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Die Wade ist eine War­nung. Den rechten Unter­schenkel von Daniele De Rossi ziert eine Art täto­wiertes Warn­dreieck, auf dem ein Strich­männ­chen gegen ein anderes Strich­männ­chen zur Grät­sche ansetzt. So weit ganz lustig, bei genauerem Hin­sehen jedoch erkennt man, dass der Ball in unbe­tei­ligtem Abstand zum Zwei­kampf ein­ge­zeichnet ist. Aus dem Bein des Atta­ckierten zucken Blitze, ja, es wirkt sogar ein wenig durch­trennt.

In der Regel ver­raten Täto­wie­rungen nicht viel über Fuß­baller, außer, wie Frau und Kinder heißen oder mit wel­chen Tieren sie sich iden­ti­fi­zieren. Bei ita­lie­ni­schen Mit­tel­feld­spie­lern aber scheint die Kör­per­kunst etwas über das Berufs­ver­ständnis aus­zu­sagen.

Andere tragen einen Smiley auf der Wade, de Rossi eine Blut­grät­sche

Ales­sandro Dia­manti, ein spiel­freu­diger Offen­siv­mann, trägt einen Smiley auf der Wade, De Rossi die Blut­grät­sche. Nicht nur des­halb würde der blonde Voll­bart­träger mit den bunten Armen und Beinen eher in das Team des heu­tigen Vier­tel­fi­nal­geg­ners passen: Eng­land. So wirkt es nur natür­lich, wenn De Rossi vom eng­li­schen Kapitän schwärmt: Ich würde mich freuen, wenn ich einmal so gut in der Defen­sive spielen würde wie Ger­rard.“ Dass er nicht über Offen­siv­qua­li­täten spricht, über­rascht nicht, eher, dass er defensiv noch Ver­bes­se­rungs­po­ten­zial sieht.

Denn De Rossi ist bereits das heiße Herz der ita­lie­ni­schen Abwehr. Egal, ob als zen­traler Mann einer Drei­er­kette – eine Rolle, die er schon beim AS Rom spielte – oder im Mit­tel­feld als Tackle-Schutz für den Quar­ter­back Andrea Pirlo. Wenn der Tem­pe­ra­ment­täter abräumt, dann ist der Tisch blank. Seine Tack­lings haben zwar nicht die Ele­ganz eines Franco Baresi oder Paolo Mal­dini, deren Grät­schen einst schöner anzu­schauen waren als anderer Leute Dribb­lings. Aber mit seiner Wucht­brum­mig­keit könnte er heute gegen die Briten Ita­liens Schlüssel zum Halb­fi­nal­einzug sein, denn härter ist nur er. De Rossi ist sozu­sagen das Upgrade zum Gift­gnom Gen­naro Gat­tuso, der wegen einer Augen­ope­ra­tion die EM ver­passte. Denn De Rossi ist mit seiner Dynamik, seiner über­ra­schend guten Ball­be­herr­schung und seinen Weit­schüssen, die Tor­pfosten schon vor dem Auf­prall erzit­tern lassen, eine Gefahr zwi­schen beiden Straf­räumen. Dass seine Lei­den­schaft bis­weilen bei anderen viel Leiden schafft, er Emo­tionen in Tritten und Ell­bo­gen­schlägen über­ar­ti­ku­liert, würde auf der Insel wohl als gesunde Härte durch­gehen.

Man­chester City soll 30 Mil­lionen Euro für ihn bieten

Kein Wunder also, dass der eng­li­sche Meister Man­chester City 30 Mil­lionen Euro für De Rossi bieten soll. Aber die Scheine können die Scheichs gleich ste­cken lassen. Denn De Rossi ist ein Römer, der das mit der ewigen Stadt wört­lich nimmt. Am Tiber­hafen Ostia geboren, der Vater Jugend­trainer bei der Roma, da gab es für ihn nur einen Verein. Ange­bote aller ita­lie­ni­schen, eng­li­schen und spa­ni­schen Groß­klubs schlug er stets aus. Ich bedauere nur eines: Dass ich Roma nur eine ein­zige Kar­riere schenken kann“, sagte er einmal.

Sein Pro­blem ist nur, dass es einen Römer gibt, der noch ewiger ist als er: Fran­cesco Totti. In der Öffent­lich­keit war er immer nur der Side­kick des wahren Römer Super­helden, De Rossis Spitz­name il Capitan futuro“, der zukünf­tige Kapitän, spricht Bände für einen bald 29-Jäh­rigen.

Aber für ihn als echten Römer kommt die Familie eben immer zuerst. So wid­mete er einst Tore seinem Schwie­ger­vater – einem Bank­räuber, der von Kom­plizen erschossen wurde, angeb­lich, weil er die Beute nicht teilen wollte. Auch die Roma ist Familie. Seinen Ver­trag hat De Rossi vor der EM bis 2017 ver­län­gert. Wetten darauf, dass er noch länger bleibt, müsste in Ita­lien nie­mand mani­pu­lieren. Ihn zu ver­kaufen, wäre wie das Kolos­seum zu ver­schiffen.

Auf seinem linken Arm sieht man: Tele­tub­bies

Den Fans der Squadra Azzurra“ ist er jedoch ein wenig fremder als den Roma-Ultras; obwohl er 2006 im WM-Finale im Elf­me­ter­schießen seinen Bei­trag zum Titel leis­tete. So fragte sich die ita­lie­ni­sche Öffent­lich­keit ver­wun­dert, warum De Rossi bei der EM mit einem langen und einem kurzen Ärmel spielt. Schnell gab es Spe­ku­la­tionen, er könnte ein neues Tattoo ver­ste­cken, der Forza Nuova gewidmet, einer rechts­extremen Partei, der er nahe stehen soll. Die Wahr­heit ist sehr viel, nun ja, nied­li­cher: Auf seinem linken Arm hat er Tele­tub­bies täto­wiert, seiner Tochter Gaia zuliebe. Den langen Ärmel dar­über trug er schon bei der Roma – De Rossi ist nun mal ein tief aber­gläu­bi­scher Mensch, muss vor Anpfiff etwa stets die Decke des Kabi­nen­ganges berühren.
Viel­leicht über­deckt er die put­zigen Tel­e­tier­chen aber auch nur, um das Image nicht zu ver­sauen, dass die War­nung auf der Wade trans­por­tieren soll.