Michael Rummenigge spielte für den FC Bayern und den BVB. Der Pokalsieger von 1989 über das Spitzenspiel, seinen alten Kumpel Hansi Flick und den Vertragspoker von David Alaba.
Michael Rummenigge, Dortmund gegen Bayern, Tabellenzweiter gegen Spitzenreiter – eigentlich die perfekte Voraussetzung für Gänsehautatmosphäre vor dem deutschen Spitzenspiel. Wäre da nicht Corona. Ist dennoch in Dortmund eine gewisse Vorfreude auf das Spiel zu spüren?
Das geht momentan eher unter. Selbst in einer Stadt wie Dortmund, wo der Fußball eine unglaublich wichtige Rolle spielt, haben sich die Prioritäten verschoben. Mit Wehmut erinnere ich mich in diesen Tagen an das Spiel im Herbst 2018, das der BVB 3:2 gewonnen hat. Da ging es hin und her. Da kamen so viel Energie und Emotionen – auch von den Rängen. Das wird diesmal fehlen, lässt sich aber nicht ändern.
Beide Teams sind punktgleich, aber der FC Bayern wirkt stabiler.
Bayern hat von den letzten 48 Spielen 45 gewonnen. Das ist eine unglaubliche Kontinuität. Dieser Lauf ist um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass keine Zuschauer im Stadion sind und die Spieler pushen. Und die Bayern spielen dabei auch noch schönen Fußball. Der BVB hat gegen Augsburg und Rom geschwächelt. Wenn es nicht läuft, dann muss man halt auch mal auf Unentschieden spielen. Das muss die Mannschaft noch lernen. Ich hoffe, dass es wieder ein Spiel auf Augenhöhe wird, so wie beim 1:0‑Sieg der Bayern im Frühjahr. Und ich würde es gut finden, wenn diesmal der BVB der Sieger wäre. Langsam kommt ja in der Bundesliga Langeweile auf.
Hansi Flick wird als Bayern-Trainer schon nach einem Jahr Amtszeit verehrt, Lucien Favre hat es dagegen immer noch nicht geschafft, die BVB-Fans von sich zu überzeugen.
Favre ist nicht der Trainer für die Massen und für die Medien – ganz anders als Jürgen Klopp, mit dem er hier in Dortmund immer wieder verglichen wird. Unabhängig von seinen fachlichen Qualitäten ist Lucien Favre introvertiert und scheu. Dazu kommt noch, dass er mit der deutschen Sprache kämpft. Aber das wusste man alles, als man ihn engagierte.
Hansi Flick, Ihr ehemaliger Teamkollege beim FC Bayern, ist auch kein Lautsprecher…
Hansi, Lothar (Matthäus, die Redaktion) und ich zählten damals zu den Jungen im Team und bildeten eine Clique. Hansi war ein netter Kerl, ein ganz ruhiger Typ, der seine Aufgabe erfüllt hat. Wie er es jetzt als Trainer macht, seine Menschenführung, wie er die Spieler abholt und im Trainerteam für ein wunderbares Verhältnis sorgt, all das ist einfach sensationell. Er erinnert mich an Ottmar Hitzfeld. Ein entscheidender Faktor für die derzeitige Bayern-Stärke ist Flicks Umgang mit Thomas Müller und wie er ihn spielen lässt. Thomas Müller ist wahnsinnig wichtig für die Mannschaft, nicht nur wegen seiner Spielweise, sondern auch wegen seiner Mentalität und seiner Präsenz, die er auf dem Platz zeigt. Wie ein Lahm oder Schweinsteiger trägt er das Bayern-Gen in sich.
Was steckt hinter diesem vielbeschworenen Bayern-Gen?
Beim FC Bayern wird dir eingebläut: Wir wollen alles gewinnen, jedes Spiel, jeden Titel. Ich habe das selbst zu spüren bekommen. Manchmal war es schwerer, beim Trainingsspiel in die erste Elf zu kommen, als dann am Samstag in der Bundesliga zu gewinnen. Nach meinem Wechsel zum BVB konnte ich es nicht fassen, als wir zu einem Auswärtsspiel fuhren und ein Unentschieden als Ziele ausgegeben wurde. Ich kannte das von Bayern nicht anders, als dass man immer gewinnen will. Diese Mentalität wird im gesamten Verein gelebt und gefördert. Jeder Angestellte bekommt für einen Titel ein Monatsgehalt oben drauf, für zwei Titel gibt es zwei, für drei drei zusätzliche Monatsgehälter.