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Seite 2: „Bayern ist nichts für Romantiker“

Ist ja alles schön und gut. Aber der FC Bayern ist nun mal nichts für hoff­nungs­lose Roman­tiker.

So wie Gedanken sich in Taten mani­fes­tieren, ver­glüht im Fuß­ball lei­den­schaft­liche Emo­tion nur allzu oft an der kalten Wand der Fakten. Anders gesagt: Ab dem Winter mar­schierten Kovacs Bayern im prä­zisen Stech­schritt der Schweizer Garde durch die Liga. Und selbst ein­ge­fleischte BVB-Fans können nicht ver­hehlen, dass sich ihr Klub, als er wieder den fahlen Atem des Rekord­meis­ters im Nacken spürte, zuneh­mend Schnitzer erlaubte.

Die Bayern wie ein Gas­herd

Lucien Favre war der erste und wie es scheint auch ein­zige, der schon Ende April rea­lis­tisch ein­schätzte, dass die Meis­ter­schaft gelaufen war. Dafür bekam er nicht nur von Medien und Fans sein Fett weg, son­dern auch von seiner über­ge­füh­ligen Klub­spitze. Keine Frage, es hätte uns allen Rie­sen­spaß gemacht, bis zum letzten Spieltag mit bers­tender Span­nung ein Titel­rennen zu ver­folgen. Auch in der ver­gan­genen Woche jagte die Mehr­zahl der deut­schen Jour­na­listen und Fuß­ball­an­hänger noch der Schi­märe nach, der FC Bayern ließe sich im Heim­spiel gegen Ein­tracht Frank­furt noch die Butter vom Brot nehmen. Die wackeren Hessen waren in diesem Jahr schließ­lich zu vielem fähig.

Dabei hätte jeder bei klarem Ver­stand erkennen müssen, dass die Bayern ohne die Belas­tung der Cham­pions League wie ein Gas­herd funk­tio­nieren: Je nach Beschaf­fung der Mahl­zeit vari­ieren sich aus dem Stand den Hit­ze­grad, um jeden noch so miss­lie­bigen Gegner wahl­weise weich­zu­ko­chen, durch­zu­braten oder an die Grenzen der Wie­der­kenn­bar­keit durch­zu­schmoren. Wer es schon ver­gessen haben sollte: 5:1‑Sieg in Mön­chen­glad­bach, 6:0‑Heimsiege gegen Wolfs­burg und Mainz und schließ­lich der zum Klas­siker hoch­ge­jazzte Fight um die Tabel­len­spitze am 27. Spieltag: 5:0‑Sieg gegen den BVB. Schon zur Halb­zeit stand es 4:0. Und auch am heu­tigen Tag haben die Münchner der Hitze in der Küche locker wider­standen.

Wieso steht Kovac zur Debatte?

Diese Bayern haben keinen Anlass gegeben, an ihnen zu zwei­feln. Auch wenn es der Inte­grität der Spiel­klasse als aus­ge­wo­gener Wett­be­werb viel­leicht gut getan hätte, müssen wir erkennen: Wir bewegen uns wei­terhin durch was­ser­loses Land. Ödnis so weit das Auge reicht.

Dass die Bayern-Bosse ange­sichts sol­cher Domi­nanz ernst­haft mit dem Gedanken spielen, Niko Kovac zu ent­lassen, zeigt jedoch, dass auf Füh­rungs­ebene nicht durch­ge­drungen ist, was da für ein Edel­stein auf der Bank sitzt. In dieser Frage ist der FCB aus der Zeit gefallen. Die Alt­vor­deren glauben noch immer, dass nur ein hoch­de­ko­rierter Trai­ner­fürst das Gesamt­bild des Klub von Welt­rang abrundet. Der Name Thomas Tuchel fiel in den letzten Tagen mehr als einmal. Der Cho­le­riker aus dem Schwa­ben­land erscheint nach seiner Paris-Erfah­rung einigen an der Säbener Straße reifer für das hohe Amt zu sein als Kovac.

Bildet Bayern end­lich selber aus?

Dabei hat der gebür­tige Ber­liner den Stot­ter­start in die Saison lässig weg­mo­de­riert. Er hat ein enges Ver­hältnis zu seinen teils über­al­terten Spie­lern auf­ge­baut, die Exzen­triker ein­ge­fangen und die schwä­chelnden Alt­stars im Zaum gehalten. Er hat eine bemer­kens­werte Sie­ges­serie hin­ge­legt und eine Spiel­zeit, die von vorn­herein als Über­gangs­jahr ange­legt war, stan­des­gemäß zu Ende gebracht. Viele seiner Vor­gänger mit grö­ßeren Meriten sind an dieser Auf­gabe geschei­tert.

Es bleibt also zu hoffen, dass die Bayern-Granden ihre merk­wür­dige Stra­tegie über­denken. Und Niko Kovac die Chance ein­räumen, eine eigene, neue Bayern-Ära zu prägen. Jetzt, wo der große Umbruch des Teams ansteht. Es hätte den Neben­ef­fekt, dass sich die Bayern rühmen könnten, selbst einen Trai­ner­fürsten aus­ge­bildet zu haben. Einem Verein, der sich darin gefällt, Werte wie Tra­di­tion und Soli­da­rität zu leben, würde das doch gut stehen.

Wenn es so käme, wüssten wir zumin­dest, wann diese Ent­wick­lung ein­setzte: Am 24. November 2018 um 17:18 Uhr als der Kon­go­lese Dodi Luke­bakio per Rechts­schuss zum 3:3‑Ausgleich für For­tuna Düs­sel­dorf traf.