Seit über einem Jahr wird Fußball vor leeren Rängen gespielt. In dieser Zeit ist das Spiel in der Bundesliga weniger intensiv geworden. Gibt es einen Zusammenhang?
Doch warum hat die Intensität im Spiel gegen den Ball europaweit nachgelassen? Die nächstliegende Antwort wäre der verdichtete Spielkalender. Überall haben die Ligen aufgrund der Corona-Pandemie später begonnen und müssen die Mannschaften ihre Spiele innerhalb eines kürzeren Zeitraums absolvieren. In den 116 Tagen der aktuellen Saison, die hier betrachtet werden, standen für Teams, die nur in Bundesliga und Pokal spielten, insgesamt zwanzig Partien auf dem Programm. Im gleichen Zeitraum der Vorsaison waren es nur 16. Der Spielrhythmus verdichtete sich also von einem Spiel alle 7,25 Tage auf eines alle 5,8 Tage. Bei Teams, die in den Europapokalwettbewerben antraten, von 5,5 auf alle 4,5 Tage. Das könnte dazu führen, dass die Spieler einfach etwas kraftschonender Fußball spielen.
Doch schaut man die physischen Daten an, bestätigt sich das nicht – im Gegenteil. Die Deutsche Fußball Liga erhebt in jedem Spiel, wie viele intensive Läufe absolviert werden, das sind Läufe in einem Tempo von mehr als 19,8 km/h. Genau die also, die besonders viel Kraft kosten. Ihre Zahl ist im Laufe der letzten Jahre infolge von verbessertem Training und optimierter Betreuung beständig gestiegen, und das ist trotz gedrängten Terminplans jetzt nicht anders. Die Zahl der intensiven Läufe stieg einfach weiter, von 472 auf 502. Das mag auch damit zu tun haben, dass die Trainer nun fünf Spieler auswechseln dürfen und die meisten von ihnen diese Möglichkeit nutzen. Das aber ist nun komplett verwirrend: Wenn die Mannschaften zwar mehr rennen, aber den Gegner weniger unter Druck setzen, wohin rennen sie dann?
„Es ist das absolut anstrengendste Programm, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe“
René Maric, Co-Trainer von Marco Rose bei Borussia Mönchengladbach, hat auf diese Frage eine erstaunliche Antwort: „Es gehen mehr Läufe gegen den Ball ins Leere, weil die Mannschaften besseren Ballbesitz haben, mehr gute Entscheidungen treffen und weniger Unforced Errors produzieren.“ Anders gesagt: Sie spielen sauberer, weniger hektisch und können sich den Drucksituationen häufiger entziehen. Die verteidigenden Mannschaften laufen zwar weiter eifrig an, schließen dabei aber eher Passwege oder verstellen Räume, anstatt ihre Gegner zu jagen. Nur wie erklärt sich dieses Phänomen?
Dazu muss man doch noch einmal über die Belastung der Spieler sprechen. Im Dezember sagte Mats Hummels in einem Interview: „Es ist das absolut anstrengendste Programm, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe. Sich alle drei Tage körperlich zu verausgaben, geht bei mir voll an die Substanz. Ich merke, dass zwischen den Spielen nicht viel geht.“ Und Sven Bender von Bayer 04 Leverkusen assistiert ihm, im Moment bliebe „kaum Zeit für Erholungsphasen“. Nun mag man denken, dass die beiden Spieler halt zur Ü30 gehören, Bender hat inzwischen sogar sein Karriereende angekündigt. Doch fast jeder Trainer hat sich inzwischen ähnlich geäußert.
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