Einmal teilhaben am Reichtum der Stars – der heimliche Traum jedes Fußballjournalisten. Für 11FREUNDE-Redakteur Dirk Gieselmann wurde er beinah wahr: Via RTL bot Weltmeister Pierre Littbarski ihm Unsummen für einen seltenen Schlumpf. Doch dann…
Bevor wir zu den Schlümpfen kommen – reden wir über Geld: Ein Bundesligaprofi verdient im Schnitt, inklusive Prämien, etwa 1,5 Millionen Euro im Jahr. Ein deutscher Fußballjournalist, der sich im mittleren Lohnsektor bewegt, muss für dieselbe Summe etwas mehr als 30 Jahre arbeiten, also fast sein gesamtes Berufsleben lang. Heißt auch: Ein Bundesligaprofi verdient am Tag das, was ein Fußballjournalist im Monat verdient.
Eine Rechnung, die man als Fußballjournalist tunlichst nicht anstellen sollte, wenn man gerade vor dem Trainingsgelände eines beliebigen Bundesligisten an der Schranke wartet, die die 1,5‑Millionen-Euro-Menschen von den 30-mal-so-wenig-Menschen trennt, und die 21-jährigen Fußballer in ihren Batman-Autos an einem vorbeipreschen, gen Horizont, der irgendwo hinterm nächsten Kreisverkehr liegt. Und man selbst steht da mit seinem regendurchweichten Notizblock, in dem unter der Frage „Wie geht’s?“ die Antwort „Da müssen Sie den Trainer fragen“ steht.
Auch wenn ich zu rechnen vermeide – in solchen Momenten träume ich dennoch manchmal von einer Art Solidaritätsbeitrag der Profis an die Fußballjournalisten, die mit ihrer Arbeit ein recht primitives Talent wie Kickenkönnen erst zur weithin bewunderten Kunstform erheben. Für ein marktwertsteigerndes Adjektiv gibt es einen Heiermann, für Euphemismen etwas mehr. Deal? Doch die Profis, sie hören mich schon nicht mehr, sie parken ja bereits vor der Eisdiele in der Fußgängerzone.
Pierre Littbarski weiß nichts davon. Aber er und ich, wir beide waren mal ganz kurz davor, ein solches Geschäftsverhältnis einzugehen, eine Solidargemeinschaft zu meinen Gunsten. Und damit wären wir bei den Schlümpfen.
Der letzte, der entscheidende Schlumpf
Eines Abends schaute ich im Fernsehen die RTL-Sendung „Die 80er Jahre Show“ mit Oliver Geißen, in der sich „Litti“ – worüber soll man auch sonst reden, wenn man stundenlang lang neben Geißen auf dem Sofa sitzt? – als leidenschaftlicher Schlümpfe-Sammler offenbarte. Seine Kollektion sei fast vollständig, so der Weltmeister, nur ein Exemplar fehle ihm noch: der Baseball-Schlumpf! Und er sei durchaus bereit, für diesen höchst seltenen Schlumpf 10.000 Euro hinzublättern. Neben ihm spielte die Ulknudel Hella von Sinnen ungerührt Tetris auf einem Gameboy.
Ich aber war wie vom Donner gerührt: Ich – ja ich! – war im Besitz genau dieses Baseball-Schlumpfes! Sofort rief ich meine Mutter an: „Guck im Keller nach, ob der Baseball-Schlumpf noch da ist!“ Ich hörte ihre Schritte auf der Treppe, Gewühle in einer Kiste, wieder Schritte. „Ja, ist noch da.“ – „Schick ihn mir! Gleich morgen früh! Tschüs!“ In der Nacht konnte ich kaum schlafen. Im Vorgefühl nahenden Reichtums. Und auch weil ich befürchtete, meine Mutter könnte denken, ich spielte wieder mit Schlümpfen.
Zu Besuch beim Schlumpfanalysten
36 Stunden später hielt ich den Baseball-Schlumpf in Händen und rannte umgehend in einen Laden in einem finsteren Hannoveraner Einkaufstunnel namens „Passerelle“, der mir aufgrund seines Sortiments (Rollenspielzubehör, Ritterfiguren, T‑Shirts mit vor Monden heulenden Polarwölfen drauf) geeignet schien, um den von „Litti“ aufgerufenen Wert des Baseball-Schlumpfs zu verifizieren. Der Mann hinterm Tresen, der offenbar in dem Ladengeschäft zu übernachten pflegte, sah mich aus gelben Augen an. Den Schlumpf würdigte er keines Blickes. „Du bist schon der Fünfte, der mit so ’nem Ding ankommt“, hustete er. „Die haben alle RTL geguckt. Ich geb’ dir ’n Zehner dafür. Maximum.“
36 Stunden lang hatte ich mich damals reich gewähnt, beschenkt von einem schlümpfesammelnden Weltmeister. Doch für einen mickrigen Zehner hätte ich wohl nicht einmal ein T‑Shirt mit einem vorm Mond heulenden Polarwolf drauf bekommen. Ich behielt den Baseball-Schlumpf. Mein Sohn spielte bis vor kurzem damit, dann riss er vor Langeweile den Gummischläger ab. Es wäre nun billig zu sagen: Ich kann ihm keinen neuen kaufen, weil ich Fußballjournalist bin und kein Bundesligaprofi.
Aber ich will kein Mitleid.
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