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Schwie­riges Jahr für den BVB. Der Anschlag auf den Mann­schaftsbus, der Streit um Tuchel, der erneute Abgang eines auf­stre­benden Jung­spie­lers, wie immer finan­ziell ver­goldet, die Suche nach einem neuen Trainer, der über­wäl­ti­gende Start unter Bosz und der deso­late Oktober, in dem man die Meis­ter­schaft und die K.O.-Phase der Cham­pions League ver­spielt.

Dünn­häu­tige Funk­tio­näre mit pau­schalen Medi­en­schelten, eine ver­fehlte Trans­fer­po­litik mit einem unaus­ge­gli­chenen Kader auf dem Platz, und einem Schat­ten­kader bestehend aus zu viel gut bezahlten Spie­lern wie Andre Schürrle, Sebas­tian Rode, Park Joo-Hoo. Statt Fort­schritt nur noch Still­stand. Statt Glanz nun Patina. Der BVB ist inner­halb kür­zester Zeit um Jahre geal­tert, zehrt von den erfolg­rei­chen Jahren der jungen Ver­gan­gen­heit, die sich nicht mehr im UEFA-Ran­king ablesen lassen. Die zwar Teil der Ver­eins­ge­schichte, aber nicht mehr Teil der Gegen­wart sind.

Mit Sven Mislintat könnte in den kom­menden Monaten ein wei­terer Bau­stein einer der erfolg­reichsten Phase der Ver­eins­ge­schichte den Verein ver­lassen, und ein Blick ins Internet genügt: Das ist das Ende der Welt für Borussia Dort­mund.

Glücks­griffe Klopp und Mislintat

Mislintat, BVB-Fan, in Kamen auf­ge­wachsen, zieht es in die Pre­mier League, zieht es zu Arsenal London. Dem Verein, der sich für die Zukunft nach Wenger auf­stellen und dem 45-jäh­rigen die Scou­ting-Abtei­lung anver­trauen will.

Als Mislintat 2007 zum Verein kommt, hat er schon einige Jahre als Spiel­ana­lyst auf dem Buckel. Zeit­gleich mit Mislin­tats Ankunft beginnt Dort­munds kurzer, wilder Auf­stieg – erst in die natio­nale Spitze und dann auch in die geho­be­nere euro­päi­sche Klasse. Gemeinsam mit Jürgen Klopp, einem wei­teren Dort­munder Glücks­griff, und Michael Zorc ent­wi­ckeln sie in den nächsten Jahren den Kader, der 2013 der hei­ßeste in ganz Europa sein wird. 

Als mit Lucas Bar­rios, Jakub Blaszc­zy­kowksi, Sven Bender, Mats Hum­mels und Neven Subotic das Grund­ge­rüst der ersten Dort­munder Meis­ter­mann­schaft steht, ver­pflichten die Dort­munder mit Robert Lewan­dowski aus Posen, Lukasz Piszczek von Absteiger Hertha BSC und dem 21-jäh­rigen Shinji Kagawa die feh­lenden Puz­zle­teile für den Titel­ge­winn. In diesen Jahren schafft der BVB das wirt­schaft­liche und sport­liche Fun­da­ment, ver­vier­facht seine Umsätze von rund 100 Mil­lionen Euro in der Saison 2009 – 2010 auf über 400 Mil­lionen in der ver­gan­genen Spiel­zeit.

Wech­sel­stim­mung an der B1

Am Ende der Spiel­zeit 2008/2009 ver­kauft der BVB Alex­ander Frei für 4,25 Mil­lionen Euro nach Basel und im dar­auf­fol­genden Jahr den glück­losen Nelson Valdez für 3,50 Mil­lionen Euro nach Spa­nien. Ankom­mende Spieler wie Bar­rios, Hum­mels oder Lewan­dowski kosten nie über 5 Mil­lionen. Das ändert sich.

Der BVB wird wert­voller, für andere Ver­eins span­nender. Der BVB holt Spieler, der Trainer ver­edelt sie. So geht das unter Klopp, so geht das auch noch unter Tuchel. Erst ver­ab­schiedet sich Sahin, dann Kagawa, dann Götze. Und so ist das Jahr für Jahr. 

An der B1 pro­fi­tiert man von der Gold­grä­ber­stim­mung in der Fuß­ball­branche. Wäh­rend Dort­munds Trans­fer­po­litik nach dem Cham­pions-League-Finale – auch auf­grund der hoch­ka­rä­tigen Abgänge – zwangs­läufig mehr reaktiv als aktiv wird, prä­sen­tieren Mislintat und sein Team Jahr für Jahr die rich­tigen Lösungen.

Gün­dogan für Sahin, Mkhi­ta­ryan für Götze, Aub­ameyang für Lewan­dowski, der dann doch noch ein Jahr bleibt und gut ver­dient. Der BVB ist früh an den Spie­lern dran, trägt sein Image als der Aus­bil­dungs­klub Europas stolz vor sich her und ver­pflichtet Raphael Guer­reiro, bevor der Euro­pa­meister wird, und über­zeugt Ous­mane Dem­bele, bevor es andere Ver­eine tun können. Auch im höheren Regal fühlt man sich wohl – solange die Spieler nur jung und ent­wick­lungs­fähig sind. Die kann man auch wieder ver­kaufen, ohne Ver­lust. Der Name Borussia Dort­mund allein ist einige Mil­lionen Euro wert.

Weil aber ver­mehrt auf den Wie­der­ver­kaufs­wert geschaut wird, weil es mit Tuchel ohnehin kom­pli­zierter wird, und weil der BVB ein wenig ver­gisst, dass jeder sport­liche Erfolg nur mit einer guten Kader­ba­lance erzielt werden kann, legt sich langsam auch eine Patina über den Glanz der Dort­munder Trans­fer­po­litik.

Für Jung­spieler wie Mikel Merino und Emre More blieb der BVB-Durch­gangs­sta­tion. Mat­thias Ginter kommt nie an. Adnan Januzaj ist längst ver­gessen. Was aus Alex­ander Isak wird bleibt unklar. Auf lang­jäh­rige Pro­bleme im Abwehr­be­reich wird nur zag­haft reagiert.

2017 hat Spuren hin­ter­lassen

Doch trotz aller Ver­luste, hat sich der BVB bis­lang gut geschlagen. Er ist immer noch in der natio­nalen Spitze, wenn­gleich eini­ger­maßen ambi­ti­onslos. Sie schwimmen mit. Auch dank der Trans­fer­phi­lo­so­phie, über die es die Borussia zu inter­na­tio­naler Aner­ken­nung gebracht hat, die Teil der Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Ver­eins ist. 

Mit Mislintat, dem Leiter der Abtei­lung Pro­fi­fuß­ball, ver­ant­wort­lich für Scou­ting, Ana­lysen und tech­ni­sche Neue­rungen wie den Foot­bo­nauten, dem Mann, der hinter den Kulissen lange Zeit mit an den Fäden zieht, dem auch ein Streit mit Thomas Tuchel nichts anhaben kann, steht nun einer der füh­rende BVB-Köpfe vor dem Absprung.

Der Kamener hin­ter­lässt beim BVB eine große Lücke. Es ist meine Über­zeu­gung, dass grund­sätz­lich jeder ersetzbar ist“, sagte Sport­di­rektor Michael Zorc, als Bay­erns Abwer­be­ver­such im August schei­terte. An dieser Linie wird sich der Verein ori­en­tieren, eine Nach­fol­ge­re­ge­lung treffen und ver­künden, dass weiter alles in Ord­nung ist. Doch das Jahr 2017 hat Spuren hin­ter­lassen, und wird am West­fa­len­sta­dion noch länger nach­wirken.

Die wollen uns ver­drängen“

Mislin­tats bevor­ste­hender Abgang jedoch sollte nicht nur den Fans der Dort­munder Borussia Sorgen bereiten, son­dern kann ganz all­ge­mein als ein Warn­si­gnal für die Bun­des­liga ver­standen werden. Erst über­häuften die Klubs der Pre­mier League die talen­tier­testen Spieler mit Geld, in den ver­gan­genen Jahren folgten mit Conte, mit Guar­diola und Klopp die Männer an der Sei­ten­linie. Nun kauft man sich das Wissen hinzu. Das Dort­munder Dia­man­ten­auge mit seinem großen Netz­werk an Kon­takten ist nur ein pro­mi­nenter Vor­reiter dieser Welle. Andere werden ihm folgen. Mislintat, so hört man, wird es in London an nichts fehlen. 

Im inter­na­tio­nalen Fuß­ball explo­dieren auf Top-Niveau die finan­zi­ellen Auf­wen­dungen. Klubs wie Man­chester United, Man­chester City oder der FC Liver­pool pumpen immense Summen in ihre Kader“, erklärte Aki Watzke im Sommer. Die kommen alle mit 280 Stun­den­ki­lo­me­tern auf der linken Spur mit Licht­hupe ange­rauscht und wollen uns ver­drängen.“

Der Ver­drän­gungs­kampf findet nicht mehr nur auf dem Platz statt. Spä­tes­tens mit Mislin­tats Wechsel wird er sich auch in die Schalt­zen­tralen ver­la­gern.