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Wir befinden uns im Jahr 2020 n. Chr.: Ganz Europa ist vom Coro­na­virus besetzt und das öffent­liche Leben lahm­ge­legt. Ganz Europa? Nein! Ein von unbeug­samen Weiß­russen bevöl­kertes Fleck­chen Land hört nicht auf, dem gefähr­li­chen Ein­dring­ling Wider­stand zu leisten. So oder so ähn­lich könnte das berühmte Intro aus Asterix“ in einem Fuß­ball-Corona-Spe­zial lauten. Doch anders als bei den mutigen Gal­liern aus der Comic­serie braut kein Druide einen Zau­ber­trank. In Weiß­russ­land rät ein Dik­tator zum Wodka trinken, Traktor fahren und Sport machen. Und weil Fuß­ball bekann­ter­maßen ein Sport ist, fanden am Wochen­ende wieder zahl­reiche Spiele statt – wie gewohnt vor Zuschauern.

Mitte März star­tete die Wys­heyshaya Liha, Weiß­russ­lands höchste Spiel­klasse, in die neue Saison. Trotz Corona-Pan­demie, welt­weit abge­sagten Sport­ver­an­stal­tungen und meh­reren tau­send Toten in Europa. Die ganze Welt schaut auf die bela­rus­si­sche Meis­ter­schaft. Dies ist die beste Wer­bung für unsere Liga“, wird der ehe­ma­lige Natio­nal­trainer Ana­toli Bai­dat­schni von lokalen Medien zitiert. In der Tat erlebt der weiß­rus­si­sche Fuß­ball gerade eine nie da gewe­sene Popu­la­rität: TV-Ver­träge mit Fern­seh­sen­dern aus zehn Län­dern, dar­unter Russ­land, Israel und Indien, wurden am Wochen­ende abge­schlossen. Und ver­zwei­felten Wett­an­bieter werben für Begeg­nungen der sonst eher unbe­ach­teten Liga.

Der­bytime in Minsk

So auch für das Spit­zen­spiel am ver­gan­genen Wochen­ende zwi­schen FK Minsk und Dinamo Minsk. Das Haupt­stadt­derby fand, genau wie die übrigen sieben Par­tien, vor (teil­weise) vollen Rängen statt. Noch Stunden vor dem Spiel twit­terte der sie­ben­ma­lige Meister Dinamo vom hei­ßesten Derby der Welt“. Ein eher hin­kender Ver­gleich, war doch das Auf­ein­an­der­treffen welt­weit das ein­zige Derby im Fuß­ball­ka­lender.

Trotz Coro­na­virus fanden 1750 Zuschauer den Weg ins Tor­pedo-Sta­dion, der Spiel­stätte des klei­neren Haupt­stadt­klubs FK Minsk. Das Spiel auf Kunst­rasen sollte zumin­dest aus sport­li­cher Sicht ein echter Lecker­bissen werden. Der Gast­geber ging früh durch Vla­dimir Khvashch­inski in Füh­rung und domi­nierte in der Folge das Geschehen nach Belieben. Der Favorit kam über­haupt nicht ins Spiel, kurz vor der Pause schraubte FK die Füh­rung durch einen Dop­pel­schlag auf 3:0 hoch. Auch nach der Pause erspielte sich der Underdog zunächst Chance um Chance. Doch trotz Ampel­karte für Miha Gor­opevsek in der 57. Spiel­mi­nute, kam Dinamo zurück ins Spiel und konnte in der Schluss­phase dank zweier Treffer noch vom Aus­gleich träumen. Am Ende reichte das späte Auf­bäumen jedoch nicht mehr und FK ent­scheid das Derby über­ra­schend mit 3:2 für sich.

Es wirkt gro­tesk, dass mitten in Europa, immer noch Fuß­ball gespielt wird. Auf der Ver­eins-Home­page wirbt Dinamo für die kom­mende Partie am Frei­tag­abend. Heim­spiel gegen Tor­pedo Zho­dino. Aller­dings, es scheint ein wenig Ver­nunft ein­ge­kehrt, wird jeder zweite Platz im Sta­dion frei bleiben. So soll der Min­dest­ab­stand von einem Meter zwi­schen den Zuschauern ein­ge­halten werden – man wolle die Emp­feh­lungen der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion WHO ein­halten.

Bene­belter Ver­stand

Das ist bereits ein kleiner Fort­schritt. Denn bis heute geht das Leben in der ehe­ma­ligen Sowjet­re­pu­blik recht normal von­statten. Weiß­russ­lands Mäch­tige, allen voran Minis­ter­prä­si­dent Aljaksandr Lukaschenko, scheren sich nicht um das Virus. Seine Worte erin­nern an die von Donald Trump oder Jair Bol­so­naro, die dem Virus noch vor einigen Wochen nicht die ange­mes­sene Auf­merk­sam­keit schenkten und lieber die natio­nale Unan­tast­bar­keit ver­klärten. Frei nach dem Motto Meinem Land kann das Virus nichts“ leugnet auch Lukaschenko die Gefahren und sieht keinen Grund für Maß­nahmen gegen eine Expan­sion des töd­li­chen Erre­gers. Ich nenne dieses Coro­na­virus nichts anderes als eine Psy­chose“, wird er zitiert. Die zivi­li­sierte Welt ist ver­rückt geworden“, gibt er zu Wort. Der Minsker Erz­bi­schof Pawel Pono­marjow hat eine ähn­lich exklu­sive Mei­nung: Er ver­traut ganz und gar auf Gott, der das Land vor der Epi­demie schützen werde. Die Panik, die durch die Aus­brei­tung des Coro­na­virus ent­steht, bene­belt den Ver­stand.“

Lukaschenko sieht keine Viren und erntet Kritik

Um seine Hal­tung deut­lich zu machen, spielte Lukaschenko am Wochen­ende dann ganz demons­trativ Eis­ho­ckey – Weiß­russ­lands Natio­nal­sport. Sport ist die beste Anti­viren-Medizin“, wird er zitiert. Außerdem gebe es in Weiß­russ­land keine Viren. Ich habe nicht bemerkt, dass sie her­um­fliegen“, sagt der Despot. Indes fragen sich viele, ob Lukaschenko über­haupt noch etwas merkt. Nach offi­zi­ellen Angaben haben sich im Land bereits mehr als 85 Men­schen mit dem Coro­na­virus infi­ziert, Tote soll es noch nicht gegeben haben. Das soll auch so bleiben. Denn Lukaschenko wies seine Sicher­heits­be­hörden an, jeden Fall genau zu unter­su­chen, in dem jemand fälsch­li­cher­weise“ einen Todes­fall mit Corona in Ver­bin­dung bringe.

Zeit­gleich werden immer mehr Weiß­russen unruhig. Trotz staat­li­cher Pro­pa­ganda wissen viele, was im Rest der Welt geschieht, sie for­dern nun Maß­nahmen zum Schutz ihrer Gesund­heit. So wird berichtet, Stu­denten würden Unter­schriften sam­meln, um die Schlie­ßung von Schulen und Uni­ver­si­täten zu erzwingen. Auch aus dem Fuß­ball werden kri­ti­sche Stimmen laut. Der öster­rei­chi­sche Legionär Darko Bodul kri­ti­siert die Fuß­ball-Funk­tio­näre scharf: Als wir hörten, dass die Liga startet, war es ein harter Schlag. Es ist scho­ckie­rend“, sagt der Angreifer gegen­über Laola1. Alle Men­schen in Weiß­russ­land wüssten, was in Europa los ist. Aber wir können es nicht ändern.“ Auch Lukaschenkos Ver­halten könne er nicht ver­stehen: Er spielt gerne den Big Boss. Aber die Leute nehmen diese Aus­sagen zum Glück nicht ernst. Es sind auch ohne Maß­nahmen der Regie­rung viel weniger Men­schen als sonst unter­wegs. Alte sehe ich über­haupt nicht mehr.“

Prä­ven­tion auch in den Fuß­ball­sta­dien: Beim Minsker Stadt­derby waren ver­ein­zelt Zuschauer mit Atem­schutz­masken zu sehen. Keine per­fekten Schutz­maß­nahmen. Aber das sind Wodka trinken und Traktor fahren ja auch nicht.