Heute 1992 wäre er mit Frankfurt fast Meister geworden, heute wird er 55 Jahre alt: Manfred „Manni“ Binz über Futterneid, Partys mit Uli Stein und romantische Gefüle.
Sie spielten einen Traumfußball, mit dem sie etwa Schalke 04 mit 5:0 aus dem Stadion schossen, doch kurz danach verloren sie im Pokal gegen eine graue Maus wie den KSC mit 0:1.
Typisch Eintracht. Deshalb heißt es über Mannschaften, die ein schlechtes Spiel knapp mit 1:0 gewinnen, dass sie das Zeug zum Meister haben. Wir konnten entweder traumhaft gewinnen oder in Schönheit sterben.
Welche Bedeutung hatte Dragoslaw Stepanovic für die Mannschaft, wenn Sie ihn mit dessen Vorgänger Jörg Berger vergleichen?
Für die Zusammenstellung des Teams war vor allem Bernd Hölzenbein verantwortlich. Er hatte Ralf Falkenmayer, Uwe Bein und Andreas Möller zurückgeholt. Wir waren ein Stückweit wieder ein hessisches Team mit Jungs, die in der Umgebung geboren waren und einen Bezug zur Eintracht hatten. Wir waren junge Wilde oder willige Junge – ganz wie man will. Jörg Berger gab uns eine klare Linie, deshalb gebührt ihm an dem späteren Erfolg sicher ein großer Anteil. Aber unter seiner Führung verkrampfte die Mannschaft zusehends. Als er entlassen wurde, brachte uns „Stepi“ die nötige Lockerheit zurück.
War Stepanovic per se ein guter Trainer?
Vielleicht wären wir noch einen Tick besser gewesen, wenn jemand gekommen wäre, der schon länger in der ersten Liga gearbeitet hatte. Aber „Stepi“ hat uns auf jeden Fall den Spaß am Fußball vermittelt.
Wie hat er das gemacht?
Indem wir in jeder Trainingseinheit spielten. Als im Winter der Platz am Riederwald gefroren war, ließ „Stepi“ ein beheiztes Zelt aufbauen, 30 mal 80 Meter. Dort spielten wir wochenlang immer sechs Leute von uns gegen sieben Leute von unterklassigen Mannschaften. Das Ergebnis spielte keine Rolle, „Stepi“ wollte nur, dass wir draufgehen. Ein super Training.
Hat Stepanovic auch mit Ihnen öfter Einzelgespräche geführt?
Er hat mich immer mal wieder eingefangen und von meinem hohen Ross heruntergeholt.
War dass denn nötig?
Wie man‘s sieht. Als wir in der Hinrunde in Wattenscheid 4:2 gewonnen hatten, kam ich in die Kabine und er sagte nur: „Du passt ja kaum noch durch die Tür, so breit ist deine Brust“. Ich wusste gar nicht, was er meint. Aber es half mir, mich zu besinnen und nicht nachzulassen. Für mich war es wichtig, mir ständig neue Ziele zu stecken. Ich sah mich auf Augenhöhe mit anderen Liberos und verstand es als Duell, wenn es gegen Mannschaften ging, in denen Matthias Sammer, Thomas Helmer oder Lothar Matthäus spielten. Ich wollte zeigen, dass ich besser bin als die – und dafür war ein Tritt in den Hintern ab und zu ganz gut. Nicht zuletzt deswegen, wurde ich zwei Jahre in Folge „bester Libero“ im „Kicker“.
Wie kam die Mannschaft mit Stepanovics interessantem Dialekt zurecht?
Dieser serbisch-kroatisch-hessische Mix war brutal für uns. Manche haben ihn kaum verstanden. Aber er hat uns trotzdem erreicht. Gleich zu Beginn meinte er: „Ihr seid keine Mannschaft!“ Und bald griff dann ein Rad ins andere. Irgendwann sagte er: „Ich sage euch eins: Stein, Binz, Bein, Möller und Yeboah sind meine Achse. Der Rest läuft für euch.“ Und so war das dann auch.
Manfred Binz, wir sprechen viel über die negativen Dinge dieser Spielzeit. Was ist für Sie die schönste Erinnerung an damals?
Eigentlich waren die Monate wie ein einziger durchgehender Rausch – nur der letzte Spieltag in Rostock war der Horror. Es war bitter zu sehen, dass plötzlich kaum noch Leute zum Bankett erschienen, obwohl die Mannschaft gerade in diesem Moment die Unterstützung nötig gehabt hätte. Aber alles andere schaue mir immer noch gern auf Video an. Wieviele Leute am Tag nach der verlorenen Meisterschaft am Paulsplatz standen, war großartig!
Blieb Ihr Verhältnis zu Uli Stein nach der gemeinsamen Zeit gestört?
Ich habe ihn Jahre später auf dem „Sportpresseball“ gesehen und wir haben uns nicht mal gegrüßt. Hinterher habe ich mich geärgert, dass ich nicht den Mumm gehabt hatte, zu ihm rüber zu gehen. Es hat dann noch Jahre gedauert, bis wir uns wieder die Hand gegeben haben. Vor kurzem hat Uli einen unserer Offenbacher Torhüter betreut – und er ließ schöne Grüße ausrichten. Das hat mich sehr gefreut. Ehrlich gesagt, würde ich die ganze Mannschaft gerne wiedersehen und die Jungs in den Arm nehmen – schließlich wollten wir doch zusammen Meister werden…