiebt gut im 4 – 1‑4 – 1‑System, sucht in den rich­tigen Momenten den Zugriff. Die Defi­zite sind eher durch indi­vi­du­elle Schwä­chen zu erklären, gerade im Zwei­kampf­ver­halten — und durch die ange­spannte Situa­tion. So richtig bricht Han­nover erst zusammen, wenn sie in Rück­stand geraten. Das blieb ihnen gegen Hertha erspart. Wer auch immer Dolls Nach­folger wird: Auf seinem Pres­sing kann er auf­bauen.

5. Han­nover 96: Für den Auf­stieg braucht es Spiel­kultur
Offensiv fällt das Zeugnis für Doll weniger ver­söhn­lich aus. Sieben Tore erzielte 96 in elf Spielen unter dem neuen Trainer. Vier davon gelangen 96 per Kopf, ein Treffer fiel per Eigentor. Das bedeutet nach dem Aus­schluss­prinzip: Han­nover 96 hat in den ver­gan­genen elf Spielen gerade einmal zwei Tore mit dem Fuß erzielt — in einer Sportart namens Fuß­ball!

Allein: Wie hätten sie das auch anstellen wollen? Fuß­bal­le­risch ist der Klub völlig aus­ge­blutet. Schlüs­sel­spieler wie Ihlas Bebou fehlen seit Monaten. Unter Doll gibt es nur ein Motto im Offen­siv­spiel: Hoch und weit bringt Sicher­heit; Hen­drik Wey­dandt wird den Ball schon irgendwie fest­ma­chen. Weder gelingt es 96, den zweiten Ball zu erobern, noch haben sie alter­na­tive Angriffs­stra­te­gien. 

Diese Art des Fuß­balls funk­tio­niert im Abstiegs­kampf nicht. Er wird erst Recht nicht funk­tio­nieren in der Zweiten Liga, wenn die meisten Gegner sich gegen den Absteiger hinten rein­stellen werden. Dolls Ablö­sung zum Sai­son­ende ist wahr­schein­lich. Wer auch immer auf ihn folgt, muss die Mann­schaft fuß­bal­le­risch wei­ter­ent­wi­ckeln. Inso­fern sind sich Hertha und Han­nover gar nicht so unähn­lich.