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Seite 2: „Dieser serbisch-kroatisch-hessische Mix war brutal für uns“

Sie spielten einen Traum­fuß­ball, mit dem sie etwa Schalke 04 mit 5:0 aus dem Sta­dion schossen, doch kurz danach ver­loren sie im Pokal gegen eine graue Maus wie den KSC mit 0:1.
Typisch Ein­tracht. Des­halb heißt es über Mann­schaften, die ein schlechtes Spiel knapp mit 1:0 gewinnen, dass sie das Zeug zum Meister haben. Wir konnten ent­weder traum­haft gewinnen oder in Schön­heit sterben.

Welche Bedeu­tung hatte Dra­go­slaw Ste­pa­novic für die Mann­schaft, wenn Sie ihn mit dessen Vor­gänger Jörg Berger ver­glei­chen?
Für die Zusam­men­stel­lung des Teams war vor allem Bernd Höl­zen­bein ver­ant­wort­lich. Er hatte Ralf Fal­ken­mayer, Uwe Bein und Andreas Möller zurück­ge­holt. Wir waren ein Stück­weit wieder ein hes­si­sches Team mit Jungs, die in der Umge­bung geboren waren und einen Bezug zur Ein­tracht hatten. Wir waren junge Wilde oder wil­lige Junge – ganz wie man will. Jörg Berger gab uns eine klare Linie, des­halb gebührt ihm an dem spä­teren Erfolg sicher ein großer Anteil. Aber unter seiner Füh­rung ver­krampfte die Mann­schaft zuse­hends. Als er ent­lassen wurde, brachte uns Stepi“ die nötige Locker­heit zurück.

War Ste­pa­novic per se ein guter Trainer?
Viel­leicht wären wir noch einen Tick besser gewesen, wenn jemand gekommen wäre, der schon länger in der ersten Liga gear­beitet hatte. Aber Stepi“ hat uns auf jeden Fall den Spaß am Fuß­ball ver­mit­telt.

Wie hat er das gemacht?
Indem wir in jeder Trai­nings­ein­heit spielten. Als im Winter der Platz am Rie­der­wald gefroren war, ließ Stepi“ ein beheiztes Zelt auf­bauen, 30 mal 80 Meter. Dort spielten wir wochen­lang immer sechs Leute von uns gegen sieben Leute von unter­klas­sigen Mann­schaften. Das Ergebnis spielte keine Rolle, Stepi“ wollte nur, dass wir drauf­gehen. Ein super Trai­ning.

Hat Ste­pa­novic auch mit Ihnen öfter Ein­zel­ge­spräche geführt?
Er hat mich immer mal wieder ein­ge­fangen und von meinem hohen Ross her­un­ter­ge­holt.

War dass denn nötig?
Wie man‘s sieht. Als wir in der Hin­runde in Wat­ten­scheid 4:2 gewonnen hatten, kam ich in die Kabine und er sagte nur: Du passt ja kaum noch durch die Tür, so breit ist deine Brust“. Ich wusste gar nicht, was er meint. Aber es half mir, mich zu besinnen und nicht nach­zu­lassen. Für mich war es wichtig, mir ständig neue Ziele zu ste­cken. Ich sah mich auf Augen­höhe mit anderen Liberos und ver­stand es als Duell, wenn es gegen Mann­schaften ging, in denen Mat­thias Sammer, Thomas Helmer oder Lothar Mat­thäus spielten. Ich wollte zeigen, dass ich besser bin als die – und dafür war ein Tritt in den Hin­tern ab und zu ganz gut. Nicht zuletzt des­wegen, wurde ich zwei Jahre in Folge bester Libero“ im Kicker“.

Wie kam die Mann­schaft mit Ste­pa­no­vics inter­es­santem Dia­lekt zurecht?
Dieser ser­bisch-kroa­tisch-hes­si­sche Mix war brutal für uns. Manche haben ihn kaum ver­standen. Aber er hat uns trotzdem erreicht. Gleich zu Beginn meinte er: Ihr seid keine Mann­schaft!“ Und bald griff dann ein Rad ins andere. Irgend­wann sagte er: Ich sage euch eins: Stein, Binz, Bein, Möller und Yeboah sind meine Achse. Der Rest läuft für euch.“ Und so war das dann auch.

Man­fred Binz, wir spre­chen viel über die nega­tiven Dinge dieser Spiel­zeit. Was ist für Sie die schönste Erin­ne­rung an damals?
Eigent­lich waren die Monate wie ein ein­ziger durch­ge­hender Rausch – nur der letzte Spieltag in Ros­tock war der Horror. Es war bitter zu sehen, dass plötz­lich kaum noch Leute zum Ban­kett erschienen, obwohl die Mann­schaft gerade in diesem Moment die Unter­stüt­zung nötig gehabt hätte. Aber alles andere schaue mir immer noch gern auf Video an. Wie­viele Leute am Tag nach der ver­lo­renen Meis­ter­schaft am Pauls­platz standen, war groß­artig!

Blieb Ihr Ver­hältnis zu Uli Stein nach der gemein­samen Zeit gestört?
Ich habe ihn Jahre später auf dem Sport­pres­se­ball“ gesehen und wir haben uns nicht mal gegrüßt. Hin­terher habe ich mich geär­gert, dass ich nicht den Mumm gehabt hatte, zu ihm rüber zu gehen. Es hat dann noch Jahre gedauert, bis wir uns wieder die Hand gegeben haben. Vor kurzem hat Uli einen unserer Offen­ba­cher Tor­hüter betreut – und er ließ schöne Grüße aus­richten. Das hat mich sehr gefreut. Ehr­lich gesagt, würde ich die ganze Mann­schaft gerne wie­der­sehen und die Jungs in den Arm nehmen – schließ­lich wollten wir doch zusammen Meister werden…