Rudi Völler, Miro Klose, Gerd Müller, der Mittelstürmer blickt in Deutschland auf eine lange Tradition zurück. Doch der klassische Torjäger im Angriffszentrum ist aus der Mode gekommen. Was ist nur passiert?
„Karim Benzema. Luis Suárez. Gonzalo Higuain. Robert Lewandowski.“ Fragt man Christian Stark, den Mittelstürmer der U19 des Hamburger SV, nach seinen Vorbildern, kommen die Namen wie aus der Pistole geschossen. Nur der Name eines deutschen Angreifers fällt dem 18-Jährigen ad hoc nicht ein. „Ich schaue mir auf Youtube Videos von allen an, die gut sind, und versuche mir etwas abzuschauen“, rechtfertigt Stark seine Auswahl. Mit anderen Worten: Herausragende Torjäger aus Deutschland sind derzeit aus Sicht des Nachwuchstalents Mangelware. Dabei hat der Mann mit dem Killerinstinkt im Sturmzentrum eine lange, große Tradition. Uwe Seeler, Gerd Müller, Klaus Fischer, Horst Hrubesch, Rudi Völler oder Miroslav Klose – klassische Mittelstürmer haben in allen Generationen und bei fast jedem historischen Erfolg einer deutschen Mannschaft eine besondere Rolle gespielt. Doch die zentrale Angriffsposition hat deutlich an Reputation eingebüßt.
Der echte Stoßstürmer ist out
Schon bei der WM 2014 in Brasilien nahm der Bundestrainer mit Miro Klose nur einen klassischen Neuner mit. Auch bei der Europameisterschaft 2016 war Mario Gomez eher als Ergänzungsspieler für die seltenen Brechstangenmomente im edlen Löw-Spiel mitgekommen, denn als gesetzter Führungsspieler. Doch der Bundestrainer hatte sich vertan: Nach Gomez’ Ausfall fehlte der DFB-Elf im Halbfinale plötzlich ein kaltschnäuziger Angreifer, der im entscheidenden Moment für einen Treffer gut ist. Stattdessen mühte sich der gelernte Außenstürmer Thomas Müller auf dieser Position. Und scheiterte. Das Problem: Unter Jogi Löw ist der echte Stoßstürmer out, beim DFB setzt man aktuell lieber auf die „falsche Neun“, einen mitspielenden Angreifer wie Mario Götze. Andere Länder wie Italien mit Graziano Pellè oder Frankreich mit Olivier Giroud vertrauen dagegen klassischen Neunern. Und sogar Spanien stellte zuletzt wieder einen Mann in die Spitze. Deutschland aber scheint es auf dieser Position an Alternativen zu fehlen. Stirbt der Mittelstürmer etwa aus?
Die Spurensuche beginnt beim HSV. In der U19 ist Christian Stark auf der Position des zentralen Stürmers gesetzt. Dabei spielt der gebürtige Bad Hersfelder erst seit anderthalb Jahren da vorn. Eigentlich wurde er als Außenbahnspieler ausgebildet, erst sein U17-Trainer entschloss sich, ihn mal im Angriff auszuprobieren. Stark spielte gut, schoss ein paar Tore und wurde fortan zur klassischen Neun umgeschult. Mit einer Körpergröße von 1,82 Metern ist er nicht unbedingt der Prototyp des Stoßstürmers – aber mit inzwischen 79 Kilo hat er deutlich an Robustheit hinzugewonnen. „Wir glauben, dass Christian sein größtes Potential auf der Mittelstürmerposition abruft.
Das Problem der wenigen Tore
Dort könnte er durchkommen und in der ersten Mannschaft spielen“, sagt Tobias Kurbjuweit, Co-Trainer der U19 des HSV. Auf die Frage, warum Deutschland zurzeit die Topstürmer fehlen, hat der 33-Jährige hingegen keine Antwort. „Wenn wir jetzt Europameister geworden wären, weiß ich nicht, ob die Diskussion überhaupt entstanden wäre“, sagt er. Doch die deutsche Elf hat in Frankreich nun mal zu wenig Tore geschossen – nur sieben in sechs Spielen. Bei der WM 2014 waren es noch 18 Treffer in sieben Partien. Statt Spielern wie Mario Götze oder Thomas Müller in der Spitze hätte es einen Mittelstürmer gebraucht, der durch seine Körperlichkeit in der Lage ist, die Abwehr des Gegners auszuhebeln, und vor dem Tor eiskalt bleibt. Doch da es solche Spieler zurzeit kaum gibt, muss in der deutschen Nachwuchsarbeit etwas schiefgelaufen sein.