Für die Fans von Borussia Dortmund bricht mal wieder eine Welt zusammen: Kaderplaner Sven Mislintat steht vor dem Sprung zu Arsenal. Die goldenen Zeiten beim BVB sind damit endgültig vorbei.
Gündogan für Sahin, Mkhitaryan für Götze, Aubameyang für Lewandowski, der dann doch noch ein Jahr bleibt und gut verdient. Der BVB ist früh an den Spielern dran, trägt sein Image als der Ausbildungsklub Europas stolz vor sich her und verpflichtet Raphael Guerreiro, bevor der Europameister wird, und überzeugt Ousmane Dembele, bevor es andere Vereine tun können. Auch im höheren Regal fühlt man sich wohl – solange die Spieler nur jung und entwicklungsfähig sind. Die kann man auch wieder verkaufen, ohne Verlust. Der Name Borussia Dortmund allein ist einige Millionen Euro wert.
Weil aber vermehrt auf den Wiederverkaufswert geschaut wird, weil es mit Tuchel ohnehin komplizierter wird, und weil der BVB ein wenig vergisst, dass jeder sportliche Erfolg nur mit einer guten Kaderbalance erzielt werden kann, legt sich langsam auch eine Patina über den Glanz der Dortmunder Transferpolitik.
Für Jungspieler wie Mikel Merino und Emre More blieb der BVB-Durchgangsstation. Matthias Ginter kommt nie an. Adnan Januzaj ist längst vergessen. Was aus Alexander Isak wird bleibt unklar. Auf langjährige Probleme im Abwehrbereich wird nur zaghaft reagiert.
2017 hat Spuren hinterlassen
Doch trotz aller Verluste, hat sich der BVB bislang gut geschlagen. Er ist immer noch in der nationalen Spitze, wenngleich einigermaßen ambitionslos. Sie schwimmen mit. Auch dank der Transferphilosophie, über die es die Borussia zu internationaler Anerkennung gebracht hat, die Teil der Internationalisierung des Vereins ist.
Mit Mislintat, dem Leiter der Abteilung Profifußball, verantwortlich für Scouting, Analysen und technische Neuerungen wie den Footbonauten, dem Mann, der hinter den Kulissen lange Zeit mit an den Fäden zieht, dem auch ein Streit mit Thomas Tuchel nichts anhaben kann, steht nun einer der führende BVB-Köpfe vor dem Absprung.
Der Kamener hinterlässt beim BVB eine große Lücke. „Es ist meine Überzeugung, dass grundsätzlich jeder ersetzbar ist“, sagte Sportdirektor Michael Zorc, als Bayerns Abwerbeversuch im August scheiterte. An dieser Linie wird sich der Verein orientieren, eine Nachfolgeregelung treffen und verkünden, dass weiter alles in Ordnung ist. Doch das Jahr 2017 hat Spuren hinterlassen, und wird am Westfalenstadion noch länger nachwirken.
„Die wollen uns verdrängen“
Mislintats bevorstehender Abgang jedoch sollte nicht nur den Fans der Dortmunder Borussia Sorgen bereiten, sondern kann ganz allgemein als ein Warnsignal für die Bundesliga verstanden werden. Erst überhäuften die Klubs der Premier League die talentiertesten Spieler mit Geld, in den vergangenen Jahren folgten mit Conte, mit Guardiola und Klopp die Männer an der Seitenlinie. Nun kauft man sich das Wissen hinzu. Das Dortmunder Diamantenauge mit seinem großen Netzwerk an Kontakten ist nur ein prominenter Vorreiter dieser Welle. Andere werden ihm folgen. Mislintat, so hört man, wird es in London an nichts fehlen.
„Im internationalen Fußball explodieren auf Top-Niveau die finanziellen Aufwendungen. Klubs wie Manchester United, Manchester City oder der FC Liverpool pumpen immense Summen in ihre Kader“, erklärte Aki Watzke im Sommer. „Die kommen alle mit 280 Stundenkilometern auf der linken Spur mit Lichthupe angerauscht und wollen uns verdrängen.“
Der Verdrängungskampf findet nicht mehr nur auf dem Platz statt. Spätestens mit Mislintats Wechsel wird er sich auch in die Schaltzentralen verlagern.