Im Champions-League-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund schoss Youssef En-Nesyri zwei Tore. Nun sollen ihn der BVB und sogar Manchester United auf dem Zettel haben. Dabei galt der hoch veranlagte Stürmer längst als gescheitert.
Supercupfinale in Budapest im September 2020: Es steht 1:1 zwischen dem FC Bayern München und dem FC Sevilla. In der 86. Minute stürmt Sevillas Youssef En-Nesyri alleine aufs Münchner Tor zu. Im leeren Ferenc-Puskás-Stadion springt keiner von seinem Sitz, nur das Gebrüll der Trainer ist zu hören. Doch vor den Fernsehern und den Streams mit türkischen, arabischen und russischen Kommentatoren im Süden Spaniens werden die Fans nervös: Wird Sevilla den mächtigen Bayern München tatsächlich besiegen und den europäischen Supercup gewinnen? En-Nesyri schließt ab – und Manuel Neuer rettet.
Ein paar Minuten später bekommt der Marokkaner noch eine Chance – doch mit seinem schwachen rechten Fuß schießt er direkt auf Neuer. Der Rest ist bekannt: In der Verlängerung köpft der eingewechselte Javi Martínez den Champions-League-Sieger in Führung. Die Bayern gewinnen das Spiel mit 2:1. Es gab nicht wenige, die damals fürchteten, dass der junge Youssef En-Nesyri nach seinen zwei vergebenen Chancen in diesem wichtigen Spiel in ein Formtief rutschen könnte. Doch es kam anders: Die Enttäuschung in Budapest sollte eine überragende Saison für den 23-Jährigen einläuten. Dabei hatten ihn bis vor einem Jahr nur die interessiertesten La-Liga-Nerds auf dem Schirm.
Die Geschichte des Stürmers beginnt in der marokkanischen Stadt Fés: Dort kommt er am 1. Juni 1997 zur Welt. Schon früh ist sein fußballerisches Talent zu erahnen – der Anfang seiner Karriere verläuft allerdings enttäuschend: In seiner Jugend darf er ein paar Wochen beim FC Chelsea in London mit trainieren – doch er bleibt nicht in der englischen Hauptstadt. Angeblich, weil ihn das britische Wetter abschreckt: „Es war kalt und ich konnte es nicht leiden“, erklärt er später. Mit zwölf Jahren zieht es ihn in die Mohammed-VI-Fußballakademie, das renommierteste Nachwuchszentrum Marokkos. Die Einrichtung lockt zwar mit einer überragenden Infrastruktur, stellt aber keine Mannschaft für Wettbewerbe auf. Weshalb En-Nesyris Reise ihn 2015 zum FC Málaga führt, der mit der Akademie kooperiert.
Die ersten Profijahre in Spanien verlaufen eher zäh: Nach nur fünf Toren in 41 Spielen für den FC Málaga wechselt der damals 20-Jährige 2018 zum Madrider Vorstadtklub CD Leganés. Fünf Millionen Euro zahlen Pepineros (die Gurkenzüchter) für En-Nesyri – eine neue Rekordablöse für den kleinen Verein. „In Málaga waren viele erleichtert und gleichwohl überrascht, als der in ihren Augen enttäuschende Stürmer für so viel Geld verkauft wurde“, schreibt Spanien-Experte Sid Lowe im Guardian.