Der FC Hansa könnte heute aufsteigen und nach neun Jahren in die 2. Bundesliga zurückkehren. Verantwortlich ist ein umsichtiges Führungsduo und das konsequente Nutzen von Glück.
Die Dritte Liga ist ein absurdes Schauspiel. Absolute Aufstiegsfavoriten strampelten dieses Jahr lange verzweifelt im Abstiegskampf, der Vorjahresmeister steigt vermutlich ab. Selbst die aktuellen Top-Teams müssen sich mühsam durch die Saison mäandern. Ernsthaft Krise ist für jeden Klub mindestens zweimal im Jahr. Härtels Fußball, immer noch kein Augenschmaus, keine filigrane Offenbarung, dafür klug orchestriertes Schachspiel, gibt Hansa in jedem Spiel bis zur letzten Minute die Möglichkeit zu gewinnen. In der Rückrunde hat Hansa nur ein Spiel verloren. Immer war es so knapp, dass am Ende der Mumm der Einzelnen über Punkte entschied. Härtel sei Dank.
Dieses Jahr nutzt die Mannschaft diese Möglichkeiten. Allein im Kalenderjahr 2021 errang Hansa vier Siege, die einige Fans nah an den Herzkasper führten. Späte Tore, dazu ein gehaltener Elfmeter, nachdem zuvor ein Abwehrspieler auf der Linie mit der Hand pariert hatte. Drama! Bloß diesmal nicht auf der Tribüne, im Vorstand oder in der Boulevardzeitung. Dort blieb es erstaunlich ruhig.
Härtel, der in den ersten 18 Monaten seiner Amtszeit noch an der Fahrlässigkeit seines Teams verzweifelte, trainiert mittlerweile ein vom Aussterben bedrohtes Mentalitätsmonster. Das so geflissentlich beim Glückhaben vorgeht, dass mancher glauben könnte, dass sich der berühmte Bayerndusel etwas besoffen von der Dachterrasse in das kalte Kellergewölbe verirrt habe.
Und Rostock dieser Tage gibt es zwei Gruppen von Menschen. Da sind die, die noch Angst haben, dass doch alles in die Binsen geht und deshalb Versicherungen gegen den Nicht-Aufstieg abschließen. Sieg Lübeck, Sieg Ingolstadt – die Quote liegt bei etwa 24 Euro. Andere schauten am Wochenende 2. Bundesliga und haben längst einen Spickzettel, auf dem draufsteht, wer runtergehen soll und wer besser drin bleibt, um nächstes Jahr anstelle von Hansa abzusteigen.
Den Aufstieg vor Augen zu haben, ist für manche in Mecklenburg-Vorpommern ein noch schöneres Gefühl als der greifbare Aufstieg selbst. Es fühlt sich belebend an wie ein Bolzplatzabend im Frühsommer, mit Dosenbier und einem Soundtrack aus wilden Jahren. Wenn Hansa wirklich aufsteigt, dann ist in Rostock die langwährende Ebbe überwunden.
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*Hinweis: Der Autor ist Mitarbeiter der Digitalagentur, die an der Aktion “Ein Land. Eine Kurve” beteiligt war.