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Uwe Neu­haus, Trainer von Arminia Bie­le­feld, hat neu­lich eine kleine Geschichte über seinen Mann­schafts­ka­pitän Fabian Klos erzählt. Nach dem Auf­stieg von Union Berlin im letzten Jahr und den orgi­as­ti­schen Feiern rund um die Alte Förs­terei habe ihm Klos eine SMS geschickt, mit dem Tenor: So etwas möchte ich auch noch erleben!“ Zwölf Monate später lässt sich sagen: Das hat einer­seits her­vor­ra­gend geklappt. Und ande­rer­seits über­haupt nicht.

Wie sehr die Corona-Pan­demie den Fuß­ball rui­niert, konnte man zuletzt ja fast ein wenig ver­gessen. Nachdem die Geis­ter­spiele vor dem Fern­seher erst extrem befremd­lich wirkten, waren sie nach einer Weile zwar immer noch nicht beson­ders reiz­voll, wurden aber vom Gehirn nach und nach als neue Fuß­ball­rea­lität akzep­tiert. Der Mensch ist halt ein Gewohn­heits­tier.

Nun aber geht die Saison auf die Ziel­ge­rade, gemeinhin die Zeit der ganz großen Gefühle. Nur braucht es für die halt zwei­erlei: die, die sie aus­lösen, also die Spieler, und jene, die sie wider­spie­geln und über­haupt erst den Reso­nanz­boden schaffen, durch den sie ihre volle Wir­kung ent­falten können – und das sind nun mal die Fans.

Keiner auf dem Rat­haus­platz

Und so standen die Bie­le­felder Spieler zuletzt doch ziem­lich ratlos im eigenen (leeren) Sta­dion, brachten pflicht­schuldig Bier­du­schen hinter sich und teilten sich eine Kiste Pils, die auf dem Rasen stand. Auch das wird sich irgendwie wie Auf­stieg ange­fühlt haben, schon klar, aber viel­leicht eher wie einer von der Kreis­liga B in die Kreis­liga A.

Der erwähnte Fabian Klos hat im letzten Winter, als die mög­liche Beför­de­rung von Arminia Bie­le­feld bereits abzu­sehen war, im 11FREUNDE-Inter­view einen schönen Ein­blick in seine Vor­freude gewährt. Ich kann mir nicht im Ent­fern­testen vor­stellen“, sagte der Stürmer damals, wie das Gefühl wäre, oben auf dem Rat­haus­platz zu stehen und den Bun­des­li­ga­auf­stieg zu feiern.“ Ein mög­li­ches sport­li­ches Schei­tern wird Klos damals durchaus ein­kal­ku­liert haben – nicht aber den Fall, dass die Sache zwar erfolg­reich zu Ende gebracht wird, aber trotzdem keiner auf dem Rat­haus­balkon steht und schon gar keiner davor.

Nicht nur die Bie­le­felder merken gerade, wie blöd es ist, wenn man als Fuß­baller seine Freude mit nie­mandem außer­halb der eigenen Blase teilen kann. Selbst die noto­risch erfolgs­ver­wöhnten Funk­tio­näre des FC Bayern standen neu­lich, als der Rekord­meister in Bremen seine achte Meis­ter­schaft in Folge klar gemacht hatte, auf der Tri­büne des Weser­sta­dions wie schlechte Lai­en­dar­steller in einem Fuß­ball­film, denen der Regis­seur ver­zwei­felt zuruft: Freude zeigen!“ Ähn­lich ging es den Bayern-Spie­lern auf dem Rasen, und das lag nicht nur daran, dass sie diesen Titel in jedem Mai feiern dürfen.

Tat­säch­lich ist es ja so: Wenn jemand Fuß­ball­profi werden will, dann – ja, ja – sicher aus Liebe zum Spiel und bestimmt wegen der Aus­sicht auf ein dickes Bank­konto, aber eben auch, weil es kaum etwas Groß­ar­ti­geres gibt, als von einer eksta­ti­schen Men­schen­menge gefeiert zu werden. Und viel­leicht merken manche Kicker tat­säch­lich erst jetzt, wie viel ihnen fehlt, wenn dieser Aspekt plötz­lich ersatzlos gestri­chen ist.

Vor­freude auf ganz kleiner Flamme

Inso­fern ist es mensch­lich durchaus ver­ständ­lich, wenn es in den letzten Tagen zum einen oder anderen Fall von zivilem Unge­horsam gegen­über den zeit­ge­nös­si­schen Hygie­ne­re­geln gekommen ist. Manchmal noch gerade im Rahmen des Ver­tret­baren wie bei den spon­tanen Nicht­ab­stiegs­feiern in Berlin-Köpe­nick, manchmal deut­lich dar­über hinaus wie nach dem Pokal­sieg des SSC Neapel.

Für den Pro­fi­fuß­ball ist diese Situa­tion brand­ge­fähr­lich. Wenn eben das, was sonst als vor­bild­lich galt, näm­lich die Nähe zu den Fans, auf einmal ver­werf­lich ist, dann ver­liert er auf erschüt­ternde Weise seinen Reiz und damit letzt­lich seine Exis­tenz­be­rech­ti­gung.

Nun kann man sich natür­lich damit trösten, dass all das bloß ein vor­über­ge­hendes Schla­massel ist, aber solange nie­mand weiß, wie lange es dauern wird, dass wieder vor Zuschauern Fuß­ball gespielt werden darf, köchelt sämt­liche Vor­freude auf ganz kleiner Flamme – bei den Anhän­gern wie auch bei den Prot­ago­nisten des Spiels. Oder kann sich irgendwer, um zum Aus­gangs­bei­spiel zurück­zu­kehren, einen Zweit­li­ga­spieler vor­stellen, der ange­sichts der schaum­ge­bremsten Bie­le­felder Fei­er­lich­keiten eine SMS an seinen Trainer schreibt, in der steht: So etwas möchte ich auch noch erleben!“