Vom Taktikblogger zum Co-Trainer in Mönchengladbach. René Maric über seinen ungewöhnlichen Weg, den neuen Stil der Borussia und die globale Vernetzung im Fußball.
Der Fußball ist zu einer globalisierten Wissensgesellschaft geworden?
Ja. In allen Branchen kann man heutzutage besser und einfacher Informationen einholen, auch im Fußball. Ich kenne einen Trainer in Äthiopien, der wird sich in dieser Saison über Satellitenfernsehen unsere Spiele in der Europa League anschauen. Noch vor zehn Jahren hätte er kaum Zugang zu europäischem Fußball gehabt. Wenn er sich jetzt ein Spiel anschaut, macht er vielleicht mit dem Smartphone ein Foto von einer Situation, zeigt es seinen Spielern und sagt: „Jungs, so wie die wollen wir auch spielen.“
Leitet sich also der Stil, den Gladbach unter Marco Rose spielen wird, aus hunderten Einflüssen ab?
Letztlich gibt es schon klare Grundelemente seiner Spielphilosophie. Gegen den Ball ist Marco am ehesten von Jürgen Klopp inspiriert. Mit dem Ball haben wir Ansätze von geduldigem Positionsspiel, wie es Gladbach die letzten Jahre auf gutem Niveau praktiziert hat, aber auch wieder Klopp mit dem Fokus auf schnelle Kombinationen und Spiel in die Tiefe.
Mit allem Respekt: Ist der Begriff „Philosophie“ im Fußball nicht fast zu einem Witz geworden?
Für mich nicht, denn inzwischen dokumentieren viele Vereine sehr genau, wie sie spielen wollen. Da kann man zurecht von einer Spielphilosophie sprechen. Ich selber habe in diesem Sommer im Urlaub 16 Prinzipien für technische Aktionen von Fußballern aufgeschrieben, nach denen man sie übergreifend für alle Spielweisen bewerten kann.
Sind Sie ein Nerd?
Wirke ich so?
Eigentlich nicht.
Ich bin auch ein eher gemütlicher Typ, aber ich bin schon sehr interessiert an der Materie, und das seit zwanzig Jahren. Zugegeben, schon als Fünfjähriger habe ich alle Spiele der WM 1998 auf Video aufgenommen.
Die Frage kommt vielleicht etwas früh, aber wollen Sie mal Cheftrainer werden?
Ich war ja schon Cheftrainer, wenn auch nur bei einer Amateurmannschaft, und das hat mir Spaß gemacht. Als ich dann mit Marco gearbeitet habe, habe ich aber erst mal gesehen, wie viele Sachen ich falsch gemacht habe.
Was denn?
In der Ansprache der Mannschaft war ich beispielsweise zu unstrukturiert, indem ich immer wieder wechselnde Themen angesprochen habe. Bei Marco dagegen hat das Hand und Fuß und trifft genau den Punkt. Hätte ich das so gemacht, wären manche Dinge schneller oder besser gegangen. Aber ob ich mir noch fünf oder zehn Jahre als Assistent etwas abschauen will, kann ich noch nicht sagen.
Sie sind zum ersten Mal im Ausland, wie gefällt es Ihnen bei Borussia Mönchengladbach?
Mich beeindruckt, dass trotz der beeindruckenden Tradition und Größe des Klubs eine so familiäre Atmosphäre herrscht. Die meisten Angestellten sind Fans, sehr begeisterungsfähig und leben ihren Verein. Als unser Trainerteam vorgestellt wurde, kamen alle Mitarbeiter aus den Büros. Wir standen auf der Bühne und wurden von 120 Leuten freundlich angelächelt, das war wirklich toll.